Summen statt Brummen

Wartet die E-LKW-Zukunft um die Ecke?

Auf der Nutzfahrzeug IAA Transportation in Hannover sorgte der Tesla Semi Truck für Aufsehen. Doch auch die anderen LKW-Hersteller schlafen nicht…

 

Das Puzzle

Es ist ein Puzzle. Wenn am Schluss ein oder zwei Teile fehlen, ist man zwar fertig, aber schön ist das nicht. In Netzwerken ist das noch schlimmer. Fehlt ein Teil, geht gar nichts. Die Speditionslogistik zu elektrifizieren ist solch ein Puzzle. Es braucht die entsprechenden Fahrzeuge, die müssen aber auch laden können, was das Stromnetz vielerorts nicht hergibt. Deshalb halten sich alle potenziellen Player zurück, die Spediteure: E-LKW rentieren nicht, wenn man nicht überall laden kann, und das möglichst schnell, also werden kaum E-LKW nachgefragt; die Ladeparkanbieter wissen nicht, wann und wo sich Investitionen rechnen, weil unklar ist, wann wieviel E-LKW fahren werden; Stromanbieter haben dadurch kaum Informationen, wo und wann Kapazitäten aufgebaut werden müssen; und schließlich die Hersteller von E-LKW, weil dies alles nachfragerelevant ist. Würde alles zusammen einen gewissen Schwellenwert überschreiten, genug LKW laden genug Strom an genug Ladepunkten, so würde das Netz weiterhin von selbst entstehen, da alle Beteiligten Geld verdienen. An dem Punkt scheinen wir in Deutschland noch lange nicht zu sein. Weil… ja, weil jedes Puzzleteil auf ein anderes wartet.

Spediteure

Alle Unternehmen, die Güter transportieren, müssen diese Güter möglichst effizient und schnell von A nach B transportieren, sonst stimmt der Preis nicht und die Konkurrenz ist groß. Die meisten optimieren bereits hinter dem Komma. Und die Kosten werden steigen, weil Energie und Maut teurer werden und die Umweltanforderungen zunehmen.

Letztes Jahr wurden über 60.000 E-LKW gezählt, das sind 1,7 Prozent des Bestandes von 3,6 Millionen in Deutschland zugelassenen LKW. Von diesen dürften die meisten auf der Kurz- und Mittelstrecke unterwegs sein. Das Laden, die Reichweite und der Preis der E-LKW sind derzeit die begrenzenden Faktoren. Ein Pushfaktor ist das Image. Eine Reihe von Transportunternehmen setzt bereits jeweils einige E-LKW ein, meist auf der Kurzstrecke, und wirbt damit. Der Fernverkehr hat ohnehin nur einen Anteil an allen Fahrten von einem Drittel, zwei Drittel fahren Kurz- und Mittelstrecke. Auf den vielen kurzen Fahrten innerhalb der Städte sind Emissionsfreiheit und Geräuscharmut besonders wirksam. Bei Tempo 20/30 km/h halbiert sich der Geräuschpegel.
Für die Langstrecke müsste die heute verfügbare Batteriekapazität noch mal verdoppelt werden, doch das ist nur eine Frage der Zeit. Und es müsste eine breite Schnell-Ladekapazität zur Verfügung stehen.

Ladeparkinfrastruktur

Der Einsatz von E-LKW ist effizient, wenn genug Schnellladestationen entlang der Hauptverkehrsachsen und in Logistikzentren eingerichtet werden. Drei der größten LKW-Hersteller, Daimler, Volvo Trucks und Traton (VW-Gruppe mit u. a. MAN Truck & Bus und Scania) haben sich inzwischen zum Konsortium „CV Charging Europe“ zusammengetan, um ein Hochleistungs-Ladenetz für schwere Lastwagen aufzubauen. Eines der ersten Projekte ist ein Korridor mit vier Hochleistungs-Ladeparks entlang der A2 zwischen Berlin und Duisburg. 12 der 27 Millionen Euro bezahlt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Allerdings sind dies nur vier Testparks mit nur jeweils zwei Ladepunkten. Insgesamt wollen die Hersteller 500 Millionen für ein Ladenetz investieren, dass unter der Marke Milence geführt wird.
Im letzten Sommer sollte auch eine Ausschreibung erfolgen, mit der ein sogenanntes Deutschlandnetz für LKW mit 350 Standorten bis 2030 aufgebaut werden soll. Die EU fördert derweil mit 17 Millionen Euro einen Testladepark an einem der europäischen Transportkorridore. Das ist alles viel zu wenig, denn damit dürfte man auch nicht in die Nähe eines Netzwerkeffektes kommen. Das Beratungsunternehmen PWC schätzt den Investitionsbedarf für ein europaweites Ladenetz auf 36 Milliarden Euro. Da aber erste große Player wie EnBW oder Aral im Markt auftauchen, könnte sich dies schnell ändern, ähnlich dem derzeit weltweit exponentiell wachsenden Angebots an Solarstrom.
Stromanbieter

Da große Schnellladepunkte für E-LKW enorme Mengen an Strom brauchen, etwa so viel wie ein Stadtteil, muss auch das Stromnetz darauf ausgelegt werden. Würden alle LKW in Deutschland mit Strom betrieben, dürfte der Anteil der LKW am Gesamtstromverbrauch bei etwa 10% liegen. Der Bedarf ist allerdings in der Fläche stärker verteilt als die heutigen Stromgroßverbraucher, so dass ein weiterer Ausbau der Herstellungs- und Verteilkapazität notwendig wird.

