“Wettbewerb intensiver, Spielräume enger”

ERFAHRUNGEN MIT DEM CHINESISCHEN MARKT

Für einen Interview in der Ausgabe 28 des T&Emagazins sprach Christoph Reichelt mit Professor Dr. Fabian Hänle. Dieser hat in Taicang in der Nähe von Shanghai in China 10 Jahre lang als CEO den Aufbau eines Deutschen “Hidden Champions” für Räder und Rollen geleitet – von der grünen Wiese bis zu einem der Marktführer in China. Die Gründung erfolgte zunächst in einem kleinen Büro eines anderen Deutschen Mittelständlers. Schritt für Schritt entstand daraus eine landesweite Organisation – mit eigenem Neubau, wachsendem Team und einem tiefen Verständnis des Chinesischen Marktes.

 An dieser Stelle veröffentlichen wir einen Teil des Interviews für unsere online Leser, der vollständige Beitrag findet sich in der aktuellen Ausgabe 28 des T&Emagazins.

Christoph Reichelt: Für viele war China am Anfang nur eine Sourcing-quelle. Anders bei Ihnen. Sie sahen es auch als Verkaufsmarkt, richtig ?

Prof. Dr. Fabian Hänle: Ja, unser Ziel war von Beginn an der Absatzmarkt China – mit Produkten Made in Germany. Diese lagen preislich deutlich über lokalen Wettbewerbsprodukten, teils beim Drei- bis Vierfachen. Die zentrale Frage war daher: Wie schaffen wir Marktzugang? Das hat uns die ersten ein bis zwei Jahre intensiv beschäftigt. Grundsätzlich gilt: Für hochwertige deutsche Industrieprodukte gibt es auch in China einen Markt – man muss nur präzise verstehen, wo die Nische liegt und wie man sie erreicht.

C.R.: Tatsächlich.

F.H.: Ja, genau. Zudem habe ich in den ersten Jahren in China zusätzlich Mandarin gelernt – anfangs aus reiner Notwendigkeit, weil ich ja auch den Chinesen erklären musste, warum die Rolle dreimal so viel wie lokale Produkte kostet (lacht). Aber natürlich gab es auch klar ein persönliches Interesse an Kultur, Land und Leuten. Da habe ich dann gemerkt, dass die Sprache letztendlich der Schlüssel zu der Kultur und somit zu den Menschen ist.

C.R.: Weil es die Menschen sind, die die Entscheidungen treffen.

F.H.: Ganz genau – und es geht dabei nicht nur um Kunden. Entscheidend ist, auch die eigenen Mitarbeiter und Teams wirklich zu verstehen. Oft sagen westliche Manager etwas – und am Ende entsteht trotzdem ein anderes Ergebnis. Diese kulturelle Differenz zu erkennen und Brücken zu bauen, war entscheidend für unseren Erfolg.

C.R.: Verstehe. Und wie ging es dann weiter?

F.H.: Als das Unternehmen 2021 vollständig aufgebaut und sich zu einem der Marktführer in China entwickelt hatte – mit SAP-System, lokaler Montage und einem eigenständigen Management-Team – war meine Mission erfüllt. Ich bin nach Deutschland zurückgekehrt, habe meine nebenberufliche Promotion über Innovation und Internationalisierung im Mittelstand zwischen Deutschland und China abgeschlossen, eine eigene China-Beratung gegründet und mein erstes Buch Wirtschaftserwachen veröffentlicht. Seit 2024 lehre ich zudem als Professor an der Antwerp Management School. In dieser Zeit habe ich auch unser heutiges Unternehmen kennengelernt, das ich zunächst beratend begleitet habe, bevor ich im vergangenen Jahr eingestiegen bin.

