Putins Krieg und unser Öl und Gas

Gastbeitrag von Prof. Dr. Volker Quaschning

Dr. Volker Quaschning ist Mitinitiator von Scientists for Future. Er ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.

Es ist wie in einem Albtraum, aber leider schreckliche Realität: Wir haben Krieg in Europa. Ein autokratisch geführter Staat überfällt sein Nachbarland mit völlig an den Haaren herbeigezogenen Begründungen und Anschuldigungen. Deutschland und alle anderen westlichen Länder reagieren betroffen und verkünden Solidarität mit der Ukraine. Dabei sind wir es, die diesen Krieg finanzieren, denn wir kaufen munter riesige Mengen an russischem Öl- und Gas. Es ist absurd: Der Krieg treibt die Gas- und Ölpreise weiter in die Höhe, wodurch zusätzliche Milliarden in die Kassen Russlands fließen. Die meisten Sanktionen wirken unter diesem Hintergrund eher niedlich. Wenn wir Putin wirklich richtig treffen und keine weiteren Kriege finanzieren wollen, dürfen wir kein Öl und Gas mehr aus Russland kaufen.

Wie abhängig sind wir eigentlich von russischem Öl und Gas? Wie schnell könnten wir die Importe drosseln oder laufen wir am Ende sogar Gefahr, dass Russland uns den Hahn abdreht und unsere Energieversorgung dadurch zusammenbricht? Diese Fragen klären wir heute in meinem Video.

Schauen wir uns erst einmal ein paar Zahlen und Fakten zu den deutschen Öl- und Gasimporten aus Russland an. Obwohl Deutschland Exportweltmeister ist, importieren wir aus Russland deutlich mehr als wir exportieren. Grund dafür ist unser ungebremster Hunger nach fossilen Energieträgern. 59 Prozent der Importe aus Russland entfallen auf Erdöl und Erdgas. Im Jahr 2021 haben wir dafür 19,4 Milliarden Euro an Russland gezahlt. Das deckt fast ein Drittel der offiziellen Militärausgaben Russlands. Mit jedem Liter Öl und jedem Kubikmeter Gas, die wir aus Russland einkaufen, finanzieren wir auch den Krieg in der Ukraine.

Wenn wir über harte Maßnahmen und Sanktionen reden, wäre es also mehr als konsequent, die Gas- und Öleinkäufe aus Russland zu stoppen. Doch geht das überhaupt?

Erdöl und Erdgas decken zusammen 58 Prozent des gesamten deutschen Primärenergieverbrauchs. Das ist richtig, richtig dämlich. Denn Deutschland hat praktisch keine eigenen Öl- und Gasvorkommen mehr und muss fast alles importieren. Und große Teile davon stammen aus Russland.

Etwa ein Drittel unseres Erdöls importieren wir aus Russland. Die Liste der anderen Förderländer weltweit ist lang. Insofern können wir uns durchaus andere Quellen suchen. Doch die müssen erst einmal ihre Produktion hochfahren. Russland liefert immerhin ein Achtel des gesamten weltweiten Erdölbedarfs.

Wenn viele Länder schlagartig zu anderen Lieferländern wechseln, würde das die Ölpreise massiv nach oben treiben. Seit Anfang 2021 haben sich die Ölpreise bereits verdoppelt. Direkt nach Kriegsbeginn waren sie so hoch wie zuletzt 2014. Andererseits haben wir auch schon höhere Ölpreise gesehen und unser Land hat das auch ganz gut überstanden. Der Preisanstieg wäre vermutlich auch nur vorübergehend, weil andere Länder ihre Produktion anpassen und damit die Preise wieder sinken würden.

Doch wir würden dann nur vom Regen in die Traufe kommen. Saudi Arabien, Syrien, Katar oder Kasachstan sind in Hinsicht auf die Menschenrechte auch keine echten Alternativen. Bleibt also nur, unseren Ölverbrauch so schnell wie möglich zu drosseln.

Das heißt dann aber: Weg mit dem Benzin- und Dieselauto, Weg mit der Ölheizung, viel weniger das Flugzeug nutzen und viel weniger Plastik verwenden. Wobei letzteres eh schon lange fällig wäre.

