Tesla ist für 100.000 € weniger genauso gut wie ein AMG 53

Ein Gedankenexperiment


Manchmal denke ich, dass Fahrzeuge wie dieses völlig falsch sind für die Hauptzielgruppe von Elektromobilisten. Leider.

Es wird immer über Energiesparen geredet und Vernunft. Dabei wird einfach nicht verstanden, dass man Menschen, die heute in einem Verbrenner AMG sitzen mit Ideologie nicht motiviert werden können. Wir müssen akzeptieren wie der Mensch ist. Er nimmt sich das, was er haben kann, oder was er sich leisten kann. Ist es da also nicht sinnvoller, den AMG Verbrennerfahrer zumindest in einem AMG Elektro zu wissen?

Ich finde absolut doch. Natürlich gehöre ich auch noch zu denen, die von sowas fasziniert sind. Viel Power, maskuline Optik, also sozusagen kein Verzicht, wenn man vom Verbrenner kommt, und trotzdem umweltfreundlich unterwegs zu sein. Auch wenn der Topspeed des Mercedes AMG 53 bei 240 km/h liegt, fährt man diese 240 km/h in der Regel nicht. Und so kann man ihn mit 18 kWh in der Gegend herum kutschieren. Das sind nicht mal zwei Liter Benzin als Energieäquivalent. Gegen die mindestens 15 Liter, die das Verbrenner Pendant zu diesem AMG braucht.

Wir sprechen bei diesem wunderschönen mattschwarzen Biest von bis zu 687 PS. Der Verbrennerfahrer soll doch in seinem Interesse gekitzelt werden. Von 0 bis 100 km/h geht es in 3,5 Sekunden, optional 3,3, wenn man das Dynamic Plus Paket für knapp 5000 € dazu nimmt. Muss nicht unbedingt sein, um ehrlich zu sein. Allerdings wird dadurch der Topspeed von 220 auf 240 km/h angehoben. Des Weiteren hat man die Option auf eine Keramikbremsanlage, welche allerdings für den Alltagsnutzen mehr Nachteil ist als Vorteil, weil die Keramikbremsanlage warm werden muss, damit sie richtig bremst und das wird sie im Alltagsnutzen nicht. Dafür kostet sie aber 4.200 € Aufpreis, zusätzlich zum Dynamik Plus Paket.


Ich finde tatsächlich auch, dass AMG ein kleines bisschen in der Verbrennerwelt zur Prolo-Marke verkommen ist. Oft werden die Fahrzeuge mit dem zugegebener Maßen sensationellen V8-Sound an der Ampel zur Schau gestellt. Ein Elektro AMG bringt da neues Klientel, welches eben nicht auf das Thema Sound aus ist. Okay, Sound gibt es trotzdem in Form eines Soundgenerators, aber ganz ehrlich, das kann man beim Elektroauto doch in die Tonne kloppen. Der Sound namens ‘authentic’ klingt zwar echt gut, aber entweder ich habe einen V8 oder ich habe einen elektrischen Antrieb.

Das ist ein bisschen wie bei Jennifer Lopez und anderen Frauen, die sich in ihren Allerwertesten Silikon reinmachen lassen. Entweder man hat es wie Jennifer Lopez, oder man sollte es sein lassen.

Ich habe unter meinem Video zum AMG 53 eine Diskussion zwischen zwei Zuschauern gelesen, wo es darum ging, dass man doch die gleichen Fahrleistungen für 100.000 € weniger in einem Tesla Model 3 Performance bekommt. Ich weiß, das hier ist ein tesla-lastiges Magazin, allerdings finde ich muss man auch die Kirche im Dorf lassen können, wenn man erwachsen ist. Du kriegst eben nicht das gleiche für 100.000 € weniger. Längsdynamische Beschleunigung ist nicht alles. Es gibt halt bei solch einem AMG Dinge, die bei ganz speziell schneller Fahrt viel ausmachen. Fahrwerk, Fahrwerksverhalten bei Lastwechsel, Durchbeschleunigung in höheren Geschwindigkeitsbereichen, Bremsen, Beständigkeit der Bremsen bei intensiver Nutzung und so weiter. Wenn jemand mit einem Tesla das Argument der Beschleunigung nimmt, müssen wir aber auch über andere Performance-Dinge sprechen, und da ist ein AMG nun mal ein AMG.