Roewe eRX5: https://de.wikipedia.org/wiki/Roewe_RX5

C.R.: Kommen wir mal zu unserem Spezialthema für das T&E Magazin. Mir geht es in erster Linie darum, wie China das Thema Elektromobilität nutzt, um in der Autoindustrie eine führende Rolle zu übernehmen. Das ist jetzt kein Mittelstandsthema, aber indirekt betrifft es uns ja dann doch. In der taz gab es einen Artikel, wo ein Sohn von einem Mitarbeiter von Volkswagen berichtet, wie Volkswagen am Anfang mit der FAW dort eigentlich mehr oder weniger ein Monopol aufgebaut hat – ich meine, früher war das ja so, dass jedes Taxi in China ein Volkswagen war – und wie man jetzt beobachten muss, wie ihnen die Felle davonschwimmen, weil der Markt sich so brutal schnell in eine unerwartete Richtung entwickelt.

Man hat ja viele Jahre über die chinesische Autoindustrie gelacht bzw. hat gesagt, die hat für den Weltmarkt keine Relevanz, denn die Chinesen wollen erstmal ihren eigenen Markt sättigen und dazu brauchen sie keine gute Qualität, und deswegen bauen sie keine exportierbaren Autos und alles easy.

Und dann kam das Thema Elektromobilität, und in dem Moment hat sich da was bewegt, habe ich den Eindruck. Die haben das als Hebel verwendet, um in der Autoindustrie eine führende Rolle zu übernehmen, so mein Eindruck.

F.H.: Ja, absolut. Elektromobilität war für China der strategische Wendepunkt. Während westliche Hersteller lange an bestehenden Strukturen und Technologien festhielten, hat China die Chance genutzt, mit neuen Technologien gleichzuziehen – und in manchen Bereichen zu überholen. Die Regierung hat das Thema früh als industriepolitisches Zukunftsfeld erkannt und massiv gefördert – mit klarer Strategie, lokaler Wertschöpfung und einem Fokus auf Geschwindigkeit. Das hat ein Ökosystem geschaffen, in dem Innovation, staatliche Steuerung und Unternehmertum sehr eng verzahnt sind.

C.R.: Was ich besonders markant fand, war bei meinem Besuch 2023 die unglaubliche Fülle von Marken und Modellen, die man bei uns zum großen Teil gar nicht kennt. Und damals war das schon so, dass es hieß: „Ja, es werden relativ viele von diesen Firmen pleite gehen und es bleiben dann halt ein paar übrig.“ Mein Eindruck ist eben, dass das eine regelrechte Strategie in China ist.

Wie sehen Sie das: Ist das so, wenn ein neues Produkt oder ein neuer Markt erschlossen wird, da wird dann erst mal mit der Schrotflinte ausprobiert, was alles geht? Man fördert Innovatoren. Man fördert Leute, die Unternehmen gründen, die initiativ sind und schaut, wer überlebt. Auf die Weise bleibt dann eine Essenz übrig von Unternehmen, die das Richtige getan haben und die richtigen Produkte haben. Ist das eine typische Strategie?

F.H.: Ja, das ist tatsächlich Teil des chinesischen Innovationsansatzes. In China wird bei neuen Technologien und Märkten zunächst oft eine bewusst breite Experimentierfläche geschaffen – nach dem Prinzip: viele Ideen, hohe Geschwindigkeit, schneller Erkenntnisgewinn. Regierung und Kapitalmarkt investieren parallel, sobald Potenzial sichtbar wird.

Das Entscheidende ist die Mentalität: Während wir in Europa oft lange analysieren, bevor wir handeln, starten chinesische Unternehmer einfach – sie scheitern mehrfach, lernen rasch und stehen beim fünften Versuch erfolgreich da. Diese Fehlerakzeptanz, kombiniert mit Marktgröße und politischer Förderung, hat die Dynamik in der Elektromobilität erst ermöglicht.