Alternativen wären Verkehrsvermeidung, mehr öffentlicher Verkehr, Elektroautos, elektrische Wärmepumpen, synthetische Treibstoffe für Flugzeuge und Kunststoffe auf Biomassebasis. Eine vollstände Umstellung wird dauern.

Doch wir müssen damit doch endlich mal anfangen. Warum darf man in Deutschland immer noch neue Autos mit Benzin- und Dieselmotor zulassen, die 20 Jahre lang das Klima ruinieren und zudem noch zu einem Drittel mit russischem Erdöl betankt werden?

Aber was wäre, wenn Putin den Spieß umdreht und als Rache für westliche Sanktionen seine gesamten Ölförderungen einstellt? Dann würden die Ölpreise empfindlich ansteigen. Russland wäre aber auch einen Großteil seiner Staatseinnahmen los. Früher oder später könnte Putin seine Armee nicht mehr bezahlen. Insofern ist das Szenario ziemlich unwahrscheinlich.

Noch wesentlich größer als beim Erdöl ist unsere Abhängigkeit beim Erdgas. Die Gasimporte aus Russland steigen seit 30 Jahren kontinuierlich an. Seit 1991 haben sie sich glatt verdoppelt. Im Jahr 2020 kam bereits mehr als die Hälfte unseres Erdgases aus Russland. Unser Erdgas stammt im Wesentlichen nur aus drei Ländern. Neben Russland beliefern uns noch Norwegen und die Niederlande.

Und anstatt auf mehrere Lieferländer zu setzen, haben wir uns immer weiter von Russland abhängig gemacht. Damit Deutschland erst gar nicht darüber nachdenkt, dass das keine gute Idee ist, haben russische Gasunternehmen unseren Ex-Bundeskanzler unter Vertrag genommen. Hauptziel war, über die neue Pipeline Nordstream2 durch die Ostsee noch mehr Gas von Russland an Deutschland zu liefern.

Angenehmer Nebeneffekt aus russischer Sicht: Gleichzeitig hätte man die Gaslieferungen durch die ukrainische Pipeline deutlich drosseln können und so weniger Transitgebühren an die verhasste Ukraine zahlen müssen. Naja, die Transitgebühren fallen nun wohl weg – Sarkasmus Ende.
Warum die Pipeline Nordstream2 auch noch unsere Klimaschutzziele torpediert hätte, haben wir ausführlich in unserem Buch „Energierevolution Jetzt!“ beschrieben.

Gerhard Schröder hat aus russischer Sicht offenbar exzellente Arbeit geleistet. Große Teil der SPD, aber auch der CDU hielten die Pipeline Nordstream2 bis zuletzt für eine exzellente Idee. Die SPD-geführte Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat sogar mit Steuergeldern eine eigene Landesstiftung gegründet, um bei der Fertigstellung der umstrittenen Pipeline zu helfen.

Da könnte man fast auf den Gedanken kommen, die Idee stamme direkt aus Russland. Und damit das nicht zu sehr auffällt, wurde versucht, die russische Einflussnahme auch noch zu verschleiern.

Inzwischen ist die Genehmigung der Pipeline gestoppt. Das heißt aber nicht, dass künftig automatisch weniger Gas aus Russland kommt. Auch die bestehenden Pipelines nach Russland haben noch freie Kapazitäten. Unsere anderen Lieferanten können uns hingegen wenig aus der selbstverschuldeten Falle befreien. Norwegen kann seine Förderkapazitäten kaum mehr ausweiten.

Die Niederlande wollen eigentlich dieses Jahr in der Region Groningen die Gasförderung kappen. In der Region haben sie die Gasförderung in der Vergangenheit nämlich übertrieben. Nun plagen häufige Erdbeben die Region und viele Häuser werden beschädigt oder gar zerstört. Die Bevölkerung will nur noch auch der Gasförderung raus.

Bestehende Verträge zwingen zwar momentan die Niederlande noch, uns Gas zu liefern. Doch das hilft uns nur kurze Zeit weiter und macht uns bei unseren Nachbarn nicht gerade beliebt. Die einzige kurzfristige Alternative zu russischem Erdgas wäre LNG. LNG steht für Liquid Natural Gas, also Flüssiggas, das über Schiffe aus anderen Ländern geliefert werden kann.

