Nichts ist unmöglich. Das war mal der Claim – wer sich noch an die Fernsehwerbung von Toyota erinnert. Heute ist dieses Claim schwierig, denn die Konkurrenz ist groß, vor allem wenn man ein kleines bisschen zu spät kommt.
Ich habe den ersten elektrischen Toyota mit dem komplizierten Namen BZ4x getestet und bin zu interessanten Erkenntnissen gekommen. Meine Erwartungshaltung war ein viel zu wildes Design. Kaum ging ich aber auf dem Hotelparkplatz zum Auto war ich sehr positiv überrascht. Die Kantigkeit steht dem Wagen sehr gut, immerhin gibt es z.B. auch Matrix LED-Scheinwerfer. Welchen Kunden spricht der Wagen an? Nun, den ID.4 oder den Skoda Enyaq Fahrer.
Doch nun erst einmal alles der Reihenfolge nach. Einen vorderen Kofferraum gibt es auch hier mal wieder nicht. Trotzdem müsst ihr mindestens 47.490 € zahlen, um den elektrischen Toyota zu fahren. Dann habt ihr einen Vorderradantrieb mit 204 PS. Die Beschleunigung geht dann in siebeneinhalb Sekunden von 0 auf 100 vonstatten. Die Allrad Variante kostet dahingegen schon 59.990 €, kombiniert aber alle notwendigen Pakete, die beim Grundpreis nicht drin sind, aber wichtig sein können. 6,9 Sekunden dauert es dann von 0 bis 100 km/h. Top Speed ist bei 160 km/h, allerdings für beide Varianten völlig egal ob Allrad oder Vorderradantrieb. Auch den Akku teilen sich beide Varianten, hier gibt es 71,4 kWh Netto. Damit ist er schon gegen ID.4 und den Skoda etwas hinten dran. Wer den vorderen Kofferraum vermisst muss immerhin auf eine Anhängerkupplung nicht verzichten, diese gibt es gegen Aufpreis und kann dann 750 Kilo ziehen, ist nicht die Welt, aber immerhin.
Also in Sachen Anhängelast und leider auch Kofferraum muss sich der Toyota geschlagen geben, denn hier sprechen wir von einem Fassungsvermögen von 460 Litern. Das sind 124 Liter weniger als im Skoda. Klappt man allerdings die optional 60 zu 40 teilbare Rücksitzbank um hat man wirklich eine schöne sehr große ebene Ladefläche.
Dafür sieht er aber exotischer im Straßenbild aus und das meine ich nicht negativ. Innen geht es auch sehr exotisch zu. Hier wiederum könnte es sein, dass es einige zu wild finden. So haben wir z.B. ein Lenkrad zu Tachokonstrukt, welches sehr gewöhnungsbedürftig ist. Es ist halt aber auch typisch Toyota. Das Hauptdisplay ist schön groß und mittig angeordnet. Die Bedienung geht sehr innovativ vonstatten, weil alles sehr selbst erklärend ist. Die Reaktionszeit der Navigationskarte ist absolut rekordverdächtig. So schnell habe ich das noch nicht mal bei den Google Betriebssystemen gesehen. Allerdings gibt es harte Punktabzüge für die Routenplanung, die es einfach mal nicht gibt. Genauso habe ich Probleme mit der Darstellung, weil das ganze einfach nicht besonders modern aussieht. Da würde ich mir lieber eine ruckelnde Kartendarstellung wünschen, dafür aber eine ordentliche Routenplanung für Elektroautos. Auf Apps, Spiele oder sonstiges wie z.B. Netflix und Co muss man auch gänzlich verzichten.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich finde das gar nicht so schlimm allerdings im Vergleich zu dem was momentan auf den Markt kommt ist es halt schon etwas altbacken. Und diesem Vergleich muss sich jeder Hersteller stellen. Dafür ist die Innenraumanmutung wirklich hochwertig und sehr solide. Die Ledersitze haben vorne sogar eine Belüftungsfunktion.
Der Beinraum hinten ist auf jeden Fall genügend üppig, der fehlende Kardantunnel ist ein Segen, weil man einfach von links nach rechts oder andersherum durchrutschen kann. Mehr Kopf Freiheit hätte ich mir allerdings schon gewünscht. Die Dachlinie fällt ja gar nicht ab wie bei einer Coupe SUV-Variante und trotzdem wäre kein Platz mehr gewesen hätte ich Haare. Nun denn, ab in die Stadt.
Eines hat er dem Skoda und dem Volkswagen voraus: er fährt wirklich wesentlich dynamischer. Die nur 218 PS, die bei der Allrad Variante zu Tragen kommen fühlen sich eigentlich so an wie die 265 PS bei Skoda und Volkswagen. Die Zahlen bestätigen dies aber auch mit den 6,9 Sekunden von 0 auf 100. Die Handlichkeit geht vollkommen in Ordnung, wobei der Wendekreis mit 11,4 m jetzt nicht traumhaft ist, sondern eher Basic. Aber der Wagen ist ja auch länger als Skoda und Volkswagen. Beim Parken kommt man durch das sehr gute Kamerasystem perfekt zurecht, die Auflösung ist sehr gut allerdings nervt total, dass der Wagen auch innen piept, wenn man rückwärts fährt. Das lässt sich auch nicht abstellen. Nicht so besonders toll, wenn schlafende Kinder an Bord wären.
