In der E-Mobilitäts-Szene war am 17.11.2018 ein ganz besonderes Event: 29 Elektroautos fuhren in einer privat organisierten Verbrauchs-Vergleichs-Fahrt von Hamburg nach München. Unter dem Titel „E-Cannonball“ sollte mit viel Spaß bewiesen werden, dass Elektromobilität funktioniert. Und tatsächlich: Der Beweis wurde angetreten, dass zügiges Reisen mit rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen quer durch Deutschland unter realen Bedingungen bereits heute möglich ist.
Zeitweise verfolgten mehr als 22.000 Menschen den E-Cannonball über die Internetplattform Glympse. Daneben war waren viele tausend Menschen über mitwirkende YouTuber und deren Livestreams verbunden.
Ove Kröger (bei YouTube unter T&T Tesla), aus der Nähe von Lübeck, und Michael Schmitt (bei YouTube unter Michael S.), aus dem hessischen Hofbieber, veranstalteten die Vergleichsfahrt und nahmen an ihr teil. Sie nutzen selbst die E-Mobilität und lassen auf YouTube ihre Zuschauer an ihren Erfahrungen teilhaben.
Während Ove mit einem fünf Jahre alten Tesla Model S mit über 314.000 Kilometern auf dem Tacho antrat, hatte ihn Michael mit einem nagelneuen Hyundai Kona Elektro herausgefordert.
Model 3 gewann erwartungsgemäß
Auch die Zusammensetzung des übrigen Fahrzeugfeldes war bunt und vielfältig. So war beispielsweise ein Tesla Model 3 vertreten. Erst am vergangenen Mittwoch in Deutschland von Tesla präsentiert, hat dieses US-amerikanische Mittelklassenfahrzeug mit einer unschlagbaren Reichweite von mehr als 500 Kilometern erwartungsgemäß den E-Cannonball gewonnen. In weniger als achteinhalb Stunden Fahrtzeit bewältigte das Model 3 die Strecke von 837 Kilometern. Knapp 30 Minuten später kam ein Tesla Model S 100 am Zielort unweit von München an und ein Model S mit 85 Kilowattstunden Batteriekapazität konnte knapp den dritten Platz vor einem Model X 100 erlangen, welches nur 51Sekunden später eintraf.
Als erster Nicht-Tesla kam ein Hyundai Kona Elektro nach etwas mehr als zehneinviertel Stunden Fahrzeit als neunt platziertes Fahrzeug an. An Bord allerdings nicht der Initiator Michael Schmitt, der nach elf Stunden Fahrt augenzwinkernd feststellen musste: „Es war ein harter Tag und im Angesicht meiner überdeutlichen Niederlage hieß es, Größe zu zeigen. Denn natürlich schmerzt es, von Ove in einem „Elektro-Oldtimer“ mit so großem Rückstand geschlagen zu werden. Mir bleibt aber ein Trost: Mein Kona hat es an jede Ladesäule aus eigener Kraft geschafft.“
Zum Laden geschoben
Hintergrund der Bemerkung ist, dass der herausgeforderte Ove Kröger auf der Strecke an einem Supercharger nur ganz knapp ankam und die letzten Meter zur Ladesäule geschoben werden musste.
„Ich war im Rennmodus und habe alles gegeben. Wir haben alle Supercharger mit 1 Prozent Restreichweite angefahren, um möglichst schnell voran zu kommen. Das hat auch bis zu dem Zeitpunkt wunderbar geklappt. Als letzter Starter der Veranstaltung fuhren bis zu vier weitere Tesla vor uns her und bei Ankunft am Supercharger blieb uns wenig Strom zu laden, da die meisten Supercharger-Standorte nur 6 Ladesäulen hatten.“
Da sich immer zwei Autos die Ladeleistung an den Tesla-Superchargern teilen müssen, hatte Ove schlechte Karten. Um schnell voran zukommen, hätte ihm die volle Ladeleistung von 120 Kilowatt zur Verfügung stehen müssen, was also nicht der Fall war.
„Wir wurden also an jedem Stopp um eine halbe Stunde nach hinten durchgereicht. Am vierten Stop, nur 800 Meter vor dem Ziel, meldet das Display: das Fahrzeug fährt nun herunter, fahren sie sicher rechts ran. Ich ließ den Wagen rollen und wusste: wenn er erst einmal steht, schaltet sich die elektrische Handbremse ein und der der Wagen lässt sich nicht mehr bewegen. 30 Meter vor dem rettenden Supercharger war es dann soweit. Ich hatte schon mit der Veranstaltung abgeschlossen und war voller Adrenalin durch die Enttäuschung. Das Auto stand. Eine Tesla-Fahrerin vor Ort hatte Erfahrung mit dem Liegenbleiben und gab uns den rettenden Tipp, in den Schleppmodus zu gehen um die Handbremse zu lösen, was wir dann umgehend umsetzen konnten. 6 weitere Helfer schoben den Tesla dann an den Supercharger. Gott sei Dank nahm das Fahrzeug sofort Strom an und wir konnten auch 40 Minuten weiter fahren. Eine unschöne Erfahrung, welche aber uns und vielen anderen Testfahrern eine Lösungsmöglichkeit für das Problem aufzeigte“, berichtet der erleichterte Ove Kröger.
Immerhin konnte er dennoch den Herausforderer Michael Schmitt schlagen und kam rund 45 Minuten vor ihm an.