LNG ist in Deutschland aber umstritten. Es war lange Zeit wesentlich teurer als russisches Gas und ist zudem deutlich klimaschädlicher. Ein LNG-Terminal zum Anlanden von Flüssiggas gibt es darum in Deutschland derzeit nicht. Die Niederlande und Belgien verfügen aber über Terminals, von denen das Gas auch zu uns transportiert werden könnte.

Offen bleibt, ob es gelingen könnte, überhaupt ausreichend Gas über diesen Weg nach Deutschland zu schaffen und wie stark die Gaspreise dadurch ansteigen würden. Deutschland verfügt auch über zahlreiche gigantische unterirdische Gasspeicher. Diese könnten uns helfen, bei unregelmäßigen Lieferungen die Versorgung zu stabilisieren.

Dummerweise wurde 2015 etwa ein Viertel aller Speicher mit dem Segen der damaligen Bundesregierung an Russland verkauft. Und die russischen Unternehmen halten sich gerade mit dem Befüllen von Speichern aus unerfindlichen Gründen auffallend zurück.

Kann Deutsche Energiepolitik wirklich so dämlich sein? Ja. Sie kann.

Immerhin: Kürzlich hat die deutsche Politik stolz verkündet, Deutschland würde über diesen Winter kommen, auch wenn Russland den Gashahn zudreht. Nun gut, der Winter ist auch bald vorbei. Mit dem Gas wäre es dann aber wie bei Corona: Im nächsten Winter kommt es dann richtig dicke. Einen schnellen und sicheren Ausweg aus der Gasnummer gibt es für uns also nicht. Und das weiß Putin nur allzu gut. In der Gasfrage hat er alle Trümpfe in der Hand.

Was bleibt uns also übrig? Über die bescheuerte Situation jammern, in die wir uns gebracht haben? Putin nicht zu sehr ärgern, dass er uns am Ende nicht den Gashahn zudreht und weiter zähneknirschend das Scheckbuch zücken?

Hey Leute. Wacht mal auf. Irgendwann müssen wir aus dieser Nummer raus. Und zwar jetzt. Wir müssen in Deutschland jetzt die Weichen stellen, damit wir uns aus dem russischen Würgegriff befreien. Dafür müssen wir sofort aufhören, ständig neue Öl- und Gasheizung in unsere Häuser einzubauen. Erstens weil wir kaum eigenes Öl und Gas haben, zweitens, weil wir damit das Klima ruinieren und drittens, weil wir damit Russlands Krieg finanzieren.

Wo immer es technisch möglich ist, sollten wir auf die Wärmepumpe setzen. Die Wärmepumpe nutzt anstatt Erdgas zum Heizen Strom. Und das macht sie clever, indem sie Umgebungswärme mitbenutzt. So kann die Wärmepumpe aus einer Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Heizwärme erzeugen.

Der Strom in Deutschland stammt derzeit immerhin schon zu knapp der Hälfte aus erneuerbaren Energien, aber auch zu größeren Teilen aus klimaschädlicher Kohle und klimaschädlichem Erdgas. Der Anteil von Erdgas an der deutschen Stromerzeugung lag aber im Jahr 2021 gerade einmal bei 15 Prozent. Das ist also deutlich weniger als beim Verbrennen von Gas in der Gasheizung.

Jede Wärmepumpe, die eine Erdgasheizung ersetzt, sorgt also dafür, dass wir weniger Erdgas importieren müssen und auch weniger Treibhausgase verursachen. Wenn es die Bundesregierung mit ihren Solidaritätsbekundungen zur Ukraine ernst meint, muss sie einen sofortigen Einbaustopp für neue Öl- und Gasheizungen beschließen. In Dänemark hat man das schon 2013 gemacht. Mit der Konsequenz, dass dort kaum mehr Gasheizungen in Betrieb sind. Warum bekommen wir so was in Deutschland nicht gebacken?

Wenn wir uns vom Benzin- und Dieselauto sowie der Öl- und Gasheizung verabschieden, brauchen wir einen drastischen Ausbau der erneuerbaren Energien, weil wir sonst die Kohle- und Gaskraftwerke mehr auslasten müssten, was die Reduktion des Öl- und Gasverbrauchs zum Teil wieder auffrisst.

