Strompreise sind insbesondere seit 2022 sehr volatil (schwankend). Bevor hier auf die Preisentstehung am Strommarkt und den europäischen Strombörsen eingegangen wird, braucht es einige Grundlagen zu Energie, Energieträgern, deren Speicherformen und zu den Stromnetzen.
Energieträger und Speicher
Beginnen wir mit gängigen Energieträgern und wie man sie speichert. Kohle kann man auf großen Halden einfach und günstig lagern. Erdöl und Gas haben eine höhere Energiedichte und lassen sich in großen Tanks lagern. Kernenergie, die in Brennstäben „gelagert“ wird, hat eine enorme Energiedichte. Diese Energieformen haben eines gemeinsam: Man kann sie lange im Voraus am Markt einkaufen, lagern und nach Bedarf in Wärme und/oder Strom umwandeln.
Vergleichen wir diese Energieformen mit Strom, so unterscheiden sie sich grundlegend in der Speichermöglichkeit: Strom kann man nicht speichern! In Batterien wird Strom chemisch umgewandelt. Genauso, wenn Strom bei der Hydrolyse zu Wasserstoff und mit Hilfe von Strom E-Fuels erzeugt oder ihn in Form von kinetischer Energie gespeichert wird (Pumpspeicher, Energy Vault Betonspeicher etc.).
So kann Strom gespeichert werden. Durch Umkehrung des Prozesses wird er wiedergewonnen, allerdings treten dabei mehr oder weniger große Wirkungsverluste auf. Preisbestimmend ist aber nicht nur der Verlust, sondern auch die Lagerfähigkeit in Bezug auf die vorausschauende Einkaufsplanung.
Stromnetze
Als E-Autofahrer kennt man den Unterschied zwischen Wechsel- und Gleichstrom. In die Batterien bringen wir den Strom nur als Gleichstrom und können daraus auch nur Gleichstrom beziehen. Die Motoren und das Stromnetz arbeiten aber mit Wechselstrom – in Europa mit 50 Hz Wechselstrom. Jedes Einschalten eines Verbrauchers lässt diese Frequenz sinken, jedes Ausschalten ansteigen. Die Schwankungsbreite darf dabei nur 49,5 Hz bis 50,5 Hz betragen. Darunter oder darüber leiden Geräte meistens. Die Energieversorger sind daher verpflichtet, das Stromnetz diesen Werten stabil zu halten.
Das ist die große Herausforderung der Stromnetzbetreiber. Wird viel Verbrauch abgeschaltet, muss gleichzeitig ein Erzeuger runterfahren.
Strompreise
Wie entsteht aber nun der Strompreis? Vorhersehbarer und kalkulierter Zu- und Abfluss wird Grundlast genannt. Der obere Teil dieser wird als Regelenergie bezeichnet. Die Grundlast wird über Terminmärkte (Futures) langfristig an der Europäischen Strombörse EEX in Leipzig (European Energie Exchange) bis zu sechs Jahre im Voraus gehandelt. Der Anteil der Regelenergie wird über Spotmärkte gehandelt. Er teilt sich in drei unterschiedliche Marktsegmente auf: In den Day-Ahead-Markt, den Intra-Day-Markt und den Regelenergie-Markt. Hierbei werden der Day-Ahead-Markt und der Intra-Day-Markt bei der Tochter der EEX, dem EPEX SPOT Markt in Paris (European Power Exchange) betrieben. Teilnehmende Länder sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Schweden und die Schweiz.
Day-Ahead-Markt
m Day-Ahead-Handel wird Strom für die Lieferung am nächsten Tag ge- und verkauft. Der Handel erfolgt über die Börse EPEX Spot oder via „Over The Counter“ (OTC)-Handel durch außerbörsliche Verträge. Diese Form des Handels von Stundenprodukten wird über eine Auktion abgewickelt, bei der Versorgungsunternehmen und andere Großkunden Gebote zum Kauf oder Verkauf von Strom abgeben. In Deutschland und Österreich müssen diese Gebote bis 12 Uhr mittags abgegeben werden. Die Zuschläge werden bis 12:40 Uhr bekannt gegeben. Ab 15 Uhr können Gebote für den Folgetag eingehen. Der Day-Ahead-Handel trägt dazu bei, den Strommarkt berechenbarer und flexibler zu machen. Durch den Kauf von Strom für den Folgetag können Energieversorger Nachfragespitzen decken und das Preisschwankungen reduzieren.
Intra-Day-Markt
Der Intra-Day-Markt handelt den Strom der nächsten 15 bis 60 Minuten. In der Viertelstunden-Eröffnungsauktion und im kontinuierlichen Viertelstundenhandel ist es möglich, elektrische Energie für jede Viertelstunde zu handeln. Vertragsabschlüsse 30 Minuten vor der Lieferung und Kontrakte für nur 15 Minuten ermöglichen enorme Flexibilität, die aufgrund der Bedeutung der fluktuierenden Erneuerbaren zwingend benötigt wird. Sie bietet gerade deren Erzeugern die Chance, kurzfristige Wetterprognosen zu berücksichtigen und möglichst realistische Angebote zu machen.
