Dreht die Auto-Industrie dem E-Auto gerade den Hahn ab?

Gegner der Elektroautos, die häufig Petrol-Heads genannt werden, äußern sich zur Zeit vermehrt in allen Medien und feiern die rückläufigen Verkaufszahlen der Elektroautos in Deutschland als Abgesang dieser Technologie. Die derzeitigen politischen Impulse, wie zum Beispiel das plötzliche Ende der Förderung Ende letzten Jahres und die daraus resultierten Aussagen einiger Automobilbauer, jetzt doch wieder vermehrt auf den Verbrenner zu setzen, verstärken diese Stimmung zusätzlich. Ist das Elektroauto demnächst tot?

Impulse aus Brüssel
Auch wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stets betont, das für 2035 geplante Verbrenner-Aus, wie 2023 beschlossen, regelmäßig alle zwei Jahre prüfen zu wollen, bedeutet das mitnichten, dass man dies gleich wieder einkassiert. Die EU hat den festen Willen, den Klimawandel zu bekämpfen, und die Elektrifizierung des Verkehrs ist einer von mehreren wichtigen Bausteinen dafür. Daran gibt es keine Zweifel, dennoch ist es durchaus berechtigt, die Fortschritte stetig zu beobachten. Nur so lassen sich eventuell notwendige Bedarfe für Feinkorrekturen erkennen und umsetzen. „Fire and Forget“ wäre eindeutig die schlechtere Strategie.

Situation in Europa
In Deutschland haben wir eine eher begrenzte Sichtweite und sollten gelegentlich auch mal zu den Nachbarn rüber schauen. Wir sind nicht der Nabel der Welt. So steigen die Zulassungszahlen der E-Autos nicht nur im weltweit wichtigsten Automarkt China mit Siebenmeilenstiefeln, sondern legen auch in der gesamten EU stetig zu – außer in Deutschland und Italien. Es sind also nur wir und die südlichen Nachbarn, die den Fortschrittszielen der EU hinterher hinken. Das sollte weniger Beleg für das Scheitern des Elektroautos sein, sondern viel mehr Motivation, mit gesteigerten Anstrengungen nach vorne zu schreiten, um den Anschluss nicht zu verlieren.

Automobil-Industrie
In der Tat gibt es durch die um etwa 16 Prozent gesunkenen Absatzzahlen der E-Autos hierzulande vermehrt Äusserungen zu Strategieanpassungen von verschiedenen Auto-Herstellern. Das zögerliche Kaufverhalten der deutschen Kunden ist gegenläufig zu den bisherigen, offenbar zu optimistischen Wachstums-Planungen der Industrie. Mercedes wollte ursprünglich ab 2030 in Europa ausschließlich elektrische PKW verkaufen, nun will man die Verbrenner noch bis ins nächste Jahrzehnt hinein verkaufen – eben solange der Kunde sie halt kaufen will. Volkswagen wollte für 2028 bereits 80 Prozent der Verkäufe rein batterieelektrisch erreichen, aktualisiert jetzt aber noch einmal die Plugin-Hybride, damit diese den wichtigen Umsatz sichern, weil sich dieses Ziel als nicht mehr erreichbar herausgestellt hat. BMW hatte gleich die Produktion von Verbrennungsmotoren in Deutschland eingestellt und zwar im Jahr 2023. Diese werden seitdem nur noch in Österreich und Großbritannien hergestellt. Man setzt weiterhin auf Technologieoffenheit, also Hybride, eFuels und Brennstoffzelle. Stellantis (Fiat, Chrysler, Opel, Citroën, Peugeot) dagegen bleibt eisern und beerdigt bis 2030 sämtliche Verbrenner für Europa. Die Bestrebungen zur rein elektrischen Flotte werden also keinesfalls abgeschwächt, jedoch laufen bei einigen Herstellern die Verbrenner parallel noch etwas länger weiter als zuerst gedacht. Alle mehrgleisig fahrenden Konzerne vereint aber, dass bis 2030 Elektro-Quoten je nach Marke zwischen 50 und 80 Prozent erreicht werden sollen. Die europäischen Hersteller sind gut beraten, den chinesischen Marken, die ebenfalls voll auf der Elektro-Welle reiten und diverse Produktionsstätten zur Umgehung der Ausgleichszölle in Europa errichten, das Feld nicht kampflos zu überlassen.

Deutsche Regierung
Da nach wie vor Geld im Bundeshaushalt fehlt, wird es auch 2025 keine allgemeine und direkte Kaufförderung für Elektroautos geben. So bitter die spontane Einstellung der Subvention für die Elektroauto-Besteller war, so sehr hat sich jedoch herausgestellt, dass diese auch nicht mehr wirklich benötigt wird. Sämtliche Hersteller hatten spontane eigene Umwelt-Rabatte eingeräumt, die zum Teil sogar noch bis jetzt angeboten werden. Lediglich eine Sonderabschreibung soll es für Unternehmen ab 2025 bis 2028 geben. Damit kommen wir nun in einen ganz natürlichen Wettbewerb und das Elektroauto kann und wird durch niedrige Betriebskosten, zum Teil niedrigere Anschaffungskosten und die Freude am Drehmoment-starken Fahren ganz von selbst überzeugen. Zwei Gewichte werden aber besonders stark auf die Marktdurchdringung der Elektroautos wirken. So sinken ab 2025 die CO² Flottenemissionsgrenzen planmäßig weiter, bevor sie auch 2030 erneut angepasst werden. Ausserdem tritt 2027 der neue Europäische Emissionshandel (ETS2) in Kraft. Unter anderem Heizgas und Heizöl, als auch Benzin und Diesel werden durch das neue System sprunghaft teurer werden und sich auch in den folgenden Jahren sukzessive verteuern aufgrund des jährlich steigenden Preis je Tonne CO² Emission.

Fazit
Es wird langsam ernst für die Petrol Heads. Sie spüren, dass ihre Zeit allmählich abläuft, und dass es in den kommenden fünf Jahren ernst werden wird. Da wird sich an jeden Strohhalm geklammert, den man finden kann und der Frust wird frei ins Internet entladen. Helfen wird all das jedoch nicht, es spielt keine Rolle, ob nun 2030, 2035 oder erst 2038 der Verbrenner-Ofen aus sein wird. Die eFuels-Lösung wird keine Rolle spielen, preislich zu teuer und schlicht nicht verfügbar. Dem E-Auto gehört die Zukunft! Die Hersteller werden aufgrund der Rahmenbedingungen ab kommenden Jahr beginnen, zunehmend attraktive und preiswerte E-Autos auf den Markt zu bringen. Daher könnte es Sinn ergeben, einen noch für 2024 geplanten Autokauf geschickterweise auf nächstes Jahr zu verschieben.

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Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen 23. Ausgabe des T&Emagazins.

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