Eigentlich könnten wir beim Ausbau erneuerbarer Energien schon viel weiter sein. Doch die letzten Regierungen haben beim Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft die Bremsen angezogen.

Von 2012 bis 2015 wurde der Ausbau der Photovoltaik um 80 Prozent gedrosselt. Inzwischen zeigt der Trend wieder nach oben, aber die Werte von 2012 haben wir immer noch nicht erreicht. Putin wird es gefreut haben.

Noch dramatischer ist aktuell die Lage der Windkraft. Seit 2017 ist hier der Ausbau ebenfalls dramatisch eingebrochen und eine echte Trendwende ist anders als bei der Photovoltaik noch nicht wirklich in Sicht. Auch das spielt Putin in die Hände.

Wer den Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik in Deutschland blockiert, muss sich nicht wundern, dass wir immer mehr von Russland abhängig werden. Wir dürfen dann auch nicht jammern, wenn die Preise für Öl- und Gas explodieren.

Die neue Bundesregierung hat angekündigt, den Ausbau erneuerbarer Energien deutlich zu beschleunigen. Ankündigungen alleine reichen aber nicht. Jetzt muss endlich mal Tempo gemacht werden. Liebe Ampel: Kommt endlich mal in die Hufe!

Gut. Dann fassen wir mal zusammen: Noch können wir auf russisches Öl- und Gas nicht wirklich verzichten. Sollten die Lieferungen aus Russland komplett ausfallen, könnten wir das sicherlich eine Zeit lang über andere Lieferwege ausgleichen. Die Preise für Öl und Gas würden aber noch mal deutlich ansteigen und würden die Lieferungen dauerhaft ausbleiben, hätten wir vermutlich im nächsten Winter ein Problem.

Darum müssen wir uns so schnell wie möglich ganz von Erdöl und Erdgas verabschieden. Stoppen wir jetzt die Neuzulassungen von Verbrennerautos und den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen. Außerdem müssen wir beim Ausbau der Photovoltaik und der Windkraft den Turbo zünden. Dann werden wir in sehr wenigen Jahren schon ganz ohne russisches Öl- und Gas auskommen und in 10 bis 15 Jahren eine Energieversorgung ganz ohne klimaschädliches Erdöl, Erdgas und Kohle haben.

Was wir auf diesem Weg noch alles beachten müssen, könnt Ihr in dem Buch Energierevolution JETZT! von meiner Frau Cornelia und mir nachlesen.

Überlegt doch auch mal, was ihr dazu beitragen könnt, damit wir weniger Öl und Gas benötigen. Bevor Ihr das macht, lasst einfach noch mal ein Abo hier und liked das Video.

Ich muss jetzt los, ein Bahnticket für die nächste Dienstreise buchen, dann will ich schauen, ob meine Solaranalage die Elektroautobatterie schon vollgeladen hat und dann setze ich mich gemütlich in warme Stube, die bei uns natürlich ohne Öl und Gas beheizt wird.

 

Quellen:

Sachbuch “Energierevolution Jetzt!” von Volker und Cornelia Quaschning
https://www.volker-quaschning.de/publis/energierevolution/index.php

Destatis: Fakten zum Außenhandel mit Russland
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/02/PD22_N010_51.html

AGEB:
https://ag-energiebilanzen.de/

BMWi Energiedaten:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Binaer/Energiedaten/energiedaten-gesamt-xls.html

Schwesigs Russland-Geheimnis
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_91506762/schwesig-hat-ein-nord-stream-2-geheimnis-und-traf-sich-mit-schroeder.html

Nord Stream 2: Landesregierung verschleiert Putins und Gazproms Einfluss auf „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“
https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/nord-stream-2-landesregierung-verschleiert-putins-und-gazproms-einfluss-auf-stiftung-klima-und-um/

Niederländer kappen Gasförderung – Deutschland direkt betroffen
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/versorgungssicherheit-niederlaender-kappen-gasfoerderung-deutschland-direkt-betroffen/25000976.html?ticket=ST-2283590-dtEho5dypPvHbDl1jtsg-ap4

BASF verkauft alle deutschen Gasspeicher an Russen
https://www.welt.de/wirtschaft/energie/article146029254/BASF-verkauft-alle-deutschen-Gasspeicher-an-Russen.html

 


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