Die 3 im Namen – Es muss nicht immer Tesla sein

Stefan Schwunk über seine Motivation einen VW ID3 zu kaufen

Foto: Michael Müller

In der aktuellen Ausgabe des T&Emagazin erläutert Stefan Schwunk warum er sich gegen einen Tesla Model 3 und für einen ID3 von Volkswagen entschieden hat. Seit über 10 Jahren ist er bei einem deutschen Premiumhersteller und inzwischen als Qualitätsingenieur für Elektrofahrzeuge, tätig.

Die E-Mobilität hat mich infiziert, als mein Vater 2014 plötzlich seinen Jaguar XK gegen ein Model S eintauschte. Ich begann mich damit auseinanderzusetzen und als dann im Jahre 2016 mein Arbeitgeber kostenlose Lademöglichkeiten für Mitarbeiter angeboten hat, war für mich klar, dass ein Elektroauto ins Haus kommen musste. Kostenlos pendeln – wie geil ist das denn bitte? Die Frage war eben nur welches.

Nach längerer Überlegung ist es dann im Jahr 2017 der Hyundai Ioniq geworden. Der Grund war einfach. Er ist einigermaßen kompakt, ich komme ohne Zwischenladen in die andere Hansestadt (Hamburg) und preislich lag er im Rahmen. Model S oder Model X, um damit zur Arbeit zu pendeln? Das wäre ja wie mit Kanone auf Spatzen zu schießen, zu teuer und zu groß. Ich entschied mich dann beim Ioniq für Leasing, drei Jahre, um das Risiko des kleinen Akkus beim Hersteller zu lassen. Der kleine Akku ist in meinen Augen das einzige Manko des Ioniqs, von der fehlenden App mal abgesehen.

Ich habe damals bewusst auf drei Jahre Leasing gesetzt. Das Model 3 war von Tesla vorgestellt worden und sollte 2019, nach Elon Time, auch in Deutschland erhältlich sein. Realistisch in meinen Augen also 2020. Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt: Elon strafte mich Lügen und das Model 3 war schon 2019 auf dem Markt.

In den letzten drei Jahren ist aber so viel in der E-Mobilität geschehen. Es gibt inzwischen gute Alternativen zu Tesla. In den Augen vieler Leser mag dieser Satz wie Blasphemie wirken, aber es ist wirklich so. Auf meinem YouTube-Kanal „Schwunkvoll“ bin ich schon viele Autos gefahren. Daher wuchs in mir die Frage, ob es wirklich ein Model 3 sein muss.

Im Grunde ist es recht einfach: Für 50.000 Euro soll das neue Elektroauto eine Winterreichweite von Bremen bis in die andere Hansestadt und zurück haben (man will sich ja steigern), Autobahntempo muss bei über 130 km/h liegen (meine Reisegeschwindigkeit + Reserven) und bloß keinen Frontantrieb mehr. Der Hyundai radiert schon mit seinen 120 km/h an der Vorderachse. Ach, ganz wichtig: Es sollte wirklich kein SUV sein. Ich stehe da echt nicht drauf. Egal, ob EQC, Etron, Kona oder Model X. Einfach nicht mein Ding!

Also gucken wir mal, was dann am Markt im September 2020 verfügbar ist. Mit meinen Prämissen bleiben eigentlich nur BMW i3, Model 3 SR+ oder eben der VW ID.3. den ich reserviert hatte. Ein BMW i3 ? Ja, nee… Ein Fahrzeug der direkten Konkurrenz? Zudem geht das Türkonzept gar nicht! Die Kohlefaserbauteile können zudem nur teuer repariert werden. Auf der IAA 2017 stellte Daimler noch das Concept EQA vor. Ein Hatchback auf Basis der A-Klasse, der 2020 kommen sollte. Richtig heiß. Nun kommt Ende des Jahres ein EQA auf den Markt, auf Basis des GLA. Nein, das fällt eindeutig unter SUV und damit bleiben eigentlich nur noch M3 oder ID.3 übrig.

Meine Entscheidung ist inzwischen gefallen. Es wird der Hoffnungsträger von VW. Am 17. Juni durfte ich bestellen. Am Ende kam eine Leasingrate heraus, die auf Höhe eines Model 3 SR+ liegt. Trotzdem habe ich bestellt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Ich arbeite als Qualitätsingenieur. Leider sehe ich bei Tesla immer wieder Dinge, die in meinen Augen einfach nicht gehen, wenn über Premium gesprochen wird.