Zeekr 001: https://www.zeekr.eu/de-de/models/001

Schon 2017 bis 2019 war vor Ort klar, wohin die Entwicklung geht. In meinem Buch Wirtschaftserwachen schildere ich ein Beispiel: Beim CEO-Gipfel 2019 in Shanghai – zu dem Präsident Macron eingeladen hatte – war spürbar, dass viele europäische Entscheidungsträger die Tiefe des chinesischen Wandels kaum erkannten. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem deutschen Bundesminister an dem Abend, bei dem mir deutlich wurde, wie unterschiedlich die Perspektiven waren.

Meine Einschätzung damals war: Die größten Fehler entstehen im Erfolg. Wir müssen unsere Selbstzufriedenheit ablegen, sonst werden wir überholt. Heute, 2025, sehen wir genau das: China hat den Wandel zur global führenden Automobilnation vollzogen – und wir sind gut beraten, von dieser Lernkultur zu profitieren.

C.R.: Welche Rolle spielt der chinesische Staat bei solchen Innovationsthemen? Ich habe verstanden, dass da ein sehr investitionsfreundliches Klima geschaffen wird. Aber wie machen die das? Und was bedeutet das für den einzelnen Unternehmer? Wie funktioniert das?

F.H.: Der Staat spielt da schon eine sehr große Rolle, indem er sozusagen die grundsätzlichen Weichen stellt, sprich: Der Umschwung von Verbrenner auf Elektromotor wurde auch vom Staat eingeleitet.

C.R.: Ja, durch diese Zulassungsthematik.

F.H.: Ja, die Zulassungspolitik ist letztlich nur ein sichtbares Instrument. Die entscheidenden Weichenstellungen erfolgten viel früher – in Peking, im Regierungsviertel Zhōngnánhǎi, wo die höchsten Parteifunktionäre strategische Entscheidungen treffen. Diese Prozesse laufen fernab öffentlicher Diskussionen, aber sie sind hochkompetent vorbereitet. Viele Minister in China sind selbst Fachleute – Ingenieure, Wissenschaftler oder Ökonomen – und verstehen ihre Materie im Detail. Entsprechend präzise und langfristig werden Entscheidungen getroffen.

Die Automobilindustrie ist ein gutes Beispiel: Als klar wurde, dass der Verbrenner langfristig keine Zukunft hat, wurde der Umstieg auf Elektromobilität als nationale Priorität definiert. Daraus entstand ein ganzheitlicher Masterplan – von der Ladeinfrastruktur über Batterietechnologie bis hin zur Energieversorgung und Verbraucherförderung. Ziel war nie, nur das Auto neu zu denken, sondern die gesamte Wertschöpfungskette.

Diese Langfristlogik unterscheidet China fundamental von Europa. Während hier politische Zyklen alle zwei bis vier Jahre Denkpausen erzwingen, denkt China in Dekaden. Unternehmen wie BYD oder CATL profitieren dadurch von enormer Planungssicherheit: Sie wissen, dass der politische Kurs stabil bleibt.

Natürlich scheitern viele Start-ups auf dem Weg – aber das ist einkalkuliert. Diese „gelenkte Breite“ ist Teil der Innovationsstrategie: Viele dürfen starten, wenige bleiben übrig. Entscheidend ist, dass die Besten sich durchsetzen. So entsteht Dynamik – und am Ende Wettbewerbsfähigkeit.

C.R.: Das ist praktisch eine Mischung zwischen Steuerung, Verlässlichkeit und einem Wettbewerb im Sinne eines Spielfeldes, wo man sich in einem gesetzten Rahmen relativ frei bewegen kann. So könnte man das darstellen, oder?

F.H.: Genau. Es ist ein Zusammenspiel aus strategischer Steuerung, Verlässlichkeit und marktwirtschaftlicher Dynamik – mit langfristigem Planungshorizont und klarer Gesamtstrategie. Entscheidend ist das ganzheitliche Denken: Wenn China auf Elektromobilität setzt, dann sorgt man gleichzeitig dafür, dass Batterieproduktion, Ladeinfrastruktur und Energieversorgung funktionieren.
Nur wenn alle Elemente ineinandergreifen, entsteht ein stabiles System. Dieses Zusammenspiel wird nicht dem Zufall überlassen – und genau das ist der Grund, warum China in so kurzer Zeit die gesamte Wertschöpfungskette erfolgreich aufbauen konnte.