Hersteller von E-LKW

Einer von sieben 2023 verkauften PKW in Europa fährt elektrisch, aber nur einer von 70 der verkauften LKW. Daimler Truck lieferte 813 E-LKW aus, aber 109.000 Verbrenner-LKW, Volvo entließ immerhin 6.000 auf die Straßen. Tesla hat 100 Semi Trucks in Betrieb, die Serienfertigung soll 2025 beginnen.
Neben der Reichweite (z.B. Scania: 370 km; Tesla Semi Truck: 610 km) sind derzeit vor allem die Investitionskosten ein Problem – ein E-LKW kostet derzeit noch zwei bis drei Mal so viel wie ein Verbrenner-LKW. Allerdings werden diese Zahlen relativiert durch Steuererleichterungen und niedrigere Betriebskosten. Ein E-LKW benötigt für 100 Kilometer etwa 130 kWh ein Diesel-LKW etwa 247 kWh. Dadurch sollen die Betreibenden der Fuhrparks laut Tesla allein innerhalb der ersten drei Jahre eine Kraftstoffeinsparung von bis zu 200.000 US-Dollar pro LKW erzielen.
Mindestens genauso groß soll der Vorteil durch Ferndiagnose und Softwareupdates (over the air) und deutlich weniger bewegliche Teile sein, die gewartet werden müssen. So sollen die Zugmaschinen deutlich mehr Zeit auf der Straße verbringen und nur in seltenen Fällen zum Service müssen.
Die Lebensdauerkosten sind für die Betreiber wichtiger als der Kaufpreis. Hier rechnet beispielsweise Iveco damit, dass in ein paar Jahren auf 200-Kilometer-Strecken zwischen Logistik-Zentren eine Kostenparität entstehen wird. Anders sieht dies schon jetzt bei Lieferwagen und Klein-LKW aus, welche oft die letzten Meilen einer Logistikkette bedienen. Sie können über Nacht oder beim Be- und Entladen geladen werden. Sie haben heute schon einen 10%gen Kostenvorteil gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen.
DHL will beispielsweise 60% seiner Paketdienst-Fahrzeuge bis 2030 elektrisch betreiben.

Wie weiter?

Wasserstoff ist keine Alternative. Ein Ladenetz für Wasserstoff-LKW würde noch einmal dasselbe kosten wie ein Schnellladenetz für E-LKW. Regierungen oder Investoren werden sich diese Redundanz nicht leisten wollen. Und die Herstellung von Wasserstoff braucht immer noch ein vielfaches der Energie wie die Herstellung von Strom.
E-LKW werden in Kürze Reichweiten von 800 Kilometern oder mehr haben. Entsprechende Modelle werden unter anderem bereits von Daimler Truck, MAN, Volvo oder Tesla beworben. Das Reichweitenthema dürfte in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören. Neue Batterietechniken werden wesentlich dazu beitragen.
Eine Möglichkeit ist ‚Uber für Fracht‘. Das Berliner Unternehmen ‚Einride‘ betreibt E-LKW-Flotten für Unternehmen und bieten den Transport von Fracht als Service an. Es betreibt bereits Flotten für Maersk, das Brauereiunternehmen AB inBev und für Lidl. Einride optimiert den Transport, die Ladezeiten und den Einsatz von Fahrer:innen.
Auch Volvo und Iveco bieten inzwischen an, dass Speditionen nur die Nutzung von E-LKW bezahlen, ähnlich der Nutzung von Flugzeugtriebwerken, welche schon lange nur geleast und nach Betriebszeit abgerechnet werden. Damit entstehen bei den Speditionen keine Investitionskosten und sie können sofort einsteigen. Vielleicht sind Betriebsmodelle wie die von Volvo, Iveco oder Einride ohnehin die Zukunft in der Logistik. Warum soll jede Spedition einen eigenen Fuhrpark kaufen, um ihn dann mit Mühe auszulasten?
Es wäre auch vorstellbar: ein E-LKW-Fahrer fährt seine z.B. 600 km auf der Straße, er verbringt seinen Schlaf in einem Zug, auf dem sein LKW auch aus der Oberleitung aufgeladen wird, und fährt anschließend nochmal 600 Kilometer. Ideal für den Alpentransit.
Das Puzzle scheint sich schon zusammenzusetzen, denn wenn Unternehmen eine Chance sehen, mit dieser Technik Geld zu verdienen, dann wird die E-Zukunft für LKW kommen. Auf den Staat warten, der einem den Weg dahin subventioniert, wird zu lange dauern. Wenn die deutschen Hersteller mehr Geld in die Forschung und Entwicklung stecken, statt es per Dividende an Aktionäre auszuzahlen, dann würden nicht nur die Aktionäre eine bessere Zukunft bekommen.

 

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe 24 des T&Emagazins, welches hier bestellbar ist.


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  • Summen statt Brummen – Wartet die E-LKW-Zukunft um die Ecke?
  • Halbtoter See mitten in Europa – Wenn Wasser nichts kostet, greifen alle zu
  • VW in der Krise – Deutsche Automobil-Industrie am Scheideweg
  • Energiewende auf einem Bierdeckel
  • Leser:innen-Briefe -Neues aus der Teslawelt
  • Die Herausgeber: Tesla Owners Club Helvetia
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