Die Jürs Lackiererei, aber auch Ove Kröger bestätigen immer wieder, dass es Dinge gibt, die Tesla nicht beherrscht. Wie hier die Langzeitqualität aussehen wird, muss Tesla erst noch beweisen. Daher rate ich jedem, ein Model 3 nur zu leasen. Dann bleibt das Risiko bei Tesla. Ich möchte hier auf die einzelnen Themen nicht eingehen. Das Model 3 ist ein richtig gutes Auto, ich liebe die Reduzierung auf das Nötigste, dazu ein guter Antrieb. Herz, was willst du mehr? Aber qualitativ ist es einfach teilweise echt grenzwertig, ohne dass es sofort für jeden Kunden ersichtlich ist.

Warum aber nun ausgerechnet VW? Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass VW das Thema Autobauen beherrscht. Sie machen das seit Jahrzehnten. Beim Thema Software müssen sie noch lernen, das sieht man aktuell. Die 1st Edition wird es nur im September geben, wenn man auf zwei Software-Themen verzichten kann. Ansonsten muss man bis zum 4. Quartal warten, um alle Funktionen sofort zu genießen. Die 1. Mover Fahrzeuge, also die ersten Ausgelieferten, werden dann Anfang 2021 nachgerüstet. Jetzt muss sich zeigen, was am Ende komplexer sein wird und für Probleme sorgen wird. Die Software oder die Hardware, sprich das Auto selber?

Der ID.3 bietet in meinen Augen aber auch stellenweise mehr als das Model 3 SR+. In der WLTP Reichweite liegt er mit dem Model 3 auf Augenhöhe. 407 Kilometer vom M3 im Vergleich zu 420 Kilometer vom ID.3. Aber in der teureren MAX Variante, die übrigens so teuer ist wie ein SR+, bietet der ID.3 Dinge, die ein Model 3 nie liefern wird. Lenkradheizung, HeadUp-Display, eine vollwertige Heckklappe. Für mich persönlich ist Apple CarPlay eine weitere wichtige Sache, auf die ich beim Tesla verzichten müsste. Klar, der ID.3 hat nur 204 PS und benötigt 2 Sekunden länger auf 100 km/h. Aber ist dies essenziell für jeden Tag? Natürlich kommt dann immer das Totschlagargument: Das SuperCharger Netzwerk.

Nach drei Jahren Ioniq muss ich aber sagen, dass es für mich nicht relevant ist. Ich bin selbst mit dem Ioniq, der dank meiner großen Felgen eine Reichweite von 180 Kilometern im Sommer hat, immer ans Ziel gekommen. Dabei gab es 2017 immer nur die alten TripleCharger an der Raststätte. Die waren kostenlos, aber auch schnell belegt. Ich bin nie liegengeblieben, es wurde auch nie knapp mit Strom. Das Netzwerk ist 2020 deutlich besser als 2017 und ich bin optimistisch, dass der ID.3 mich überall hinbringt, wo ich so hinfahren möchte. Zudem möchte unsere Regierung ja nun ganz groß in die Ladeinfrastruktur investieren (die Ironie an dieser Stelle ist rein zufällig).

Last but not lease, es gibt so viele YouTuber, die inzwischen Model 3 fahren. Mal im Ernst, das wird doch langweilig, wenn ich nun auch noch Model 3 fahren würde. Das dürfen die anderen gerne machen. Ich habe immer gerne polarisiert, also wird es ein VW vom vermeintlichen Verbrecherkonzern. Ich bin nicht nachtragend, ich denke, auch VW hat gelernt, und ich hoffe wirklich, dass sie den Weg von Herbert Diess weitergehen, trotz der Tatsache, dass er gerade entmachtet wurde. Natürlich wird es Probleme geben und auch der ID.3 ist ganz bestimmt nicht perfekt. Auch der Hoffnungsträger von VW wird seine Macken haben.

Ihr könnt mir aber glauben, dass ich darauf auf meinem Kanal eingehen werde. Vielleicht zahle ich Lehrgeld und vielleicht komme ich dann 2022 reumütig zurück und bestelle mir einen Tesla. Aber ich war vor drei Jahren mit dem Ioniq schon Pionier und mich reizt einfach das Neue. Ausprobieren, wie es die anderen machen, die, die nicht aus Kalifornien kommen.

Stefan hat auch auf seinem YouTube-Kanal Schwunkvoll seine Entscheidung begründet. Die Ausgabe 7 des T&Emagazin ist in Wunschmenge hier zu bestellen.

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