Interessanterweise gibt es einen starken Unterschied zwischen dem Verbrauch in der Stadt und auf der Autobahn. So konnte ich durch Kopenhagen fahrend einen fantastischen Wert von knapp 14 kWh ermitteln. Hierfür bin ich einfach mal eine halbe Stunde durch die Stadt gefahren, typischer Berufsverkehr halt eben. So lässt es sich mit dem 71 kWh Akku Kapazität sehr gut auskommen. Aber lassen wir es 16 kWh sein – das ist immer noch wirklich gut für ein Auto dieser Größe und Power.
Komisch in die Negativrichtung verschiebt sich das Ganze allerdings auf der Autobahn. Dort bin ich von Kopenhagen nach Malmö rüber gefahren also nach Schweden. Die Öresund Brücke hat mich zuzüglich zu etwas Autobahn mit 110 km/h Richtung schwedische Mautstelle geführt und die gefahrene Strecke war ganze 28 km lang. An der schwedischen Mautstelle habe ich, ohne bezahlen zu müssen umgedreht und habe wieder genullt. Der durchschnittliche Verbrauch, den ich ermittelt habe, lag bei 23,3 kWh, allerdings bei nur 110 km/h Tempomat. Das schaffen Volkswagen ID.4 und das Skoda Pendant bei 130 km/h konstant auf der Autobahn.
Die Ruhe im Auto ist allerdings auf der Autobahn sehr gut und der Wagen lässt sich sehr gemütlich fahren. Nur Abrollgeräusche sind negativ aufgefallen bei denen ich aber nicht weiß, ob sie am Straßenbelag liegen oder am Auto selbst. Die Assistenzsysteme sind kein überragendes Wunder, sondern einfach ein sehr guter Standard. Es ist alles an Bord was man braucht. An der Ladesäule lässt der Wagen auch nichts anbrennen. Hier kommt er mit 150 kW Ladeleistung, was bei Volkswagen und VW erstmal eine ganze Weile gedauert hat, bis das ging. 29 Minuten von leer bis 80%, soll der Toyota schaffen was ich aber leider mangels Zeit nicht messen konnte. Ich habe aber immer schon festgestellt in letzter Zeit, dass die Hersteller ihre Zeiten schaffen – zu viel Angst herrscht vor Shitstorm im Social Media.
Das ist auf jeden Fall ein passabler Wert und fast auf Augenhöhe mit Volkswagen und Skoda. Sogar besser, wenn man bei Skoda oder Volkswagen die Allrad Variante in der stärksten Version nimmt, denn die brauchen 35 Minuten für dieses Kunststück haben aber zugegebenermaßen auch ein bisschen mehr Akku. Zum Vorteil wird es bei denen erst dadurch, dass sie wesentlich weniger verbrauchen auf der Autobahn.
Alles in allem ist der Toyota BZ4x schon wirklich ein Grund solides Elektroauto. Er ist das perfekte Brot und Butter Auto für Pragmatiker, wobei Brot und Butter natürlich ein bisschen schwierig ist bei 50.000 €, wenn man schon die Umweltprämie abzieht, dafür kriegt man dann aber auch die Allrad Variante mit Vollausstattung. Gute Verarbeitung, extrem gute Fahrleistungen, eine absolut solide Ladeleistung und ein interessantes Designkonzept innen wie außen. Man muss halt nur offen für solche Sachen sein, sonst werden es einige halt einfach als viel zu wild empfinden.
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Die Zeitschrift hat 52 Seiten und ist prall gefüllt mit Berichten zu Themen der Elektromobilität und zu regenerativen Energien.
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5 Exemplare, 10 Exemplare und 20 Exemplare zum Weiterverteilen zu geringen Mehrkosten.
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Die Themen dieser Ausgabe:
Leser-Reaktionen
Editorial – E-Mobilität nicht mehr ausbremsbar – von Timo Schadt
Tesla Welt – News des Quartals – von David Reich
Tesla – Cyber Rodeo & more – Gigafactory in Texas eröffnet – von Karsten Klees
Tesla – Model X Plaid vs. Model S von 2013 – von Timo Schadt
Die Herausgeber – Tesla Owners Club Helvetia (TOCH) – von Martin Haudenschild
Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V. – von Lars Hendrichs
Innovator – Carsten Fischer plädiert für das Fahren im älteren E-Auto Interview von Nino Zeidler & Timo Schadt
Elektroauto Guru – Tuning fürs E-Auto? – von Nino Zeidler
S3XY CARS Community – Das größte E-Auto Event am 30.7. – von Timo Schadt
T&Etalk – Rückblick: E-Fahrzeug-Design – furchtbar? – von Timo Schadt
Elektromobilität – Wie funktioniert eine Akkuzelle – von Martin Hund
Elektromobilität – Car Maniacs E-Auto-Tests – von Christopher Karatsonyi
Wirtschaft – Medien zwischen Fake News & Bildungsauftrag – Interview von Timo Schadt mit TV Journalist Jochen Rosenkranz
Wirtschaft – Internet für alle: Was ist Starlink? – von Moritz Blunt
Energie- & Verkehrswende – Brennstoff aus Treibhausgasen – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Geldverschwendung mit Atomkraft – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Potenzial von Vehicle-to-Grid – Interview mit Loris Di Natale von Fritz Kleiner
Technophilosoph – Wenn Robotaxis vor der Polizei abhauen – von Dr. Mario Herger
Reisebericht – Halide Studer fuhr mit dem Model S nach Istanbul – von Beat Jau
Reisebericht – USA mit dem Tesla – von Lars Hendrichs
Fanboy – Synergien im Elon Universum – von Gabor Reiter