„Die Schlacht ist gewonnen“

Corona als Chance

Mario Herger über E-Mobilität und Digitalisierung

Foto: privat

Dr. Mario Herger – vielen in der E-Mobilitäts-Community bekannt als Autor des Buches „Der letzte Führerscheinneuling ist bereits geboren“ – hat ein neues Buch veröffentlicht. Unter dem Titel „Corona als Chance“ setzt er sich mit den durch den Virus begünstigten Aspekten der Digitalisierung auseinander.

Der gebürtige Österreicher lebt seit 19 Jahren im Silicon Valley, unweit der Tesla-Fabrik. „Es stellt sich heraus, dass gerade die Digitalisierung, über die wir in Deutschland viel reden aber wenig machen, plötzlich ganz wichtig geworden ist“, äußert er sich heute im Interview mit Der Aktionär TV. „Somit beschleunigt so eine Krise gewisse Trends, die schon da waren, aber nicht ernsthaft angegangen worden sind.“

Das T&Emagazin nahm das Interview zum Anlass bei Mario Herger nachzufassen und dieser war prompt zu Ergänzungen bereit.

Im Hinblick auf Home Office hätte man nach seiner Einschätzung bei den meisten wenig Erfahrungen gehabt, nun seien viele Unternehmen dazu gezwungen worden. Daher geht der Technologietrendforscher davon aus, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Lebenszeit gewonnen wird, wenn man zum Beispiel nicht mit langen Anfahrtswegen pendeln muss. Auch werde man vielleicht feststellen: „Man braucht Büro-Immobilien in dieser Menge gar nicht mehr“.

Auch gegenüber Tech-Aktien habe sich durch die Krise ein Sinneswandel vollzogen, der nach Hergers Einschätzung vielleicht mehr Investoren motiviert, auch in Deutschland auf Zukunftsthemen zu setzen. Angesprochen auf E-Mobilität, Robotaxis und Tesla gibt Herger seine Position wieder: „Wenn Elon Musk sagt, es geht in zwei Jahren los, dann sollte man verdoppeln oder verdreifachen, aber er liefert immer, das hat er immer gezeigt.“ Es gebe neben Tesla eine ganze Reihe an Firmen, die nach seiner Einschätzung im Hinblick auf Autonomes Fahren weiter sind. In Kalifornien gäbe es 66 Unternehmen, die eine Lizenz haben, autonome Fahrzeuge auf der Straße zu testen. „Die fahren mit 800 Autos herum. USA-weit sind es heute sogar 1.400 autonome Experimentalfahrzeuge. Und die Google Schwester Waymo ist heute das Unternehmen, das ohne Fahrer fahren darf. Da muss niemand mehr in dem Auto drinsitzen.“

Mit der Corona-Krise kamen mit einem Schlag  die autonome Systeme in das Rampenlicht. Lieferroboter die auf Bürgersteigen fahren, autonome LKWs oder Drohnenzustellung können die Kontakte und damit die Ansteckungsgefahren zwischen Menschen während einer Pandemie reduzieren. In Mountain View und anderen Städten im Silicon Valley sind plötzlich mehr dieser Roboter unterwegs, als bisher schon der Fall war.

Nach Mario Hergers Einschätzung liegen die Entwicklungsfortschritte zwischen fünf und sieben Jahren gegenüber deutschen Herstellern. Software sei bei den traditionellen Automobilunternehmen wie ein Anhängsel. „Man klatscht die Software auf die Autos drauf“. Bei Tesla zum Beispiel sei das genau umgekehrt. „Tesla beginnt mit der Software und baut das Auto drumherum. Waymo macht das genauso und viele Startups ebenso.“

Es sei sehr schwierig zu verstehen, den Wechsel von der physischen Welt in diese digitale Welt zu machen – weil das ein ganz anderes Paradigma sei: „Wenn die DNA im Unternehmen aus dem Maschinenbau kommt, dann ist Software – in Deutschland ist man da generell skeptisch – immer etwas nicht Greifbares, nicht Dingliches, etwas was keinen Wert hat. Heute aber sind die wertvollsten Unternehmen der Welt alle Digitalunternehmen.“ So ist Apple alleine mehr Wert, als alle im DAX gelisteten Unternehmen.

Im Bereich Batterien sieht er unter anderem auf Grund des digitalen Managements Tesla vorne. Dieses sei dafür verantwortlich, dass Tesla zwischen 30 und 40 Prozent mehr Reichweite als vergleichbare Fahrzeuge erreichen könne. Neuigkeiten dazu verspricht der auf den 15. September verschobene Tesla Batteryday. Die anderen Hersteller müssten sich langsam an Tesla heranarbeiten.

Herger äußert sich skeptisch zum Thema Wasserstoff und dessen Anwendung im Verkehrsbereich. Die Herstellung sei zu aufwändig und teuer und aktuell auch nicht unbedingt umweltfreundlich. Zudem hat Wasserstoff die unangenehme Eigenschaft, dass es diffundiert: es ist flüchtig durch alle Materialien. Alleine der Transport zur Tankstelle sei dabei eine Herausforderung. Man benötige drei- bis fünfmal soviel Energie gegenüber rein batteriebetriebenen Fahrzeugen. Er geht daher davon aus, dass in den kommenden 10 bis 15 Jahren – wenn es nicht zu einem gravierenden Technologiefortschritt kommt – zumindest im Pkw-Bereich Wasserstoff gegenüber der batteriebetrieben Antriebstechnik keine Chance habe. „Die Schlacht ist gewonnen.“

Bezüglich Corona geht Mario Herger nicht von einer schnellen Erholung aus. Seiner Einschätzung nach werden alte Industriezweige weiter unter Druck geraten, dafür neue hochkommen. Man müsse anders denken: „Wir können nicht alle 10 Jahre die Wirtschaft aus einer Misere boxen.“ Als Lösung plädiert er für eine Art Robotersteuer, die ein bedingungsloses Grundeinkommen finanziert. „Damit könnte man eine kommende Wirtschaftskrise viel, viel flacher machen.“

E-Book: Corona als Chance:

https://www.boersenmedien.de/produkt/corona-als-chance-e-book-1833.html

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