E-Mobil nach Portugal

Die Grenzen gibt es ja doch noch

Es wird immer wieder vergessen, einfach so über Grenzen zu fahren ist neben dem Frieden eine der großartigen Leistungen der EU. Der TGV von Frankfurt nach Paris rauscht einfach über die Grenze, der von Paris nach Barcelona sogar unten durch. Wenn man Platzkarten hat. Denn die Grenzen leben weiter, in den Fahrkarten- und Tarifsystemen der einzelnen Länder, zumindest wenn der Staat an den Gesellschaften beteiligt ist.

Wir haben bei der Reiseplanung schnell gemerkt: ausgerechnet in Frankreich und Spanien müssen für Schnellzüge (TGV und AVE) immer Platzreservierungen erfolgen. Das macht es kompliziert, denn diese sind von Deutschland aus nicht buchbar, und auch nicht von Frankreich aus für Spanien oder von Spanien aus für Frankreich. Selbst die geniale Interrail-App hat darauf keinen Zugriff. Diese App ist wirklich intuitiv, leicht, geniale Grafik, sie zeigt alle Züge an, mit denen man per Interrail fahren darf, man kann auf ihr leicht Fahrten buchen, sie gibt Hinweise falls Probleme auftreten. Doch an Platzkarten kommt sie auch nicht überall ran. Von Deutschland aus nach Frankreich geht das. Überhaupt meldet die Homepage der Deutschen Bahn Verspätungen oder Ausfälle in Spanien bereits, bevor man in Spanien darauf einen Hinweis am Bahnhof bekommt, doch dazu später mehr.

Die Reise wurde dadurch spannend, denn es war nicht klar, ob wir unseren gebuchten Flixbus von Sevilla nach Faro erreichen würden (dort gibt es keine Bahnstrecke). Also erstmal mit dem TGV von Frankfurt über Paris nach Girona, nördlich von Barcelona, morgens gestartet ist man abends dort, das geht zack zack. Der Fahrkartenschalter hatte noch offen. Per gutem Englisch bekamen wir für den nächsten Tag Plätze bis Sevilla, YES! Der Plan war gerettet. Der Typ am Schalter freute sich mit.

Am nächsten Tag kam, was sich wirklich lohnt: Schnellstrecken. Immer geradeaus durch die Einsamkeit gebaut, keine Büsche oder Bäume an den Schienen, permanent weite Sicht in die spanischen Großlandschaften, bei 300 km/h – ein Gefühl, als führe man auf einer Landkarte herum. Extrem empfehlenswert.

Der Flixbus am dritten Tag, kein Problem, von Deutschland aus buchbar, nicht behindert von alten IT-Systemen und quasi staatlichen Strukturen. Der Fahrer fuhr allerdings wie die Sau, hektisch und oft über der zulässigen Geschwindigkeit, keine Pausen, nur so konnte er den Fahrplan einhalten. Hier war wieder zu sehen, wie ‚moderne‘ Unternehmen ihre Angestellten auspressen.

Die Hinreise dauerte insgesamt zweieinhalb Tage, Tickets, Hotels und Verpflegung haben über Ostern dasselbe gekostet wie ein Flug dorthin, bei dem wir das Geld für Kerosin verballert hätten. Und wir haben viel mehr gesehen, der Frühling kam uns mit immer mehr Grün entgegen.

Nach zwei Wochen wieder zurück in Spanien versuchten wir, Platzkarten für Frankreich zu bekommen. In den Bahnhöfen von Sevilla, Cordoba und Granada (die Städte haben wir uns auf der Rücktour angesehen) hieß es nur, in Barcelona würde das gehen. Es war aber nur das Weiterschieben von Arbeit und Verantwortung, wie man das aus Deutschland auch kennt. Es ging auch in Barcelona nicht.

Für Spanien hatte ich von Deutschland aus schon telefonisch versucht, Platzkarten zu bekommen, 48 Stunden vor Abfahrt würde es gehen, hieß es. Doch das einzige, was möglich war, war, sich superschnelles Spanisch anzuhören, die Wahlmöglichkeit für Englisch war nicht zu erkennen. Das geht auch in umgekehrter Richtung: der Roboter der französischen SNCF-Hotline babbelte jede Menge Französisch.

Im dritten Versuch war raus zuhören, wie es in Englisch weitergeht, wir trafen dann aber auf Englisch mit so starkem französischen Akzent, dass eine Kommunikation ebenfalls nicht möglich war. Beide Hotlines, die spanische und die französische, scheinen nur für Muttersprachler zu sein.