C.R.: Also man kann es praktisch entweder als Staat machen, dass man seine unterschiedlichen Ressourcen so fördert, dass man am Ende ein komplettes System hat. Oder man muss es so machen wie Tesla, die alles vertikal integrieren, die von der Rohstofferschließung bis zur Auslieferung alles in ihren eigenen Händen haben und nicht darauf angewiesen sind, dass sie verlässliche Rahmenbedingungen haben.

F.H.: Genau. China verfolgt im Prinzip ein staatlich orchestriertes Pendant zu Teslas vertikaler Integration. Während Tesla alles selbst kontrolliert, schafft China durch gezielte Steuerung, Förderung und Regulierung ein vernetztes System unabhängiger, aber strategisch abgestimmter Akteure.
Das Ergebnis ist ähnlich: hohe Geschwindigkeit, Innovationskraft und Stabilität – nur entsteht sie dort nicht durch ein einzelnes Unternehmen, sondern durch ein gesamtes industrielles Ökosystem.

C.R.: Was mich jetzt noch interessieren würde: Wir haben jetzt bei uns gerade… Man könnte, glaube ich, von einer Wirtschaftskrise sprechen.

F.H.: …volle Rezession.

C.R.: Die Autoindustrie ist natürlich massiv davon betroffen, auch davon, dass China immer stärker wird. Mich interessiert mal, wie schätzen Sie die Mentalität ein? Worum geht es denen: Zerstören, dominieren oder erweitern der Märkte – wenn man das auf der internationalen Ebene anschaut? Mein Eindruck ist, dass den Chinesen nicht am Zerstören gelegen ist, sondern einfach daran, dass sie ihren Anteil an den Märkten bekommen. Möglichst groß, aber nicht im Sinne einer aggressiven Art. Würden Sie das so einschätzen oder gibt es da einen anderen Blick?

F.H.: Ja, das ist eine sehr spannende Frage, weil es gleichzeitig auch die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen einerseits Europa plus USA und andererseits China zeigt. In der Tat, in den Medien wird ja teils geschrieben: Chinas Regierung will Deutschlands Mittelstand zerstören und die Automobilindustrie abbauen.

C.R.: Darauf spiele ich an.

F.H.: Wenn man mal die deutsche Brille ablegt und wirklich ganz nach oben in die Vogelperspektive geht, dann stellt man fest: Spannend – sobald ein anderes Land in einem technologischen Bereich besser wird als wir und dadurch weltweit Marktanteile gewinnt, heißt es in Teilen von Politik oder Medien – zum Glück nicht bei allen –: Die wollen Deutschland oder dem Westen schaden.

Gleichzeitig sprechen wir seit 70 Jahren, wenn deutsche Weltmarktführer weltweit expandieren, stolz vom Erobern der Weltmärkte. Dieses Wording ist bei uns positiv besetzt – besonders bei den Hidden Champions, auf die wir mit Recht stolz sind. Wenn aber chinesische Unternehmen das Gleiche tun, wird davon gesprochen, Peking wolle den deutschen Mittelstand zerstören.

XPENG P7: https://www.xpeng.com/de/p7

Soweit ich China, die Wirtschaft und die politischen Akteure dort einschätzen kann – bis hin zu Gesprächen mit Ministern – konnte ich keine Anzeichen erkennen, dass es darum ginge, anderen zu schaden. Vielmehr geht es um die zentrale Frage: Was können wir tun, um unser Land voranzubringen? Genau das ist ja auch die Aufgabe von Politik, an die wir uns in Deutschland wieder mehr erinnern sollten.

Aber natürlich gilt ebenso: China muss seine Märkte weiter öffnen und faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.

C.R.: Dass Dinge gedeihen.

