Die Automobilbranche steht am Scheideweg. Während Elektroautos (EVs) in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus von Herstellern und Verbrauchern gerückt sind, prägen nun Preisgestaltung und Lieferverzögerungen die Schlagzeilen. Was steckt hinter der Verzögerungstaktik vieler Hersteller? YouTuber Antonino Zeidler betreibt den Kanal Strombock und hat sich dazu Gedanken gemacht.
Die aktuelle Preissituation
Im Jahr 2023 erlebten wir eine starke Preisentwicklung bei Elektrofahrzeugen. Obwohl die Produktionskapazitäten und technologischen Fortschritte bei Batterien es ermöglichen, dass die Preise theoretisch hätten sinken können, erlebten Verbraucher:innen in vielen Fällen das Gegenteil.
Inflation, hohe Energiekosten und geopolitische Unsicherheiten führten dazu, dass sowohl die Produktionskosten, als auch die Rohstoffpreise gestiegen waren. Zudem war die Nachfrage in Folge üppiger Kaufförderungen relativ hoch.
In 2024 glichen die Hersteller weitgehend die plötzlich von der Bundesregierung gestoppte Förderung aus und hielten damit die Real-Preise auf dem gleichen Niveau für die Verbraucher:innen. Ein hervorragendes Indiz dafür, dass die Umsätze der letzten Jahre eine überdurchschnittliche Marge enthielten. Nun haben zahlreiche Hersteller Produkteinführungen und Auslieferungstermine auf das kommende Jahr verschoben. Ebenso bleiben markttypische Rabatt-Aktionen erstaunlicherweise aus – bis auf eine Ausnahme!
Flottenemissionsgrenzwerte als Preistreiber?
Eine der größten Herausforderungen für Autohersteller ist die Einhaltung der strengen Flottenemissionsgrenzwerte der Europäischen Union. Ab 2025 treten verschärfte Regelungen in Kraft, die den durchschnittlichen CO²-Ausstoß aller verkauften Fahrzeuge eines Herstellers deutlich senken. Für viele bedeutet dies, dass sie einen erheblich höheren Anteil an E-Fahrzeugen verkaufen müssen, um die Grenzwerte einzuhalten und empfindliche Strafen zu vermeiden.
Die EU-Vorgaben sind eng mit der Preisgestaltung verknüpft. Hersteller, die in der Vergangenheit hauptsächlich auf Verbrennerfahrzeuge gesetzt haben, müssen ihre Modellpalette rasch elektrifizieren. Dies tun sie allerdings nur so viel sie gerade eben müssen, nicht so viel wie sie könnten. Schließlich sind die Margen bisher bei den Verbrenner-Modellen immer noch höher. Die allermeisten Hersteller haben ihre Grenzwerte für 2024 bereits unterschritten und müssen somit keine Strafzahlungen fürchten. Daher sind auch keine Rabattaktionen oder attraktive Sondermodelle zu erwarten – der Preis bleibt für die Kunden relativ hoch.
Ausnahmen sind hier jedoch Ford und Volkswagen. Während Ford durch die Einführung der neuen Elektro-Modelle Explorer und Capri das fehlende letzte Gramm über den Markteinführungs-Hype dieser Fahrzeuge bis zum Jahresende erreichen könnte, leidet Volkswagen aktuell unter wiederkehrenden Hiobs-Botschaften, dass sich neue Modelle und Plattformen durch konzerninterne Probleme verschieben. Die fehlenden zwei Gramm in der Emissions-Statistik drohen VW teuer zu stehen zu kommen.
Verzögerte Auslieferungen als strategische Maßnahme
Volkswagen hat kürzlich den Listenpreis aller ID.3 Modelle um 3.570 Euro gesenkt und gewährt für bis Ende des Jahres geschlossene Kaufverträge nochmal weitere 3.570 Euro Kaufprämie. Damit sinkt der Einstiegspreis des ID.3 auf attraktive 29.760 Euro, streng nach dem Motto: Lieber Rabatte gewähren als Strafe zu zahlen.
Andere Hersteller erreichen durch die Verschiebung der Auslieferung von Elektroautos auf 2025, dass diese Fahrzeuge in ihre Flottenbilanz für das kommende Jahr einfließen. Ein Fahrzeug noch dieses Jahr auszuliefern wäre wertlos und würde bei den Emissionsberechnungen im kommenden Jahr fehlen. Immerhin müssen die Hersteller ihre Elektro-Verkäufe etwa verdoppeln!
Ausblick auf die Preisentwicklung
Für Verbraucher:innen wird die Preisentwicklung bei Elektroautos in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen. Einerseits könnten technologische Fortschritte und eine zunehmende Konkurrenz – zum Beispiel aus China – zu sinkenden Preisen führen. Vor allem kleinere, günstigere Modelle könnten in den kommenden Jahren stärker auf den Markt drängen, da die Hersteller bestrebt sind, auch im unteren Preissegment konkurrenzfähig zu sein.
Auf der anderen Seite dürften die strengen Emissionsvorgaben den Massenmarkt vor allem im volumenstarken Einstiegssegment anheizen. Das wird zu attraktiven Modellen, Ausstattungsvarianten und niedrigeren Preisen führen. Verbraucher:innen sollten sich auf ein dynamisches Marktumfeld einstellen, in dem sich Preise und Verfügbarkeiten rasch ändern können.
Konkret: Wer ohnehin mit einem VW ID.3 geliebäugelt hat, kann getrost zeitnah zuschlagen. Allen anderen sei nahe gelegt, bis 2025 mit dem Autokauf zu warten und darauf zu setzen, dass die Preise und Angebote attraktiver werden.
Der Artikel stammt aus der Ausgabe 24 des T&Emagazins, sie kann gegen Übernahme der Versandkosten angefordert werden.
Alle Ausgaben des T&Emagazins
Aus dem Inhalt der 24. Ausgabe:
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