E-Mobilitäts-Zeitschriften zu mehr als 90 % für die Tonne?

Foto: Presse Grosso Mitte, Stefan Kraus

Auszug aus einem Interview mit dem Presse-Großhändler Carsten Müller zu Print, Nischen und Zeitschriftenhandel. Vollständig zu finden in der kommenden Ausgabe 14 des T&Emagazin.

Timo Schadt hat sich mit Carsten Müller unterhalten. Der Tesla-Fahrer ist Geschäftsführer des Presse-Großhändlers Presse Grosso Mitte. Das in Staufenberg zwischen Kassel und Göttingen ansässige Unternehmen versendet Zeitschriften an Händler wie Supermärkte, Kioske, Buchläden und so weiter. Im Interview werden Einblicke in die Situation am Printmarkt gewährt und es wird über Nischen wie E-Mobilitäts-Magazine gesprochen.

 

? Böse Zungen sagen: Print hat keine Zukunft, in 30-50 Jahren werde es Printprodukte gar nicht mehr geben.

! Ich traue mir keine Prognose für die nächsten 30-50 Jahre zu, aber in 5, 10, 20 Jahren wird’s noch ein nennenswertes Printsortiment geben, einfach weil noch genügend Menschen da sind, die mit Print/Papier sozialisiert sind.

? Der Vorwurf an die Verlage ist ja häufig, nur „für die Tonne zu produzieren“, also zu viel Altpapier zu verursachen. Wie hoch ist die Remissionsquote bei Titel im Handel, sprich: wie viele Exemplare werden nicht verkauft?

! Bei uns ungefähr 35-40 Prozent der gesamten Menge, aber je nach Produktgruppe sehr unterschiedlich. Bei hochwertigen Zeitschriften mit hohen Produktionskosten achtet der Verlag und auch wir darauf, dass die Remissionsquote möglichst niedrig ausfällt. Andere Titel werden sehr billig hergestellt, da geht es dem Verlag um eine hohe Verbreitung. Da kann es auch schon mal höhere Quoten geben. Und bei Nischentiteln mit sehr spezieller Zielgruppe kann es Quote bis 80 Prozent geben.

? Also so wie wir es beim T&Emagazin gerade gemacht haben, von Heft- auf Leimbindung umzustellen, das ist auch wahrnehmbar bei anderen Produkten?

! Definitiv, der Trend geht insgesamt zur hochwertigeren Produktion, darunter zum Beispiel auch die Leimbindung.

? Sind die Titel allgemein gesehen spürbar teurer geworden sind? Wie ist die Preisentwicklung?

! Laut einer kürzlich veröffentlichten Statistik für das Jahr 2021 seien angeblich insgesamt gesehen Printtitel um 16 Prozent teurer geworden, allerdings wahrscheinlich nicht gewichtet nach Auflage.

? Das entspricht ziemlich exakt auch der Papierpreissteigerung.

! Ja, die Papierpreisentwicklung hat damit sicherlich zu tun. Aus dem Bauch würde ich sagen, dass 2021 ein Ausreißer war und die Preise vorher nicht so gravierend gestiegen sind.

? Das T&Emagazin ist ja ein sehr Community orientiertes Magazin. Gibt es da Vergleiche aus anderen Bereichen?

! Ich kenne allenfalls Zeitschriften, die ihre eigene Community aufbauen und pflegen, vor allem in der Angler- oder Jäger-Community. Ich war mal auf einer Veranstaltung einer Angler-Zeitschrift, wo sich eine Insider-Community zusammengefunden hat, die sich zusätzlich zum Onlineaustausch auch über die Zeitschriften austauschen. Die Pflege einer Community ist für Nischenprodukte hoch interessant, denn dadurch schafft man sich eine loyale Leser- und Käuferschaft. Bei der E-Mobilität kann es natürlich so sein, dass ein Communityfokus eine Nische bleibt, während das Thema insgesamt längst in den Mainstream gewandert ist. Wir können schon jetzt davon sprechen, dass die E-Mobilität keine Nische mehr ist.

? Ganz konkret auf das T&Emagazin, das ja ein Nischenprodukt ist, bezogen: Macht das für den Zeitschriftenhandel überhaupt Sinn, oder wäre ein anderer Weg vernünftiger? Aktuell wird es ja kostenlos verbreitet und zwar zu Nahe 100 Prozent der Auflage.