F.H.: …dass die Wirtschaft gedeiht, dass das Land gedeiht. Und dafür wollen sie natürlich technologisch besser werden – und sie lernen von uns, wo immer sie können. Dieses „Besserwerden-Wollen“ ist der zentrale Antrieb.

Im Verbrennerbereich hat China irgendwann erkannt: Wir lernen zwar, aber wir werden die etablierten Hersteller kaum einholen – dafür sind die Marktstrukturen zu stark. Also hat man sich gefragt: Wo können wir neu ansetzen, wo können wir selbst die Spielregeln mitgestalten? Und das war die Elektromobilität.

Das ist im Grunde völlig rationales, wettbewerbliches Denken – kein Angriff, sondern ein strategischer Perspektivwechsel. Genauso, wie auch wir in Deutschland oder Europa sagen würden: Wenn wir in einem Bereich nicht mehr führend sind, suchen wir neue Felder, in denen wir besser werden können. Wettbewerb fördert Innovation – das gilt in China genauso wie bei uns.

C.R.: Was heißt das jetzt für uns? Die Leser vom T&E Magazin sind teilweise Kleinunternehmer, Mittelständler oder auch leitende Angestellte – alles Leute, die sich jetzt Gedanken darüber machen, wie sie in Zukunft ihre Brötchen verdienen können, und was sie mit den unglücklichen Verhältnissen in der Autoindustrie anstellen können. Wie können wir mit dieser Situation, die wir jetzt gerade haben, umgehen?

F.H.: In Bezug auf China kann ich jedem nur empfehlen, sich proaktiv mit dem Land zu beschäftigen. Das heißt nicht, dass man sofort dort investieren muss – aber man sollte verstehen, was dort passiert. Denn wer sich mit China beschäftigt, beschäftigt sich automatisch mit den Innovationen von morgen.

Gerade für den Mittelstand ist das entscheidend. Viele unserer „Hidden Champions“ sind Weltmarktführer, weil sie in einer Nische besser sind als andere – nicht, weil sie günstiger sind. Wir werden in Deutschland nie die billigsten sein, also müssen wir die intelligentesten, kreativsten und verlässlichsten bleiben.

Deshalb geht es jetzt darum, sich zu fragen: Was geschieht in China, was wird dort erfunden oder entwickelt – und wie könnte das meine Branche, mein Produkt oder meinen Markt beeinflussen? Wer diese Fragen früh stellt, sichert sein Unternehmen ab.

Ich selbst habe keine Angst vor chinesischen Subventionen oder günstigeren Preisen. Denn wenn ein deutsches Unternehmen seine Stärken kennt – Qualität, Präzision, Vertrauen, Ingenieursgeist – dann kann es selbstbewusst sagen: Wir sind vielleicht nicht die günstigsten, aber wir sind die besseren Partner – und gerne erkläre ich Ihnen warum. Und genau das müssen wir wieder stärker nach außen tragen.

C.R.: Das ist ja das, was Sie bei dem Räderspezialisten getan haben.

F.H.: Genau. Und genau so argumentieren wir auch heute – über Value Added, über echten Mehrwert. Wir werden im Vergleich zu China und später Indien immer einen höheren Preis haben, aber wir können ihn erklären. Das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft entsteht dann, wenn wir diesen Mehrwert nicht mehr erklären können, weil er schlicht nicht mehr vorhanden ist. Dann wird es eng – sehr eng.

Die entscheidende Frage lautet also: Wie verhindern wir, dass es überhaupt so weit kommt?
Indem wir uns frühzeitig mit Entwicklungen in China befassen – nicht reaktiv, sondern vorausschauend. Was heute dort passiert, kann morgen weltweiter Standard sein. Neue Wettbewerber, neue Technologien oder neue Denkansätze: All das kann unser eigenes Geschäftsmodell verändern – oder inspirieren.

