Kommentar zum Tesla-Event “We, robot”
Was hatte ich erwartet? Im schlimmsten Fall hätte Elon Musk seinem Möchtegern-Präsidenten Donald Trump einen Wahlkampfauftritt ermöglicht. Das blieb zum Glück beim Tesla Event We, robot aus. Was hätte ich im Idealfall erwartet? Na, das, was es zu sehen gab und ja tatsächlich, eigentlich sogar weniger.
Mit einem Tesla Model 2 – so ganz anachronistisch mit Lenkrad und Pedal war ja nun nicht wirklich zu rechnen, bei einem Event welches diesen Titel trägt. Also kam genau das, wovon auszugehen war: Ein überzeugendes Robotaxi, was optisch wie technisch so ähnlich von mir erwartet wurde und jede Menge Bots.
Die Bots mögen vielleicht sogar in Teilen ferngesteuert gewesen sein, doch war die Hollywood-Show, die sie boten, genau das was an einem solchen Ort präsentiert gehörte. Die Vorstellung war gelungen und bei allen Anleihen an den Blockbuster I Robot, und dem damit vielleicht verbundenen unangenehmen Gefühl von Unberechenbarkeit einer solchen Technologie, muss ja wohl jede/r Zuschauende eine gewisse Faszination zugeben, die von diesen weit entwickelten humanoiden Robotern ausgeht.
Gespickt mit kleinen Insider-Informationen aus gut informierten Kreisen bin ich tatsächlich von einem zweiten zu präsentierenden Fahrzeug ausgegangen. Das ließen auch Grafiken mit damals noch verhüllten Fahrzeugen beim Tesla Investorday vermuten. Dass es sich um den nach dem Semi Truck größten Tesla handelt, der auf einer noch über die Ausmaße des Cybertrucks hinausgehenden Plattform steht, hat mich aber tatsächlich ein wenig überrascht. Ich bin von einer Plattform ausgegangen, die einem Cybertruck für Europa als Unterbau dienen, die einen Van und einen Kleinbus tragen könnte… Doch so etwas Großes hatte ich nicht erwartet. Dies war für mich, buchstäblich eine große Überraschung.
Auch die Aussage von Elon Musk, dass der Robovan wie vorgestellt aussehen werde, lässt mich sehr positiv gestimmt sein. Ich halte sowohl, das Cybercab als auch den Robovan, aus Tesla-Sicht für extrem vernünftige Entscheidungen. Ein Zweisitzer und ein mittelgroßer Lastenesel, der 20 Personen oder dystopisch gedacht, mindestens 20 Bots transportieren kann, sind die Fahrzeuge der Zukunft.
Ein Model 2 – wird nach meiner aktuellen Erwartung gar nicht mehr kommen. Tesla handelt dabei ökonomisch sinnvoll. Produktionskapazitäten werden für das Cybercab benötigt, das dann, wenn Full-Self-Driving Realität ist, das Model Y in der Massenproduktion und beim Absatz mittelfristig ablösen wird. Unmengen werden davon benötigt und ebenso vom Bot. Genau das, was Elon Musk über den Bot sagte „den will jeder haben“ wird auch für das Cybercab zutreffen.
Der Umstand, dass FSD zunächst in Kalifornien und Texas kommen soll und zwar bereits im kommenden Jahr zeigt zum einen eine gewisse Unsicherheit von Tesla. Das Unternehmen beabsichtigt wohl, das Ganze zunächst unter klimatischen Idealbedingungen zu beginnen. Zum anderen sind zumindest die Kalifornier autonome Fahrzeuge schon halbwegs gewohnt. Hier sind doch bereits gut 50 Hersteller in Los Angeles mit Robo-Fahrzeugen unterwegs, wenn auch überwiegend mit dem von Tesla ausgesparten Lidar-System.
Tesla – und das zeigen bei YouTube jede Menge Videos – ist in Sachen autonomen Fahrens mit Vision Only verdammt weit und mit jedem gefahrenen Kilometer der großen Tesla-Flotte auf den Straßen der Welt lernt das System dazu. Der ambitionierte Zeitplan kann von daher durchaus als realistisch angesehen werden. 2025: Texas und Kalifornien mit Model 3 und Y, später auch mit S, X und Cybertruck. 2026: Einsatz der ersten Cybercabs und 2027 das Hochlaufen der Massenproduktion und natürlich die Ausweitung des FSD auf andere Regionen.