Überraschung im weiteren Fahrzeugfeld
Wenn auch die Tesla-Fahrzeuge aufgrund ihrer Akkukapazität und dem Schnellladenetz Supercharger von Anfang an im klaren Vorteil waren, schlugen sich auch die anderen Teilnehmer nicht schlecht. Fahrzeuge deutscher, japanischer, koreanischer, französischer und US-amerikanischer Hersteller waren beteiligt. Das älteste Fahrzeug, ein 23 Jahre alter vollelektrisch fahrender VW-Golf Citystromer, platzierte sich überraschend nach fünfzehneinhalb Stunden Fahrtzeit als Vierter in seiner Leistungsklasse und kam nicht als letzter im Ziel an. Ganz im Gegenteil, er ließ sogar drei Fahrzeuge hinter sich. Grund dafür war ein selbstgebauter Anhänger in Form eines halben Golf 3, in dem ein weiterer, großer Akku als elektrischer Range-Extender installiert war.
Michael Schmitt zog ein kritisches Fazit: „Die Ladeinfrastruktur hängt der Entwicklung in Sachen Elektroauto-Nachfrage und Batterietechnik weit hinterher. Sowohl das Supercharger-Netz als auch das öffentliche Schnellladenetz sind für eine signifikante Zunahme an Elektrofahrzeugen nicht ausreichend. Wenn hier strukturpolitische Entscheidungen nicht zeitnah den Aufbau eines leistungsfähigen und zuverlässigen Schnellladenetzes vorantreiben, dann wird es mit dem Umstieg doch länger dauern, als ich es mir vor dem E-Cannonball erhofft hatte. Leider!“
Michael über eine mögliche Neuauflage des E-Cannonball: „Wir lassen im Moment die Eindrücke des E-Cannonball 2018 sacken. Das Feedback ist jedoch so positiv, dass eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen ist.“ Auch Ove Kröger ist sehr positiv gestimmt: „Michael und ich arbeiten an der Entscheidung und werden es rechtzeitig bekannt geben. Es sieht aber gut aus.”
Beide Veranstalter betonen, dass es sich im eigentlichen Sinne nicht um ein Rennen handelt und die Teilnehmer sich fair gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern verhalten und selbstverständlich die Straßenverkehrsordnung beachtet haben. Es entscheidet bei Elektroautos die richtige Mischung aus möglichst ökonomischer Fahrweise und intelligenter Ladestrategie über Sieg oder Niederlage. Entscheidend ist jedoch: Jeder Teilnehmer ist, wenn auch mit unterschiedlichen Fahrzeiten am Ziel angekommen.
Platzierungen der Teams, Fahrzeuge, gefahrene Kilometer, Fahrt-, Start- und Zielzeiten
Hier geht es zum Endergebnis
Resume von Horst Lüning
Am Zielort erwartete die Teilnehmer niemand geringeres als Horst Lüning, um die jeweiligen Ankunftzeiten fest zu halten. Er erläutert: „Mit dem E-Cannonball lässt sich derzeit sehr schwer eine Überlegenheit in Sachen ‘Rennen’ und Geschwindigkeit aufzeigen. Wir sind etwa auf dem Stand des echten US-Cannonballs von 1936: Im Durchschnitt 100 km/h von der Ost- zur Westküste.”
Doch ist das für den bekannten YouTuber kein Grund die E-Mobilität vorzeitig abzuschreiben, im Gegenteil: „Der eigentliche Vorteil liegt an den Kosten, die der normale Autofahrer derzeit noch nicht sieht. Die Fahrer haben auf 800 bis 900 Kilometern Strecke zwischen 150 und 200 Kilowattstunden verbraucht.” .
Das mache mit einem durchschnittlichen Strompreis an den Säulen von 30 Cent pro Kilowattstunde eine Summe von 45 bis 60 € an Stromkosten. Vergleichbare Verbrenner – auch Diesel – hätten bei gleichen Fahrzeuggrößen und Geschwindigkeiten zwischen 6 und 10 Litern je 100 Kilometerm verbraucht. Das führt laut Horst Lüning zu Kosten von 100 bis 150 € auf dieser Strecke. „Das ist mehr als doppelt so viel wie bei den Elektrofahrzeugen. Der überlegene Wirkungsgrad der E-Motore im Vergleich zum Diesel- und Ottomotor macht dies möglich.”
Horst Lüning ist also nicht von ungefähr Fahrer von seinem inzwischen dritten Tesla: „Auch bei den Ressourcenverbräuchen schneiden die E-Autos wegen der hervorragenden Wirkungsgrade um den Faktor 2,5 besser ab. Würde man das Öl der Dieselmotore in Großkraftwerken verstromen würde man selbst mit Übertragungs- und Ladeverlusten nur 40% des Öls importieren, was wir derzeit für unsere Verbrennungsmotore – auch an Diesel – importieren müssen.”
Hintergründe:
Die Aktion war auch eine Hommage an die Filmkomödie „The Cannonball Run“, die 1981 in Deutschland in den Kinos unter dem Titel „Auf dem Highway ist die Hölle los“ lief, mit dem kürzlich verstorbenen Hauptdarsteller Burt Reynolds.
Die von den Veranstaltern formulierten Ziele wurden erreicht:
1. Die Elektromobilität zu fördern.
2. Den Beweis anzutreten, dass Elektroautos im Jahr 2018 voll alltags- und langstreckentauglich sind.
3. Daten darüber zu gewinnen, welche Batteriegröße mit welchem Ladesystem und welcher Ladeleistung derzeit am besten für die Langstrecke geeignet ist.
4. In Erfahrung zu bringen, welche Kosten für Ladestrom auf einer entsprechenden Langstrecke entstehen.
5. Spaß zu haben und herstellerneutral für Elektromobilität zu werben.
Weitere Infos:
Noch eine kleine Korrektur. Der beste Kona wurde 8.
Er hatte also im Ziel 7 Tesla vor sich und 3 hinter sich.
Kleine Korrektur: 17.11., nicht 24.11. (gleich im ersten Satz)