Im Buch Wirtschaftserwachen zitiere ich ein Gespräch mit Stephan Mayer, Vorstand bei TRUMPF. Wir haben dort über einen einfachen, aber wirkungsvollen Mechanismus gesprochen: Jede Tochtergesellschaft oder Landesorganisation sollte halbjährlich ihre drei wichtigsten Markt- oder Technologietrends an die Zentrale melden. Diese werden auf Geschäftsführungsebene bewertet. So bleibt man nah am Puls der globalen Innovation – und kann reagieren, bevor andere überhaupt bemerken, dass sich etwas verändert.

C.R.: Aber da denken Sie jetzt nicht so sehr an China als Markt, sondern eher als „Weltmarkt-Steuerer“ oder „-Pusher.“

F.H.: …als Innovationsland, genau. Viele Innovationen, die heute in China entwickelt werden, sind der Standard der Welt von morgen.

Der zweite Aspekt ist noch – für die Firmen, die etwas größer werden und die auch global vernetzt sind, kundenseitig, absatzmäßig, denen würde ich schon raten, sich China genauer anzuschauen.

C.R.: Auch als Markt…

F.H.: … …auch als Absatzmarkt, ja – selbst jetzt, wo die wirtschaftliche Lage in China anspruchsvoller geworden ist. Der Wettbewerb ist intensiver, die Spielräume enger. Aber der Markt ist noch immer sehr groß.

Zudem sind viele westliche Unternehmen – gerade größere Mittelständler – heute nicht mehr dort, um günstig zu produzieren oder einzukaufen, sondern weil sie sagen: China ist unser Fitnessstudio. Dort lernt man Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft.
Wer sich dort behauptet, wird automatisch besser. Deshalb richten immer mehr Unternehmen bewusst Forschungs- und Entwicklungszentren in China ein – nicht aus Kostengründen, sondern um Teil dieses Innovationsökosystems zu sein.

C.R.: Also: Europäische oder deutsche Unternehmen lagern sich dorthin aus, um in dieser Atmosphäre sozusagen Tempo zu gewinnen und Innovation zu betreiben.

F.H.: Genau. Und auch für Mittelständler ohne eigene Präsenz in China gilt: Man kann sofort anfangen. Eine Reise dorthin, Gespräche mit Wettbewerbern, Kundenbesuche, Marktbeobachtung – all das ist möglich, ohne gleich zu investieren. Wer das regelmäßig tut, versteht sehr schnell, wo die Dynamik entsteht.

Für größere Unternehmen, die noch nicht in China aktiv sind, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich stärker zu engagieren. Viele führende Player – ZF, BMW und andere – haben diesen Wandel längst vollzogen. China war zunächst Beschaffungsmarkt, dann Produktionsstandort, danach Absatzmarkt. Jetzt erleben wir die vierte Welle: China als Innovationsmarkt.
Ein Ökosystem, das herausfordert, inspiriert und enorm kreativ ist. Wer sich dort einbettet, profitiert – nicht nur von den Kosten, sondern vom Tempo, vom Denken, vom Mut zur Umsetzung.

Und es gibt noch einen zweiten Aspekt: den vertrieblichen Zugang. Wer in China erfolgreich ist, hat eine ganz andere Gesprächsebene mit chinesischen Herstellern – auch in Europa. Ein Beispiel: BYD produziert in Ungarn. Viele deutsche Zulieferer hoffen, dort hineinzukommen. Aber ohne China-Erfahrung, ohne lokale Referenzen, wird das schwer. Wer schon vor Ort verstanden hat, wie diese Unternehmen denken und entscheiden, hat einen echten Wettbewerbsvorteil.

BYD Han: https://www.byd.com/at/car/han

C.R.: Weil BYD sein ganzes Netzwerk schon mitgebracht hat.

