Car Manaic: Roadtrip mit Smart

Wer mich fragt, ob er sich für häufige Auslandsfahrten ein Elektroauto kaufen soll, dem sage ich ganz ehrlich: wenn du abenteuerlustig bist macht es sicherlich Spaß, wenn du ein pragmatischer Fahrer bist lass es.

 

Trotzdem kämpfe ich hier in meiner Mission für die Elektromobilität und nicht dagegen. Also nehme ich mir immer wieder mal die Zeit, einen Roadtrip rauszuhauen. Der Allerlängste allerdings war der von Madrid nach Stuttgart, nicht etwa in meinem Mercedes mit dem man so eine Strecke vielleicht relativ leicht auf halber Arschbacke runterfahren kann, sondern mit einem Smart #1. In Zahlen: 66 kWh Akku, 272 PS, Heckantrieb und nicht gerade Auslegung auf maximale Effizienz.

Wenn ich es aber damit schaffe in adäquater Zeit, kann es ja nur besser werden, oder? Mein Begleiter für diese Fahrt niemand geringeres als der Deutschlandchef von Smart: Wolfgang Ufer. Lustigerweise hat er mich in Lissabon im Rahmen der Fahrveranstaltung darauf angesprochen, ob ich theoretisch Lust hätte mit ihm das Auto zurück nach Deutschland zu fahren, Mitte Oktober. Ich sagte sofort ja, weil ich um den Mehrwert wusste. Ich wusste aber auch, dass es anstrengend werden kann. Stichwort Infrastruktur im Ausland.

Aber dann habe ich mir – um uns die Sache zu erleichtern – in den Kopf gesetzt, das Ganze noch mal herausfordernder zu machen, allerdings auf die leichte Art: nämlich nur mit Ionity zu laden. Im Vorfeld, also vor Veröffentlichung des Videos, habe ich eine Umfrage auf meinem Kanal gemacht, wie die Leute eigentlich zu den 79 Cent je kWh stehen und ob sie gewillt sind eine Grundgebühr zu zahlen, damit sie weniger zahlen, dafür aber die Simplicity und Zuverlässigkeit von Ionity zu haben. In Zahlen: von 10.000 Menschen sagen 39 Prozent, dass sie 79 Cent pro Kilowattstunde gewillt sind zu bezahlen, Hauptsache Simplicity. 21 Prozent zahlen lieber weniger beispielsweise über EnBW, nehmen aber dafür Kapriolen in Kauf wie nicht funktionierende Säulen der ausländischen Anbieter, Säulen die abseits liegen oder nicht die Ladeleistung bringen wie sie eigentlich sollten. Weitere 40 Prozent sagen, sie sind bereit eine Grundgebühr von bis zu 18 Euro zu bezahlen, um dann für 30 bis 35 Cent je kWh laden zu können. Interessant, denn damit habe ich nicht nur mir sondern auch vielen da draußen bewiesen, dass Ionity wohl nicht mehr der Buhmann ist, wie die Münchner Firma gerne dargestellt wird.

Und der Roadtrip mit dem Smart hat gezeigt, warum. Am ersten Tag, welcher ein Sonntag war, sind wir in der Früh um 7:50 Uhr in Madrid abgefahren. Die erste Ionity Säule war nur 137 Kilometer entfernt. Die mussten wir aber nehmen, weil wir die übernächste nicht geschafft hätten, mit dem sagen wir mal kleinen Akku. Die darauf folgende Säule war allerdings schon 289 km entfernt. Wie sich herausstellen sollte, waren die 90 nachgeladenen Prozent zu wenig, um mit 125 km/h Richtung Ziel zu fahren. Die letzten 50 Kilometer musste ich die Geschwindigkeit drastisch reduzieren, teilweise auf 59 km/h auf der Autobahn mit Warnblinkanlage. Habe ich mich geschämt? Ja, schon ein bisschen. Aber es war trotzdem ein schönes Experiment.

Einen Mikrowellen Burger später nachdem wir diese Ladesäule geschafft haben, ging es weiter zur dritten und letzten Ladesäule für diese Etappe. Von 3 bis 80 Prozent vergingen nur 35 Minuten, von 10 bis 80 Prozent lediglich 30 Minuten. Auch an der nächsten Ionity konnten wir ohne irgendeinen Stress laden. Geplant habe ich die Fahrt nicht mit irgendeiner App, sondern habe mir einfach die Ionity Stationen aus der Ionity App notiert und wir haben uns von Ladesäule zu Ladesäule navigiert, zumal der Smart noch nicht mit der entsprechenden Laderoutenplanung ausgestattet war. Drei Stopps also, jeweils für ungefähr 35 Minuten, bis wir auf halber Strecke nach 924 Kilometern in Montpellier angekommen sind, Frankreich, wo die Ladenetzinfrastruktur auch nicht gerade die Beste ist. Was aber interessant ist: diese Strecke haben wir in nur 11 Stunden und 10 Minuten inklusive der Ladepausen geschafft und eine Viertelstunde davon war verschenkt wegen eines unnötigen Stopps für Kaffee.

