Das Auto als Ich-Raum

Kolumne von Dieter Behrendt

Das Auto.
Ja, es ist ein Verkehrsmittel, um von A nach B zu kommen, auch wenn insbesondere bei Überland-Strecken, C aufgrund einer Umleitung durchfahren werden muss.
Ja, es schützt gegen Kälte und Nässe, im Vergleich zum Weg zur Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs oder im Vergleich zum Rad fahren oder zu Fuß gehen.
Ja, im Auto kann man(n) Leidenschaften nachgehen, insbesondere beim Genuss schneller Fahrt. Zudem entstehen aus dem Wechsel von Beschleunigung und Bremsen Rhythmus und damit Zeitfrequenz, Dynamik wird erlebbar.
Und ja, es ist für viele immer noch ein Statussymbol, auch wenn dieser Reiz in der jüngeren Generation abnimmt. Die aktuellen Statussymbole tendieren zu Handy, Laptop und (immer noch) Armbanduhr und Kleidung.
Dies ist die Sicht eines männlichen Autofahrers. Denn von A nach B ist natürlich auch mit dem Fahrrad möglich, insbesondere mit einem E-Rad bei längeren Strecken. Regendichte Fahrradkleidung ist mittlerweile so gut, dass man trocken bleibt ohne zu schwitzen. Schnelles, leidenschaftliches Fahren mit Freiheitsgefühl geht auch mit dem Bike, und das Fahrrad kann auch als Statussymbol dienen, da die Fahrradindustrie und das Fahrradhandwerk sich in den letzten Jahrzehnten eine Menge haben einfallen lassen.
Was jedoch selbst in der Erforschung des Autofahrens wenig beachtet wird, ist die Funktion des Autos als einziger Raum, in dem man(n) alleine ist bzw. sein darf und kann: Zuhause sind Partner:in und/oder die Kinder, selbst im gemeinsamen Schlafzimmer gibt es kein ‚Allein-sein‘. Auf der Arbeit ist man mit Kolleginnen und Kollegen zusammen, am besten noch in einem Mehr-Personen-Büro oder in einer Werkhalle oder … Nur auf dem Weg zu und von der Arbeit und nur im Auto ist man wirklich allein, um Musik zu hören, um Nachzudenken, um Nichts zu denken oder nichts zu tun; das Auto ist ein Wohnzimmer (Weswegen im Übrigen die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln für viele Autofahrer*innen keine wirkliche Alternative ist: Dort ist man nicht allein). Diese Aspekte des Allein-Sein-Könnens kommen vor allem Männern entgegen, die eher einen Hang zum Alleinsein haben als Frauen, so zumindest meine Beobachtung: Das Auto ist häufig der alleinige ‚Ich-Raum‘ für Männer. Dort werden keine Anforderungen gestellt, wie ‚kannst du noch eben …‘, ‚ich möchte, dass du …‘. Dort herrscht Ruhe. Dort ist man mit sich. Dort gibt es niemanden, der einem was sagt, der von einem etwas fordert. Und dort gibt es keine Ablenkung, kein Fernsehen, kein Radio (wenn man möchte) und (gesetzeskonform) auch keine Ablenkung durch die dauernd eintrudelten Meldungen oder Anrufe auf dem Handy.
Das Auto ist in einer Zwei-Zimmerwohnung das dritte Zimmer, das Auto ist in einem Großraumbüro oder Mehrpersonen-Büro das Einzelbüro. Das Auto ist der Wald im Verhältnis zur Großstadt. Das Auto fördert den Zustand eines Mannes, wie er beispielweise beim Angeln eintritt, dort kann er seine ‚Nothing-Box‘ im Gehirn, seine Lieblingsbox, die Nicht-Denken erlaubt und über die er im Verhältnis zu Frauen verfügt, öffnen und nichts …


Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe des T&Emagazins für das 2. Quartal 2024.

Viele weitere interessante Beiträge finden sich in der aktuellen 22. Ausgabe des T&Emagazins.

Diese Ausgabe kann in Wunschmenge gegen Übernahme der Porto- und Versandkosten bestellt werden.

Inhalt der 22. Ausgabe des T&Emagazin:

  • Editorial – Abgespeckt und doch da
  • Leserbriefe
  • Events der E-Mobilität
  • Tesla Welt – David Reich: News des Quartals
  • Die Herausgeber – Tesla Owners TOCH
  • Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Tesla – Potenziale des automatisierten Fahrens
  • Tesla – 2 Millionen Kilometer im Tesla
  • Tesla – Christian Pogea: Der Mann der Teslas versteht
  • Strombock – Warum senken Elektroautos die Wartungskosten
  • Elektromobilität – Autotests für Gebrauchtautokäufer
  • Elektromobilität – Reifen ist nicht gleich Reifen
  • Car Maniac – Testberichte
  • Gesellschaft – Klima Fluchtauto Twizy
  • Gesellschaft – Auto als Ich-Raum
  • Energiewende – Die Kosten der Stromerzeugung
  • Energiewende – Entwicklungsland Deutschland
  • Fanboy in Trauer über Marcus Mayenschein
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