Tesla macht seine Sache super, aber wer sich einen AMG kauft kauft, den nicht, weil er aus Versehen verpasst hat, dass es noch für 100.000 € weniger einen Model 3 Performance gibt, sondern weil er eben ein Auto will, das nicht jeder hat und auch dieses ganz bestimmte Gefühl haben möchte. Jenes Gefühl, welches man hat, wenn man das Lenkrad mit dem Carbon anfasst und dem Alcantara. Oder wenn man auf den Hyper-Screen schaut und zusätzlich noch einen Tacho hat. Oder die Bequemlichkeit der Nappaleder-Sitze genießt sowie deren Anmutung. Übrigens nicht nur mit Sitzheizung sondern auch Sitzlüftung. Ganz ehrlich, mir persönlich wäre es egal, dass dann bei 240 km/h, was sowieso selten passieren sollte, ein Tesla Model 3 Performance noch an einem AMG 53 vorbeizieht, wenn ich im AMG sitze. Denn dafür habe ich bei höheren Geschwindigkeiten einfach das viel stabilere und auf Performance ausgerichtetere Auto. Und nein, ein Tesla Model 3 Performance wird in keiner Lage dem Mercedes wegbeschleunigen. Ist auch überhaupt nicht schlimm, aber wir dürfen nicht immer die Wahrheit verdrehen.

Während ich diesen Artikel schreibe, fahre ich gerade in einem Tesla. Als Beifahrer natürlich. Leider ist zu 70%, wenn man über Belastung spricht, in der Reputation von Tesla genau diese Verherrlichung Hauptschuld. Würde man einen Tesla einfach einen Tesla sein lassen, würde es viel weniger Gegenstimmen geben. Aber wenn man immer etwas auf Krampf besser reden will als etwas anderes, das aber tatsächlich besser ist, wirkt es unsympathisch.

Eine brutale Beschleunigung und Supercharger-Netzwerk ist halt nicht für alle die ultimative Relevanz. Ich glaube, ich habe ein schönes Beispiel: im Budget von 85.000 €, wenn man über Sportwagen spricht, finde ich nichts toller als einen Alpine a110s. Warum sollte man für dieses Geld einen Porsche kaufen, schließlich sieht man einen Porsche andauernd, einen Alpine nur unter 1000 Mal in Deutschland. Außerdem ist der Wagen viel stilvoller. Wenn jetzt aber jemand mit einem Porsche Cayman GT4 RS um die Ecke kommt, werde ich nicht anfangen zu argumentieren, dass man doch für 100.000 € weniger einen Alpine kriegt. In seinem Segment ist der kleine Franzose absolut perfekt, aber vergleichen wir ihn bitte nicht mit einem 500PS GT4 RS, von dem ich als Mann fast schon erregt werde. Wer nämlich die 180.000 € für diesen sinnlosen Zweitwagen hat, den interessiert es nicht, was es schlechteres für hunderttausend Euro weniger gibt.

Und genauso ist es mit Tesla. Jeder weiß, dass es Tesla gibt, jeder weiß, dass Tesla in seinem Segment super ist, nicht jeder braucht aber genau dieses Segment, und viele wollen einfach etwas emotionaleres fahren, etwas, dass halt vielleicht auch ein bisschen mehr Statussymbol ist. Wann hat sich eingebürgert, dass es schlimm ist, ein bisschen zu zeigen, wenn man Erfolg hat in dem was man tut?

Schließlich kann der Mercedes viele Dinge auch sehr gut. Sprechen wir mal über die Darstellung des Hyperscreen, die Routenplanung, die Simplicity, einen verfügbaren Tacho und ein großen Head-up-Display. Auch andere Hersteller können vieles sehr gut. BMW, oder auch Koreaner wie Genesis. Die bieten für haargenau das gleiche Geld wie bei Tesla einen ungefähr dreimal so hochwertigen Innenraum.



