Öffentliche Ladeinfrastruktur auf digitalen Sand erbaut

Gastbeitrag von Thomas Mertens

Die Anzahl der Ladesäulen in Deutschland wächst rasant, hier wurde viel investiert, viel gefördert und viel getan. Allein die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte übertrifft jetzt bereits die Anzahl der Zapfsäulen aller deutschen Tankstellen. Hinzu kommen über 1 Million private Wallboxen.

Hinter den Ladesäulen steht jedoch eine komplizierte Backend-Infrastruktur für die Steuerung und Abrechnung der Ladesäulen. Verschiedenste Unternehmen müssen untereinander Daten austauschen, um Benutzer zu identifizieren, einen Ladeprozess zu steuern, untereinander abzurechnen und den Stromfluss zu steuern.

Digitaler Sand ist ein Freibrief für Betrug und Monopolismus

Die digitale Infrastruktur hinter den Ladesäulen war von Tag 1 an immer ein Zusammenwirken unterschiedlichster Kommunikationsstandards, meist auf dem digitalen Niveau der 90er Jahre.

Auf solch veralteten Kommunikationsstandards lässt sich keine rechtssichere Kommunikation bewerkstelligen. Und ist die Kommunikation nicht rechtssicher, sind es auch nicht die Steuerungssysteme.

Daher, Stand heute, kann jeder Marktteilnehmer jeden Kunden oder anderen Marktteilnehmer betrügen, und braucht dazu nur einen Parameter zu ändern. Er hat vor einer Überwachungsbehörde oder gar einem Gericht nichts zu befürchten.

Auch das derzeitig bestehende deutsche bestehende Mess- und Eichwesen darf nur eine einzige Stelle betrachten. Kommunikationsketten zu betrachten, daher die Rückverfolgbarkeit von Manipulationen zu gewährleisten, ist ihnen von den Bundesministerien nicht gestattet worden.

Gleichzeitig führt dieser gleiche digitale Sand zu einer Intransparenz im Markt. Bis heute haben monopolistisch agierende Marktteilnehmer dafür gesorgt, dass eine leicht zu implementierende API, „Wer ist der günstigste Anbieter an dieser Ladesäule?” nicht eingeführt werden konnte.

Verlierer dieser gewollten Intransparenz sind sowohl die Kunden an der Ladesäule, aber auch die kleineren Marktteilnehmer wie Ladesäulenbetreiber und Abrechner, die gar nicht ihre Leistungsfähigkeit ausweisen können.

 

Neue Möglichkeiten und Anforderungen werden durch digitalen Sand blockiert


Eine Vielzahl an Möglichkeiten, aber auch Anforderungen, stecken in den Startlöchern. Sie kommen jedoch nicht in die Umsetzung, oder sie verschlimmern sogar das aktuelle Chaos. Statt weniger digitalen Sand wird noch mehr digitaler Sand in das ‚Getriebe Ladeinfrastruktur’ geschüttet:

  • Das Bedienen einer Ladesäule sollte für die Kunden durch die verbindliche Einführung von Debitorenkartenlesern einfacher und transparenter werden. Das Gegenteil ist nun der Fall. Es haben sich neue monopolistische Blöcke in der digitalen Infrastruktur gebildet, und jenes „einfache Bezahlen per Debitorenkarte” ist nun nicht nur die mit Abstand teuerste Lösung für den Kunden, es verteuert sogar generell das Laden für alle Kunden, egal wie sie sich identifizieren.
  • Die Möglichkeit des „Einfach Einstecken und Laden” – Stichworte Plug & Charge, Tesla-SuperCharger und AdHoc-start – führt bei den derzeitigen technischen Lösungswegen zu neuen monopolistischen Strukturen, wie auch die Monopolkommission unlängst feststellte. Bei einer technischen Trennung von Identifizierung und Abrechnung wäre dies leicht zu erfüllen. Diese recht einfache Umsetzung wird jedoch seit Jahren von Marktteilnehmern blockiert.
  • Die netzdienliche Energiesteuerung im Zusammenwirken mit den Versorgern, Stichwort SmartMeterGateway, wird von Lobbykreisen blockiert, die ihre veralteten Kommunikationsstandards dort hineinpressen wollen. Das (noch) hochsichere SmartMeterGatway soll nach deren Willen so aufgebohrt werden, dass Uralt-Systeme ihre Daten für sicher erklärt werden. Daher, erneut ein „Betrug per Parameter”, diesmal jedoch mit einem Fake-Siegel „Die Daten sind sicher”. Dies macht das SmartMeterGateway nicht nur wertlos für ein rechtssicheres SmartHome oder rechtssichere SmartFactory, es sabotiert den Verbraucherschutz.
  • Logistiker benötigen eine Verzahnung von Ladeinfrastruktur und Disposition. Diese darf jedoch nicht zu monopolistischen Abhängigkeiten führen und muss rechtssicher und verbindlich funktionieren. Hat ein Logistiker oder ein Flottenbetreiber eigene oder vernetzte Ladeparks, benötigt er die Kontrolle und die Abrechnung in seinem eigenen System und nicht bei einem Monopolanbieter.

 

Der digitaler Sand ist gewollt: Die Ladeinfrastruktur braucht neue Organe zum Erfolg!

All die bestehenden Missstände in der Ladeinfrastruktur sind eine Kombination aus Hauptsache-es-geht-erstmal-Nöten, digitaler Inkompetenz und gewollten Zusammenwirken, mit dem Ziel, monopolistische Strukturen zu schaffen.

Im Ergebnis sehen wir nun, dass die Preise an den Ladesäulen deutlich höher sind als sie sein müssten, gleichzeitig die kleinen und mittleren Ladesäulenbetreiber in finanziellen Nöten geraten. Das trifft ganz besonders auf die Kommunen zu, jeder Leiter eines kommunalen Betriebs überlegt es sich nun dreimal, Ladeinfrastruktur in seiner Kommune aufzubauen.

Innovationen, die das Laden eigentlich einfacher und besser machen sollten, verschlimmern die Situation der Ladesäulenbetreiber und Elektroautofahrer sogar. Und dies nicht Aufgrund ihrer Ziele, sondern die Art wie sie umgesetzt werden.

Der BBNM e.V., der sich als Sprecher für die Elektroautobesitzer und Ladesäulenbetreiber sieht, fordert daher einen Neustart der Organe, welche neu besetzt werden müssen. Das Credo der neuen Organe muss die Verhinderung von Betrug und Abwehr von Monopolisten sein. Der Weg dazu sind Kommunikationsstandards und Systeme die nach den Stand der Technik der letzten zehn Jahre und nicht der 90er entworfen wurden. Kombiniert mit Regularien zur Transparenz und Rückverfolgbarkeit für den Verbraucherschutz.

Andernfalls wird der digitale Sand zu digitalem Treibsand für die deutsche Ladeinfrastruktur.

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverbands Beratung neue Mobilität e.V. / Autor: BBNM-Vorstandsmitglied Thomas Mertens


 

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