Wir mussten es also wieder darauf ankommen lassen und wählten von Girona aus die nicht reservierungspflichtige Regionalbahn über die französische Grenze nach Perpignan, um dort TGV-Platzkarten kaufen zu können. Wir standen auf dem Bahnhof von Girona, der Zug nach Cerbère wurde angezeigt, also bis zur ersten Station in Frankreich, im Zug stand dann auf der elektronischen Anzeige, dass er nur bis Port Bou fährt, also eine Station vor der Grenze, ansonsten keine Informationen, weder auf dem Bahnhof noch im Zug. Die Ansage kam erst von Polizisten, die in Port Bou den Zug enterten, um uns mitzuteilen, dass ein Waldbrand auf der französischen Seite des Tunnels die Weiterfahrt nach Cerbère unmöglich macht. Man sagte uns, neben dran stehe ein Zug, mit dem könnten wir nach Girona zurückfahren, oder nur bis Figueres, von dort führen Busse über die Grenze. Wir stiegen in Figueres aus, der Busbahnhof ist neben dem Bahnhof, wie praktisch. Doch dort hörten wir nur: Keine Busse, keine Busse! Jetzt saßen wir beinahe fest, aber es war ein Problem, dass sich mit Geld lösen ließ, denn vor dem Bahnhof stehen Taxis, für 120 Euro kamen wir dennoch nach Perpignan. Diese Aktion war günstiger als eine zusätzliche Nacht auf Reisen.

Von Perpignan fuhren wir gleich mit dem Regionalzug weiter, denn der Fahrkartenschalter hatte zwei Stunden Mittagspause, die Automaten waren alle außer Betrieb und das Klo eine Baustelle. In Narbonne dann das Gegenteil, freundlich und in bestem Englisch wurden uns dort Platzkarten nach Lyon verkauft, nachdem in den Zügen über Straßburg oder Paris keine Plätze mehr zu haben waren.

Nächsten Tag ‚flüchteten‘ wir von Lyon über die Schweiz nach Deutschland, beides Länder, in denen Platzreservierungen nicht Pflicht sind, in denen man sich frei bahnbewegen kann. Die Belohnung folgte. Denn die Bahnstrecke den Südhang des Genfer Sees hoch ist eine der schönsten, die ich je gesehen habe. Der Blick von oben über den See und in die Alpenberge dahinter ist der Hammer.

Durch die Schweiz Bahn zu fahren lohnt sich sowieso, denn gefühlt ist alles neu, die Züge, die Strecken, die Bahnhöfe; dort wird richtig Geld ausgegeben, per Abstimmung vom Volk so gewollt. Außerdem ist die Schweizer Bahn für die Schweizer:innen keine Bahn, sondern eine Institution. Wer nicht auch Bahn fährt und sich damit auskennt, ist kein Schweizer Bürger.

Ach ja, zwischendurch, auf der Homepage des französischen Bahnunternehmens SNCF, wurden noch letzte Plätze von Barcelona über Paris nach Frankfurt angeboten, für über 1000 Euro in der ersten Klasse. Last Minute-Plätze für viel Geld, die umgekehrte Philosophie wie beim Fliegen. Überhaupt Fliegen? Kam für uns nicht in Frage, das ist ja keine E-Mobilität.

Und übrigens, mit dem Interrail-Ticket kann man fast in ganz Europa herumfahren, ohne Platzkarten kaufen zu müssen, alles mit einer genialen App, und flexibel buchbar, sowohl die Zeiträume als auch die Altersklassen. Und wenn man wissen will, ob ein Zug fährt, die Deutsche Bahn-Homepage weiß es. In Osteuropa nutzen selbst die Fahrkartenschalter diese Homepage für Auskünfte. Interrail ist eigentlich gedacht dafür, mit langsamen Zügen Europa zu erkunden. Unser Versuch, mit schnellen Zügen nach Portugal zu kommen, hat geklappt, und dank der alten IT-Systeme war es zusätzlich spannend. Dennoch, durchlässige Grenzen in den Ticketsystemen würden so viel Spaß machen wie einfach über die Grenzen zu reisen.



Abonniert den Newsletter, der jeden Freitag erscheint, um wöchentlich aktuelle Infos zu Tesla, Elektromobilität und Energiethemen zu bekommen.

Weitere interessante Beiträge finden sich in der aktuellen 20. Ausgabe des T&Emagazins.

Diese Ausgabe kann in Wunschmenge gegen Übernahme der Porto- und Versandkosten bestellt werden.

 

 

Inhalt der 20. Ausgabe des T&Emagazin:

  • Editorial – Wo waren die Deutschen?
  • Tesla Welt – David Reich: News des Quartals
  • Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Die Herausgeber – Tesla Owners TOCH
  • Event – 2befair elektrische COMMUNITY
  • Strombock – Absturz der THG-Prämie
  • Gesellschaft – Ist eine Solaranlage das neue Auto?
  • Zeitgeist – Nachhaltig absurd
  • Elektromobilität – 5 Gründe, warum es Volkswagen schlecht geht
  • Elektromobilität – Profis nutzen Checklisten
  • Testberichte von Car Maniac
  • Gesellschaft – Rein in den Kreis
  • Reisebericht – E-Mobil nach Portugal
  • Reisebericht – E-Hypermeilen: Heiss & Kalt
  • Energiewende – Wo stehen wir?
  • Fanboy – Gabor Reiter: Deutschlands Zukunft ohne Autoindustrie
Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.