Fakt ist aber auch, dass natürlich der Mercedes AMG in Sachen Effizienz fast schon ein großes L auf die Stirn tätowiert hat, denn da ist er meilenweit von Tesla entfernt. Ich würde fast sogar wagen zu behaupten, dass zwischen dem AMG und einem Tesla Model 3 Performance, wenngleich das Model 3 viel kleiner ist und dadurch auch leichter, auf der Autobahn ein Verbrauchsunterschied von knapp 8 kWh auf 100 km festzustellen ist. Das ist schon echt eine Nummer. So kommt der Tesla mit dem wesentlich kleineren Akku trotzdem weiter als der Mercedes mit seinen netto 90kWh.

Das zeigt, wie sehr Tesla Vorreiter in Sachen Effizienz ist. Denn um so effizient zu sein wie das Tesla Model y Performance, indem ich gerade sitze, muss man schon einen Mercedes EQS dagegenstellen, der zwar diese Werte auch schafft, aber dafür auch wieder 100.000 € mehr kostet,wenn man ihn genauso gut ausstattet.

Also Tesla kann schon vieles wirklich sehr gut, nur halt eben keine Emotion. Und wer ein Auto kauft, nur weil er sich für Mobilität interessiert, aber nicht, weil er sich fürs Fahren interessiert, der ist perfekt bei Tesla aufgehoben. Alle, die aber ein Auto noch richtig erleben und den Wow-Effekt spüren und auch genießen wollen, wenn andere Menschen ihr Auto bewundern, die sind halt einfach mit einem Mercedes AMG oder BMW M besser dran. Lassen wir das doch einfach so dastehen und jeden seine eigenen Vorteile haben, ohne ungerechtfertigte Credits für die eigene Marke zu verteilen.

Video von Car Maiac zum AMG:


 

Jetzt bestellen und bequem auf dem Postweg bekommen:

 

 

In der Ausgabe 15 des T&Emagazin, sind neben Car Maniac E-Auto-Tests weitere spannende Themen rund um E-Mobilität, Tesla und regenerative Energien zu finden.

Die Zeitschrift hat 52 Seiten und ist prall gefüllt mit Berichten zu Themen der Elektromobilität und zu regenerativen Energien.

Ein Exemplar der Ausgabe 15 kann gegen Versandkostenübernahme hier bestellt werden.

5 Exemplare, 10 Exemplare und 20 Exemplare zum Weiterverteilen zu geringen Mehrkosten.

Wer die Zeitschrift dauerhaft beziehen möchte kann ein Abo abschließen.

Zu den Inhalten aller vorherigen, älteren Ausgaben geht es hier.

 

Die Themen dieser Ausgabe:

Leser-Reaktionen
EditorialE-Mobilität nicht mehr ausbremsbar – von Timo Schadt
Tesla Welt News des Quartals – von David Reich
Tesla – Cyber Rodeo & more – Gigafactory in Texas eröffnet – von Karsten Klees
Tesla – Model X Plaid vs. Model S von 2013von Timo Schadt
Die Herausgeber – Tesla Owners Club Helvetia (TOCH)von Martin Haudenschild
Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V. – von Lars Hendrichs
Innovator – Carsten Fischer plädiert für das Fahren im älteren E-Auto Interview von Nino Zeidler & Timo Schadt
Elektroauto Guru – Tuning fürs E-Auto?von Nino Zeidler
S3XY CARS Community – Das größte E-Auto Event am 30.7. – von Timo Schadt
T&Etalk – Rückblick: E-Fahrzeug-Design – furchtbar? – von Timo Schadt
Elektromobilität – Wie funktioniert eine Akkuzelle – von Martin Hund
Elektromobilität – Car Maniacs E-Auto-Tests – von Christopher Karatsonyi
Wirtschaft – Medien zwischen Fake News & BildungsauftragInterview von Timo Schadt mit TV Journalist Jochen Rosenkranz
Wirtschaft – Internet für alle: Was ist Starlink? – von Moritz Blunt
Energie- & Verkehrswende – Brennstoff aus Treibhausgasen – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Geldverschwendung mit Atomkraft – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Potenzial von Vehicle-to-Grid Interview mit Loris Di Natale von Fritz Kleiner
Technophilosoph – Wenn Robotaxis vor der Polizei abhauen – von Dr. Mario Herger
Reisebericht – Halide Studer fuhr mit dem Model S nach Istanbul von Beat Jau
Reisebericht – USA mit dem Tesla – von Lars Hendrichs
Fanboy – Synergien im Elon Universum von Gabor Reiter

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.