Das ist schon ein verdammt guter Wert wie ich finde. Das Geheimnis liegt einfach darin, den Wagen leer zu fahren und so viel wie möglich von der Reichweite zu nutzen. An diesem Abend konnten wir dann für 10 Euro im Hotel voll laden, angekommen sind wir mit 3 Prozent. Ein guter Deal. Am nächsten Tag und zugegebenermaßen gut ausgeruht ging es ebenfalls um 7:50 Uhr los. Diese Fahrt sollte nicht so kurz sein wie die erste Etappe, wenngleich beide Strecken gleich lang waren. Gut, das liegt auch daran, dass wir viel durch die Schweiz fuhren. Eigentlich ausschließlich. Frankreich wäre nur mit Ionity nicht gegangen, weil wir den letzten Charger nach Dijon vor der deutschen Grenze nicht mit der Reichweite geschafft hätten. Das resultierte in vier Stopps. Keiner davon war nun so knapp wie am Vortag, allerdings halt eben vier Stopps, von denen wir bei einem auch in die Gegenrichtung fahren mussten, weil nicht auf beiden Seiten Säulen zu finden waren. Die habe ich schon im Video an die Kommunen appelliert, dass Ladesäulenbetreiber auf beiden Seiten bauen können. So haben wir fast 18 Minuten nur mit herumfahren verloren. Weitere zehn Minuten länger als die Ladezeit durch das ewig dauernde Essen, welches einfach nicht fertig werden wollte.

Und während ich auf der ersten Etappe am Sonntag ein großer Freund der Ladepausen war, weil es wirklich sehr entspannend wirkte, und genau zum richtigen Zeitpunkt stattgefunden hat, war das an diesem Tag nicht so. Der vierte Ladestopp war einfach nur unnötig. Zumal er nur 140 Kilometer vor Ulm war, dem Ort, wo mich Wolfgang Ufer absetzen wollte, damit ich mit dem Zug nach München fahren kann. Wer mich kennt weiß, allzu großen Bock hatte ich darauf nicht. Also hielten wir in Hohenems zum letzten Ladestopp. Dort hat uns die Dame, die uns die Panini verkauft hat, erstmal ordentlich Angst gemacht, weil sie meinte, wir hätten eine Vignette kaufen müssen für den kurzen Ausflug auf der österreichischen Autobahn um an die Ionity Säule zu kommen. Viele Kommentatoren aus Österreich haben bestätigt, dass dies nicht der Fall sei. Danke dafür an dieser Stelle!

 

 

Die Reise am Montag ging nach 12 Stunden 40 Minuten in Ulm zu Ende, allerdings musste Wolfgang noch knappe 80 Kilometer nach Stuttgart. Da sehen wir mal, was Tempolimits tatsächlich ausmachen. Und ich rede hier nicht von dem Willen 180 km/h zu fahren: einfach nur der Unterschied zwischen 125 Tempomat in Spanien oder Frankreich und den 100 bis 110 k/mh in der Schweiz. Und dann natürlich die Tatsache, dass wir den ersten Ladestop relativ früh einlegen mussten, weil wir auch hier wieder die übernächste Ladesäule nicht geschafft hätten, das kostet ebenfalls Zeit.

Summa summarum eine wirklich schöne Fahrt, über die ich sehr glücklich bin, sie gemacht zu haben. Erstens, weil es ein schöner Männertrip war und zweitens weil ich damit der Masse zeigen konnte, dass man auch mit einem 66 kWh-Akku keine Angst zu haben braucht und auch solch ein Auto tatsächlich eine Verbrenner Alternative sein kann. Allerdings muss man halt damit leben, dass man nicht 500 Kilometer an einem Stück durchfahren kann. Zugegeben vom nicht künstlichen Pausen Befürworter: 500 Kilometer am Stück hätte ich an diesem Sonntag zu keinem Zeitpunkt geschafft. Die 280 Kilometer waren das maximale der Gefühle auf 920 Kilometer, wo drei solche Stopps vollkommen vertretbar sind, wie ich finde. Wer gerne nähere Features über das Auto erfahren möchte, kann das passende Video dazu schauen, den 2.000 Kilometer Roadtrip von Madrid nach Stuttgart. Da sieht man dann auch ein paar Schwachstellen, die ich an Wolfgang Ufer weitergegeben habe und die er zu verbessern gelobte.

 

Das Car Maniac Video zum Roadtrip:

 

 

 


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