Jeder Stromverbraucher und -erzeuger muss Strommengen prognostizieren. Diese „Fahrpläne“ oder „Profile“ genannt müssen am Tag vor der Erzeugung bzw. der Entnahme der Strommenge beim Übertragungsnetzbetreiber angemeldet werden. Im Intra-Day-Handel werden Stundenprodukte ab 15 Uhr des Vortages bis 30 Minuten vor Bereitstellung (bis 5 Minuten vor Bereitstellung in derselben Regelzone), Viertelstundenprodukte ab 16 Uhr des Vortages bis 30 Minuten vor Auslieferung (bis 5 Minuten vor Bereitstellung in derselben Regelzone) gehandelt. Die kleinste Strommenge für den Handel beträgt 0,1 MWh (Megawattstunde). Der Preis bildet sich nach Geboten und wird somit Gebotspreis genannt.
Regelenergie-Markt
Der Regelenergie-Markt muss sekundengenau auf den finalen Bedarf reagieren. Dieser Bereich ist nicht handelbar. Die benötigte Energie muss zwingend zur Verfügung stehen. Daher gibt es hier einen fixen Preis für das Vorhalten und den Verbrauch per kWh. Der Versorger muss den Strom bereitstehen haben, auch wenn er keine Garantie hat, dass er auch abgenommen wird. Daher die Kombination aus Vorhaltungs- und Bezugspreis.
Strombörse und Preisbestimmung
Der Strompreis an den Day-Ahead- und Intra-Day-Märkten wird nach dem Merit-Order-Prinzip ermittelt. Erzeuger bieten Strommengen zu Angebotspreisen an. Im Handel wird nun die Menge zusammengekauft, die benötigt wird, um den Bedarf zu erfüllen. Der Bedarf ist im Day-Ahead-Markt der kalkulierte Bedarf für den nächsten Tag und im Intra-Day-Markt die Menge für die nächste Viertelstunde. Das Gebot des letzten Anbieters, der gerade noch benötig wird, um kalkulierte Strommengen zusammenzukaufen bestimmt den Preis, zu dem dann die gesamte Strommenge gehandelt wird. Dabei erhält auch der günstigste Anbieter den Preis dieser Grenzkosten, obwohl er eigentlich deutlicher tiefer angeboten hat. Anbieter über den Grenzkosten bekommen keinen Zuschlag und können ihren Strom nicht mehr loswerden. Es gibt so den Anreiz, den möglichst tiefsten Preis anzubieten. So entsteht Wettbewerb. Würde man dem günstigsten Anbieter nur seinen angebotenen Preis bezahlen, würde er automatisch höher anbieten. Angebot und Nachfrage regeln den Preis.
Die Regelenergie, ist am Ende die preisbildende Kraft. Je besser der Verbrauch vorhersehbar ist, desto mehr Energie wird in der kalkulierbaren Grundlast gehandelt. Je mehr Schwankung es gibt, je mehr wird im volatilen Bereich der Regelenergie gehandelt. Allerdings braucht es auch mehr Anbieter mit günstigen Preisen. Je mehr günstig erzeugte, regenerative Energie am Markt zu Preisen weit unter den Kosten der Stromerzeugung durch Gaskraftwerke zur Verfügung steht, desto niedriger fallen die preisbestimmenden Grenzkosten aus.
Woher kommt die Volatilität?
Wer bestimmt nun, wie hoch die Grenzkosten sind? Sie sind der Schlüssel für die Berechenbarkeit. Auf der einen Seite haben wir hier die Erzeuger. Die gewollte und geförderte regenerative Energieerzeugung aus Sonne und Wind sind ohne Zweifel für die Umwelt sinnvoll, sie sind aber aufgrund ihrer schlechten Planbarkeit für einen immer größer werdenden Anteil der Regelenergie verantwortlich.
Im Gegenzug sind große Verbraucher, die schlagartig dazukommen oder abschalten, ein genauso schwer kalkulierbarer Faktor. Elektrofahrzeuge gehören dazu, gerade wenn große Mengen schnell laden. Regenerative Energien erhöhen die Schwankungen, Elektromobilität verschärft sie noch einmal. Die regenerative Stromerzeugung ohne Speicherfähigkeit ist damit ein Problem. Speicher für Strom sind das zweite, weil sie neben energetischen auch zeitliche Umwandlungsverluste auslösen. Der Regelenergie-Markt benötigt schnelle Reaktionszeiten. Kern- und Kohlekraftwerke können das nicht. Sie liefern daher nur Grundlast. Am Markt stehen hierzulande keine nennenswerten Batteriespeicher zur Verfügung. Bleiben uns Wasser- und Gaskraftwerke. Wasserkraft für die Regelleistung funktioniert in der Schweiz mit vielen Stauseen gut, in Deutschland ist dagegen das Potenzial klein, abgesehen von einigen Pumpspeicherkraftwerken. Daher ist Deutschland zu einem sehr großen Anteil der Stromerzeugung auf Gas angewiesen.
