E-Mobilität gigantisch

Baufortschritte in Hilden

Von oben sieht es aus wie eine Ansammlung von Massengräbern. Doch tatsächlich sind es die bereits ausbetonierten Fundamente von Ladeplätzen. Links im Bild für Schnellladeplätze der Fima Fastned, rechts von Tesla Superchargern der neuesten Generation V3. Auf der Grünfläche daneben verlaufen unterirdisch zwei Gas- und eine Erdölpiplines. Im dritten Bauabschnitt werden hier, nach Sanierung der einen Gaspipline, weitere Tesla Supercharger entstehen. 

Direkt am Kreuz Hilden ist seit 14. Februar ein 16er Paletten-Supercharger von Tesla mit einem 1-Megawatt-Trafo in Betrieb. Dieses Provisorium steht vor einer großen Baustelle.

Auf diese kann man über einen aufgeschütteten Abraumhügel einen Blick werfen. Die sogenannte „Uwe-Düne“ ist vom Supercharger aus begehbar. 

Der in der E-Mobilitätsszene nicht unbekannte Roland Schüren ist Verpächter des Grundstücks, auf dem Tesla im ersten von drei Bauabschnitten die vorübergehende Schnelllademöglichkeit auf Paletten geschaffen hat.

Hinter dem Bauzaun entsteht nach Schürens Angaben der größte Tesla Supercharger in der Europäischen Union. 40 Stalls der neusten Generation V3 mit einer Spitzenleistung von bis zu 250 Kilowatt wird Tesla dort in den nächsten beiden Bauabschnitten errichten.

Auch der Ladesäulenbetreiber Fastned baut direkt neben Tesla seine bisher größte Ladeeinrichtung in Europa. 22 Ladeanschlüsse an 11 Ladesäulen – mit maximal 300 Kilowatt Leistung – sollen zukünftig vorzufinden sein (siehe Foto unten). Dieses beeindruckende Elektromobilitätsprojekt ist zudem lediglich ein Teil des Gesamtvorhabens.

Zumindest in der E-Mobilitätsszene ist vielen bekannt, dass Bäcker Roland Schüren keine kleinen Brötchen backt. In Hilden, vor seiner Bäckerei betreibt er den bisher größten öffentlichen Ladepark Deutschlands. Der überzeugte Tesla-Fahrer hat inzwischen weite Teile seines Unternehmensfuhrparks auf geeignete E-Mobile umgestellt und, weil es kein passendes Fahrzeug gab, mit dem BV1 einen Elektro-Transporter initiiert und mit anderen zusammen in Kleinserie gebracht.

Jetzt geht er noch einmal in die Vollen und hat ein 12.000 Quadratmeter großes Grundstück direkt am Kreuz Hilden erworben. Hier wird ein fünfstöckiges Bürogebäude zusammen mit ausgesuchten Investoren errichtet. Im Erdgeschoss soll ein großes Café-Bistro mit Bäckerei-Ausrichtung und einer Spezialbackstube zu finden sein.

Seed & Greet – das ist der Name der zukünftigen Café-Bistro-Bäckerei im Gewerbegebiet Kreuz Hilden und das Gesamtprojekt mittragende Unternehmen. An der Straße Nordpark entsteht ein besonderes Bauwerk, der die drei klimarelevantesten Sektoren nachhaltig verbindet: Lebensmittelherstellung, Energie-Erzeugung und Mobilität. „Sektorenkopplung“ nennt das der Fachmann. Natürlich handelt es sich bei Energieerzeugung um erneuerbare Energien und bei Mobilität um Elektro-Mobilität. Am Gebäude und über den Schnellladeplätzen werden Photovoltaikanlagen entstehen, die zwischen 600 und 700 Kilowatt-Peak liefern sollen und durch zwei Kleinwindräder ergänzt werden. Auch der Einsatz von stationären Energiespeichern ist vorgesehen.

Im Gebäude kommt Lebensmittelherstellung durch Backen dazu. Die zwei darüber befindlichen Büroriegel werden mit einem Lichthof verbunden sein, in der eine Vertical Farm betrieben werden soll. „Hier bauen wir ganzjährig zum Beispiel Salat und Beeren an”, erklärt der ambitionierte Unternehmer, „die zudem auch in die Salate und Kuchen von Seed & Greet einfließen”. Die Backstube wird eine effektive Wärmerückgewinnung ermöglichen, sodass keine weiteren Wärmequellen erforderlich sein werden.