! Wenn man die Strategie wählt, beim Handel zu verkaufen, ist auf jeden Fall ein langer Atem von Nöten, genauso wie eine gut gefüllte Kriegskasse. Man muss davon ausgehen, dass man sich erst einmal mühsam die Käuferschaft erobern muss. Denn es ist klar, dass es lange dauert, bis man wahrgenommen wird, wenn man keine große Werbekampagne fahren kann. Ein großer Supermarkt hat in der Regel bis zu 1.500 Titeln im Angebotsregal, in extremen Ausnahmefällen vielleicht auch 2.000. Aber der Großteil unserer Händler hat ein Sortiment von 500-800. Das heißt also, dass der Platz im Regal stark umkämpft ist. Der Großhandel ist jedoch zur Neutralität verpflichtet, wir müssen jedem neuen Titel eine Chance geben, ohne irgendwelche Listungsgebühren. Diese Antrittschance ist jedoch nicht unendlich: Wenn ein Titel sich nach 3-4 Ausgaben bei einem Händler nicht verkauft, fliegt der entsprechende Titel dort raus. Bei Händlern, wo Verkäufe generiert werden, bleibt er natürlich drin und kann sich so eine Stammkäuferschaft erarbeiten. Es gibt genügend Beispiele, wo sich neue Titel einen neuen Käuferkreis erschließen und schnell wachsen konnten. Schau Dir mal „Landlust“ und „Happinez“ an. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass ein gut gemachtes Produkt auf ein Trendthema trifft.

? Würdest du demnach sagen, dass sich ein Umstieg auf Verkaufszeitschrift für das T&Emagazin lohnen könnte?

! Es gibt ca. 90.000 Presseverkaufsstellen in Deutschland, aber nur ein kleiner Teil davon hat freie Kapazitäten. Für eine gewisse Sichtbarkeit müsstest du schon mit 2-3 Exemplaren rein, was natürlich eine Auswirkung auf die Auflage hat. Da muss sich gut überlegt werden, wo und mit wie hoher Auflage man startet.

? Wir hatten auch darüber gesprochen, dass die Auflage eines bestimmten E-Mobilitätstitels im Handel gerade einmal im einstelligen Prozentbereich verkauft wurde. Im Klartext: Von 1.000 gedruckten Zeitschriften wandern mehr als 900 ins Altpapier. Das sind ja erschreckende Zahlen…

! Das kann in der Startphase passieren, wenn ein neuer Titel sich seine „Fanbase“ erarbeiten muss – da musst Du als Verleger einen langen Atem haben. Die nicht verkauften Titel müssen jedoch nicht zwangsläufig im Altpapier landen. Es besteht auch die Möglichkeit einer Rückgabe an den Verlag zwecks Zweitvermarktung. Der Verleger könnte damit z.B. Werbekunden ansprechen oder Freiverteilungen auf Events durchführen, und hätte so nicht so viel „für die Tonne“ produziert. Trotzdem: Du musst als Verleger darauf eingestellt sein, dass Du im Handel auch langfristig nur 40-60 Prozent der gedruckten Auflage verkaufst.

? Mal theoretisch angenommen wir wollten das T&Emagazin in den Handel bringen. Was müssten wir vorher bedenken?

! Du hast jetzt eine 30.000er Auflage. Für den Handel würdest Du pro Verkaufsstelle 2-3 Exemplaren Liefermenge planen. Bei einem vorsichtigen Start belieferst Du vielleicht 10 bis 15.000 Verkaufsstellen und brauchst dafür 30 bis 45.000 Exemplare.  Mit den wahrscheinlich 90 Prozent Remission kannst Du dann Deine bisherigen Kunden versorgen – wenn es bei diesem Geschäftsmodell bleiben soll.

? Das wäre aus meiner Sicht absoluter Nonsens, bei einer derzeit nahezu 100-prozentigen Verbreitung der gedruckten Auflage. Wie ist der Ablauf beim Finden von guten Absatzstellen im Handel?

! Wir führen eine sogenannte Titelpilotisierung durch. Das heißt, dass wir die Verteilung nach Affinität ausrichten. Beispielweise wird geschaut, welche Händler viele Elektromobilitätszeitschriften verkaufen. Diese werden dann priorisiert angepeilt, sofern dort Kapazitäten im Regal verfügbar sind.

? Um neue Märkte zu erschließen, würde es im Zweifel Sinn ergeben, eine Zweit-Zeitschrift für den Handel mit weniger Communitybezug und mit weniger Seiten, herauszugeben, oder?

! Inhaltlich wäre es für den Handel sinnvoller, mehr Seiten zu haben, nicht andersherum, denn schließlich sollen die Käufer dafür Geld bezahlen. Das kostenlose Community-Produkt mit abgespeckter Seitenzahl könnte als Teaser für das Produkt im Handel dienen.

 


Das hier zu lesende ist lediglich ein kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Interview. Das gesamte Interview ist in der 14. Ausgabe des T&Emagazin zu lesen, das am 1.4.2022 erscheint. Es ist hier mit noch vorläufigem Cover in verschiedenen Exemplargrößen vorzubestellen:

https://shop.temagazin.de/kategorie/magazin/14-ausgabe/

T&Emagazin 14. Ausgabe 1 x

 

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Ein Gedanke zu „E-Mobilitäts-Zeitschriften zu mehr als 90 % für die Tonne?

  1. Habe mich gefreut die Zeitschrift als Abo anschauen zu können ( digital )
    Wenn ich ehrlich bin finde ich es schon schön die Zeitschrift in Papierform zu haben
    Aber der Verstand sagt mir egal wie, wir müssen sparen
    Sorry Timo und Team . Ihr macht ein super Job , auch wenn’s wehtut
    Digital wird kommen

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