Die Grafik zeigt den Bereich der Grundlast gelb an und die Bereiche des Day-Ahead- und Intra-Day-Marktes mit orangen Balken und Würfel. Je schwankender dieser Bereich ist, desto volatiler ist der Preis.
Bildquelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Stromb%C3%B6rse_Stromverbrauch_Lastprofil.png
Lösungsansätze
Elektrofahrzeuge mit ihrem großen Ladebedarf verschärfen das. Sie könnten aber auch zur Lösung beitragen. Netzdienliches Laden und Vehicle-to-Grid sind die Stichworte. Regenerativen Energie wird auch für die Unabhängigkeit von anderen Staaten benötigt. Zu lösen ist das durch den parallelen Ausbau von kurzfristigen und langfristigen Speichern. Regenerative Energie ist mit Batterien vom Tag in die Nacht zu retten, aber nicht vom Sommer in den Winter. Hier kann Wasserstoff helfen. Die tägliche Volatilität kann mit Batteriespeichern und kinetischer Energie gepuffert werden (Pumpspeicher oder die Betonbausteine von Energy Vault).
Es gilt also die Batteriespeicher genauso zügig auszubauen wie die Stromerzeugung mit Photovoltaik und Windkraft. Langjährige Verfolger des Unternehmens Tesla kennen hier sicherlich den Erfolg des Großspeichers in Hornsdale/Australien.
Was Elektroautofahrer eigene PV-Anlage heute schon tun können, zumindest, wenn sie zu Hause laden können ist die Nutzung von „netzdienlichem Laden“ (auch V1G oder SmartCharging genannt). Hier steckt man sein Fahrzeug konsequent an die Wallbox, die Steuerung der Ladung wird aber von einer App übernommen, die im Hintergrund auf die Daten der Stromlieferanten zurückgreift und die Ladung so organisiert, dass nur geladen wird, wenn viel Strom im Netz ist, und bei einer Mangellage das Laden abbricht.
Die App kennt durch Kontakt zum Fahrzeug dessen Standort, dessen Batteriestand (SOC), den gewünschten und bis wann zu erreichenden Soll-Ladestand und die Ladeleistung. Somit ermittelt die App die notwendige Ladezeit und versucht, diese, soweit möglich, immer in die Zeiten von Stromüberfluss zu legen.
Gibt es einen wunderschönen sonnigen Nachmittag, so entsteht ein Überfluss an Photovoltaikstrom. Hier müssen Erzeuger auch heute noch Geld drauflegen, weil sie ihren Strom loswerden müssen, obwohl ihn keiner haben will. Hier schlägt dann die Stunde derer, die Speicherkapazitäten anbieten. Sie bekommen dann manchmal sogar Geld dafür, dass sie kWh abnehmen. An manchem Sonntagnachmittag im August 2022 betrug der Preis für die Megawattstunde Strom an der EPEX um 12 Uhr 13,00 Euro/MWh. Am gleichen Tag ein paar Stunden später war die Himmel bedeckt und die Mehrheit stand plötzlich am Herd. In der Folge stieg der Preis auf 800,00 Euro/MWh. Eine enorme Schwankung. Wer jetzt Strom günstig anbieten kann und zum Preis der Grenzkosten verkauft zählt klar zu den Gewinnern.
Jeder Elektroautofahrer, dessen Fahrzeug dies unterstützt, kann also durch „netzdienliches Laden“ dazu beitragen, dass der Bereich der Regelenergie in der Grafik kleiner wird und damit der maßgeblich treibende Anteil des Strompreises reduziert wird.
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- Tesla – Bei Carwow in England
- Innovator – Warum kein Tesla Model X Plaid für Thomas Haack?
- Tesla – Timo Schadt: Folierung extrem
- Twitterspace – Tesla Community
- Elektrische Community – Community-Event am 23. Sept.
- Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
- Die Herausgeber – Tesla Owners Switzerland
- Gesellschaft – Gendern abschaffen?
- Elektromobilität – Dr. Heiko Behrendt: Rama-Familie fährt E-Auto
- Elektromobilität – Wie Elektromobilität alles verändern kann
- Elektromobilität – Car Maniac E-Auto-Tests
- Elektromobilität – Martin Hund: Batterie-Rohstoffe
- Elektromobilität – Die HU und die Bremse
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- Wirtschaft – Henning Frey: Strompreise
- Klimaschutz – Thorsten Bonzio: Photovoltaik, Wärmepumpe & E-Auto
- Klimaschutz – Dieter Behrendt: Wir stehen auf Wärme
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