Kritik am gestrigen Urteil des Europäischen Gerichts zur Übernahme von E.ON-Kraftwerken durch RWE: Darin hat das Gericht entschieden, dass die Europäische Kommission keine offensichtlichen Rechtsfehler begangen hat, als sie 2019 dem mit Abstand größten Stromerzeuger RWE die Übernahme der Kraftwerksassets im Kontext einer komplexen Marktaufteilung zwischen den beiden größten deutschen Energieunternehmen erlaubte. Die Entscheidung des Gerichts über das von Ökostromanbieter Naturstrom ebenfalls per Klage angegriffene Gegengeschäft, den Erwerb des Netz- und Endkundengeschäfts der früheren RWE-Tochter innogy durch E.ON, steht dagegen noch aus.
„Wenn man als Naturstrom gegen die Europäische Kommission und zusätzlich indirekt gegen die von der Bundesregierung unterstützten RWE und E.ON antritt, dann ist die Ausgangslage denkbar schwierig”, erklärt Naturstrom-Vorständin Dr. Kirsten Nölke. „Wir haben trotzdem für ein besseres Urteil im Sinne des Wettbewerbs, der Energiekund:innen und auch der Energiewende gekämpft. Denn von Anfang an war abzusehen, dass die Marktmacht von RWE in der Stromerzeugung zunehmen wird. Dies hat das Bundeskartellamt mittlerweile auch glasklar bescheinigt.” Man werde nun die Urteilsbegründung im Einzelnen auswerten und darüber entscheiden, ob gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werde. „Es kann nicht sein, dass sich die beiden deutschen Platzhirsche den Markt entlang der Wertschöpfungsstufen einvernehmlich aufteilen, um perspektivisch die mittelständischen Stadtwerke und unabhängige Anbieter wie uns an den Rand drängen zu können”, ergänzt Kirsten Nölke.
Die Entscheidung
Mit Urteil vom heutigen Tag [T-312/20] hat das Europäische Gericht nun im Sinne der Europäischen Kommission entschieden. In seiner Begründung stellt es u. a. darauf ab, dass die Behörde ausreichend geprüft habe, inwieweit die ohnehin starke Marktposition von RWE in der Stromerzeugung durch die Fusion weiter anwachse.
Zum Hintergrund
Im März 2018 hatten RWE und E.ON bekanntgegeben, sich neu auszurichten. Durch eine Reihe von Geschäften sollte die Stromerzeugung bei RWE und das Netz- und Endkundengeschäft bei E.ON konzentriert werden, wobei RWE als größter Einzelaktionär bei E.ON einstieg. Zu der abgestimmten Marktaufteilung gehörte auch die Übertragung konventioneller und erneuerbarer Erzeugungsassets der E.ON an RWE, die die Europäische Kommission am 26.02.2019 (Fall M.8871) freigab.
Naturstrom hat dies unter Verweis auf die negativen Folgen für den deutschen Energiemarkt, die vom Bundeskartellamt für die Stromerzeugung nach Freigabe des Deals auch wiederholt festgestellt wurde, von Beginn an kritisiert. Der 1998 gegründete Öko-Energieversorger ist einer der letzten verbliebenen unabhängigen Stromanbieter aus den Anfangsjahren der Strommarktliberalisierung. Deshalb hat Naturstrom sich – genauso wie mehrere kommunale Energieversorger – vor dem Europäischen Gericht gegen die Freigabe gewehrt. Im Verfahren hatte sich die Bundesregierung an die Seite von Kommission, RWE und E.ON und damit gegen die Kläger gestellt. Gegen diese so ungewöhnliche wie politische Einmischung hatten sich die Kläger und der Verband kommunaler Unternehmen in einem offenen Brief an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verwehrt.
Die Kritik gegen den Megadeal geht weit über die klagenden Energieversorger hinaus. In der Initiative #wirspielennichtmit hat sich ein breites Bündnis aus Akteuren der Energiewirtschaft, der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammengefunden. Neben klagenden Unternehmen wie Naturstrom gehören dazu mehr als 30 Unternehmen, Verbände, Bürgerenergiegesellschaften und Vereine.
Das Urteil
Das Urteil [T-312/20] steht hier zur Verfügung.
Quelle: Pressemitteilung Naturstrom
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