F.H.: Exakt. Und die entscheidende Frage ist: Wann setzt man an?
Wer erst jetzt zu BYD oder anderen großen chinesischen OEMs geht, kommt in der Regel zu spät. Der richtige Zeitpunkt ist früher – in China selbst. Wer dort präsent ist, wer bereits im Headquarter bekannt ist, Lieferantennummer und Ansprechpartner hat, dem öffnen sich später auch international Türen. Das Vertrauen wird dort aufgebaut, nicht erst in Europa.

Deshalb ist China auch als Absatzmarkt über die Landesgrenzen hinaus relevant.
Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Bei unserem Räderspezialisten haben wir in China für einen europäischen Reifenhersteller Antriebsräder für die Automatisierung geliefert – direkt in dessen lokale Produktion. Dieses Werk galt im Konzern weltweit als Benchmark.
Als der Hersteller später in den USA ein neues Werk aufbaute, orientierte er sich am erfolgreichen China-Standort – inklusive unserer Produkte. So konnten wir mehrere Großaufträge in den USA gewinnen, weil wir in China erfolgreich waren.

Darum sage ich immer: China zu denken heißt, über China hinauszudenken – sowohl bei Innovation als auch bei Absatz.

C.R.: Tesla hat das erste große Werk für ein Massenprodukt, das Model 3, in Shanghai gebaut. Und es belegt, was Sie sagen, der Werksleiter aus Shanghai wurde dann nach Deutschland geholt, als Grünheide aufgebaut wurde. Man hat praktisch den Know-How-Transfer – wie er früher immer war – umgedreht. Tesla sourced lokal, aber das Know-How wird auf jeden Fall mit rübergeholt.

Mich würde jetzt noch interessieren: Tesla ist in China ein Statussymbol. Können Sie spontan erklären, warum das so ist? Früher haben die Chinesen, die es sich leisten konnten, Porsche, Mercedes, BMW gekauft (Audi nicht mehr so), jetzt hat Tesla diese Rolle übernommen. Gibt es da immer noch den Nimbus der „nicht-chinesischen“ Marke? Dass man es schon cool findet, wenn man kein chinesisches Produkt hat? Oder ist das ein Asset, das relativ schnell wieder verloren gehen wird?

F.H.: Tesla…… an dieser Stelle ein Cut, wenn Sie Prof. Dr. Fabian Hänles Bewertung der aktuellen Situation bezüglich Tesla in China lesen wollen dann kann an dieser Stelle das aktuelle T&Emagazin 28, welches diesen Spannenden Beitrag und vieles mehr enthält in Wunschmenge gegen Übernahme der Porto- und Versandkosten bestellt werden.


Und das sind die Themen der Ausgabe:  

  • Editorial Wir sind nicht mehr allein.
  • Zahlen und Einschätzungen des Veranstalters der elektrischen COMMUNITY
  • Neues aus der Tesla Welt
  • Die Herausgeber: Tesla Fahrer und Freunde e.V.
  • Die Herausgeber: Fusion der Schweizer Tesla Clubs
  • Schweizer Tesla Owners in Südostasien
  • Cybertruck-Roadtrip durch USA & Canada
  • Impressionen von den Bereichen der elektrischen COMMUNITY 2025
  • Bei Besucherzahlen verkalkuliert: Es geht jetzt um die Wurst
  •  Beschenke Dich doch einfach mal (oder zur Not auch wen anders)
  • Diskussionsprogramm 2025 auf YouTube
  • elektrische COMMUNITY auch 2026 in Fulda
  • Strombock: E-Mobilität in der Mietwohnung: Laden ohne Wallbox-Chaos
  • Aktuelle und kommende E-Fahrzeuge im einfach elektrisch Test
  • Strom aus der Landwirtschaft – Flächen-Doppelnutzung
  • Wie Maschinen lernen zu sehen & zu entscheiden – Künstliche neuronale netze
  • Kommentar zur KI: „Wir sind nicht mehr allein.“
  • Erfahrungen mit dem chinesischen Markt: „Wettbewerb intensiver, Spielräume enger“
  • Fanboy Kolumne von Gabor Reiter: Model Y Standard – günstig statt billig

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