Und man kann das Cybercab sogar kaufen. Die zweite große Überraschung neben dem Van war für mich nämlich, dass das Taxi nach heutigem Stand nicht nur in der von Tesla selbst betriebenen Flotte, sondern – für überschaubares Geld – auch frei verkäuflich sein soll. Ob diese Ankündigung wirtschaftlich klug ist? Margen lassen sich durch den Verkauf der Fahrzeuge wohl eher geringer einfahren. Wirtschaftlicher erscheint der Betrieb einer ausschließlich eigenen Flotte durch das Unternehmen. Ich stelle mir das daher als einen Übergang vor. Zum einen wird tatsächlich das Bedürfnis nach dem noch eigenen kleinen Fahrzeug erfüllt, wenn auch das fehlende Lenkrad und die fehlenden Pedale die Erwartung an den günstigen Tesla in einer Klasse unterhalb des Model 3 nur halbwegs erfüllt. Zum anderen senkt Tesla durch den Verkauf das sonst erforderliche gigantische Investitionsvolumen in diese Zeitenwende der Mobilität. So verteilt Tesla es auf die Schultern der das Fahrzeug kaufenden Menschen und Unternehmen. Mit Serviceangeboten, wie der App, der Tesla-Versicherung und mit erwerbbarer Infrastruktur, wie privaten induktiven Lademöglichkeiten, einer Powerwallanbindung und dem damit verbundenen Energiegeschäft lässt sich weiteres Kapital generieren. Geld, welches zum Ausrollen der Zukunft nötig sein wird. Denn die Einführung einer solch bisher komplett unbekannter Technologie ist kostspielig. Auch wenn Tesla finanziell nachweislich gut aufgestellt ist: Penunzen kann man nicht genug haben,
Bots die zwischen 20 und 30.000 Dollar kosten, spielen ebenfalls ohne Ende Geld in die Kassen des Unternehmens, sodass ich als Anleger in die Aktie des Unternehmens entspannt darauf blicke, was Tesla da vor hat.
Trotzdem nehme ich auch die Risiken wahr: Tesla lässt den Kleinwagenmarkt links liegen und setzt auf unbewiesene technologische und gesellschaftliche Szenarien. Auch wenn ich, als Möchtegerncamper und Zeitschriften transportierender Mittelständler, einem Robovan ausgesprochen viel abgewinnen kann und mir durchaus vorstellen kann, dass mich ein Bot im Haushalt, Garten und Verlag körperlich entlasten kann, sehe ich doch, als Landei vor allem, für das Cybercab praktische Anwendungen. Gerade für die Bevölkerung dünn besiedelter Landstriche erfüllt es vielfältige Mobilitätslösungen. So könnte ich mir schon vorstellen auch eine kleine Flotte der schicken und praktischen Teile in Osthessen zu betreiben. Vermutlich bin ich aber auch nicht der Einzige mit derartigen Phantasien.
Bleibt die Frage nach der zeitlichen Komponente. Wie gesagt: Die zeitlichen Angaben sind ambitioniert. Dass sich Tesla neuerdings halbwegs an Zeitangaben hält und Elon Musk fast schon konservative und zurückhaltende Aussagen diesbezüglich trifft, fällt auf.
Es wird ja nicht selten argumentiert er kündige viel an und halte wenig. Doch das ist nicht meine Wahrnehmung. Er ist vielmehr flexibel in der Priorisierung der anstehenden Aufgaben und reagiert vor allem auf weltwirtschaftliche Entwicklungen, wie das Zinsniveau und zum Beispiel auf die Verfügbarkeit von Chips und Batteriekomponenten.
Gerade bei den beiden letzt genannten Komponenten ist nicht nur Weitblick erkennbar, sondern auch die unglaubliche Flexibilität von Tesla. Gibt es nicht genügend Zulieferware, dann wird umjustiert. Scheinbar für Automobile nicht verwendbare Chips werden einfach umprogrammiert und Batterietypen den bestehenden Fahrzeugreihen so zugeordnet, dass ohne die Produktion anhalten zu müssen Varianten dem Angebotsportfolio hinzugefügt werden. Begrenzung kommt nicht von innen sondern eher von außerhalb des Konzerns.
Im überregulierten Europa könnte es noch ewig dauern, bis Cybercab und Robovan wirklich kommen können. Als zweifacher Käufer von FSD war ich und bleibe ich aber auch hier Optimist. Wenn in den USA und China vollautonomes Fahren Realität sind, wird sich Europa nicht ewig versperren können. Schließlich will Europa als Produktionsstandort von Fahrzeugen weiter Schritt halten können. Die Demonstrierenden in Grünheide wie auch der ewig gestrige Dieseldieter können nicht aufhalten was da kommt. Denn: We, robot!
Das T&Emagazin 24
Aus dem Inhalt der 24. Ausgabe:
- Smartes Laden zu Hause dank integriertem PV-Management in der Tesla-App
- Ungebremste Euphorie für Tesla – Verrückte Fanboys?
- Braucht es einen speziellen E-Mobilitätsclub?
- Gut gemeint, schlecht gemacht! – Irre Ladestellen-Beschilderung
- Summen statt Brummen – Wartet die E-LKW-Zukunft um die Ecke?
- Halbtoter See mitten in Europa – Wenn Wasser nichts kostet, greifen alle zu
- VW in der Krise – Deutsche Automobil-Industrie am Scheideweg
- Energiewende auf einem Bierdeckel
- Leser:innen-Briefe -Neues aus der Teslawelt
- Die Herausgeber: Tesla Owners Club Helvetia
- Die Herausgeber: Tesla Fahrer und Freunde e.V.
- „Ich habe noch einen Tesla in Berlin“ – 10 Jahre Tesla Fahrer und Freunde
- KRACHT&EN – Der neue Podcast von Christoph Krachten und Timo Schadt
- Strombock – Antonino Zeidler zur Preisgestaltung von Elektroautos und Flottenemissionsgrenzwertsenkung ab 2025
- E-Auto Tests von Oliver Bornemann (Einfach Elektrisch)
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