Im derzeitigen zweiten Bauabschnitt entsteht vor einem bereits angelegten kleinen Teich ein Pavillon. Dieser soll den Backwarenverkaufswagen ablösen, der zurzeit Besuchern des Palletten-Superchargers den Erwerb von Kaffee, Kuchen und anderen Backwaren ermöglicht.

Das Grundstück, auf dem das alles entsteht, lag bisher brach, da es sich in unmittelbarer Autobahnnähe nicht für landwirtschaftliche Nutzung eignete. Es wird gerade mittels großer Pumpen und aufwändigen Drainagen entwässert.

Zudem befinden sich Relikte eines anderen energiewirtschaftlichen Ansatzes darunter: Pipelines, in denen in hoher Geschwindigkeit Rohöl fließt, eine Fernleitung für Flüssiggas und eine für Erdgas. Dadurch habe sich, laut Roland Schüren, der Baubeginn deutlich verzögert, da die Leitungen teils erneuert werden müssen.

„Unterirdisch fossil wird darüber oberirdisch erneuerbar nun die Energiewende praktisch vollzogen”, kommentiert Schüren sein Vorhaben. Nicht nur Tesla und Fastned werden hier hochmoderne Lademöglichkeiten errichten. Eine Lösung für „langsames Laden” wird er selbst vor Ort betreiben. Somit sind zukünftig am Standort für quasi alle E-Fahrzeuge markenübergreifend und am jeweiligen Nutzungsprofil ausgerichtete Lösungen zu finden. Zusammen mit allen Mietern im Gebäude nutzen nach Abschluss der Baumaßnahmen dann Tesla und Fastned, so intensiv wie möglich, den vor Ort selbsterzeugten Strom direkt, ergänzt mit gespeichertem Strom und mit Ökostrom aus dem Netz. Das ist konkret angewandte Sektorenkopplung, die innerhalb des fünfstöckigen Bäckerei- und Bürogebäudes zum Beispiel mit Wärmerückgewinnung, Regenwasser- und Brauchwasser-Zweitnutzung ergänzt wird.

Mit den zwischenzeitlich aufgestellten 16er Paletten-Superchargern scheint Tesla auf die spezielle Situation zu reagieren, dass die eigenen Schnelllader in den letzten Monaten verstärkt nachgefragt werden, insbesondere wegen der Nähe zu den Benelux-Ländern. Zum Jahresende waren die Zulassungszahlen hauptsächlich des Tesla Model 3 in den Niederlanden regelrecht explodiert. Die umliegenden Supercharger in Moers und Kamen waren daher nun häufiger überfüllt. Tesla-Fahrer mussten warten, bis andere ihnen Platz machten. Tesla rüstete mit zusätzlich installierten Ladesäulen an diesen Standorten nach. Die konnten vor Ausbruch der Corona-Pandemie noch immer nicht den gestiegenen Bedarf vollständig auffangen. Roland Schüren geht davon aus, dass sich mit dem Supercharger Hilden die Situation entspannt.

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Der Beitrag erscheint Mitte April im T&Emagazin, Ausgabe 6. Die 52-seitige Zeitschrift kann – wie auch ältere Ausgaben – hier bestellt werden.

Weitere Themen:

Update zum Tesla Model 3 Treffen in Hilden
Tesla Model 3 Design Analyse von Christoph Reichelt
Teslas Battery and Powertrain Investors Day von Christian Brockmann
Ein Tesla-Fahrevent in Schweden von Bernd Donner
Tesla Welt – News des Quartals von David Reich
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Nikolas (8 Jahre) im Tesla von Martin Haudenschild
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E-Mobilität – Wie man für die Ladung zahlt von Andreas Neumann
ABC der E-Mobilität von Martin Hund
Early Adopter – Pionier Louis Palmer
E-Mobilität – Vom Lambo zum Model 3 Nico Pliquett
E-Mobilität – Vom Ioniq zum Model 3 Electric Dave
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Fahrbericht – JAC e-S2 versus Fiat 500e von Dana Blagojevic
Fahrbericht – eCorsa von Youness Schadt
Auslageorte – Destination- und Supercharger
Erneuerbare Energien – § 14a-Stromtarif von Ulrich Setzermann
Fanboy – Tesla Model Y von Gabor Reiter

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2 Gedanken zu „E-Mobilität gigantisch

  1. Der Vergleich der Baugruben mit Massengräbern empfinde ich grundsätzlich und insbesondere in der momentanen Pandemie mehr als daneben.

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