Die schwierige Verteidigung

des Elektroautos gegen seine vorgeblichen Befürworter

In den letzten JahreN ist hinsichtlich Elektromobilität und erneuerbaren Energieformen eine Situation entstanden, die beispiellos sein dürfte: Selten zuvor war der Diskurs über eine prinzipiell technische Frage so stark ideologisiert und radikalisiert. Und selten zuvor war die individuelle Meinung über eine technologische Frage so stark vom jeweiligen politischen Standort beeinflusst wie bei diesem Thema.

Dabei gibt es Irrtümer, Fehlinterpretationen und auch berechtigte Kritik beider Seiten, der ausdrücklichen Befürworter und der entschiedenen Gegner der Elektromobilität, bezüglich der jeweiligen Gegenseite. Es ist im Laufe der Zeit eine schematische, eindimensionale Diskussion entstanden, in der die Aussagen beider Seiten – und das ist das bemerkenswerte – einer breiten Akzeptanz der E-Mobilität im Wege stehen.

Menschen, die auch in den sozialen Medien unterwegs sind, kennen sicher jene Posts, die Bilder von artisanalem Bergbau (Kleinbergbau mit einfachen Mitteln) im Kongo zeigen, darunter Kommentare wie: „Danke, ihr Grünen, wegen eures guten Gewissens müssen die Kinder im Kongo leiden.“ (Meistens weniger präzis formuliert.) Interessant ist nicht so sehr, dass dieser Kurzschluss falsch ist, sondern wie viele unausgesprochene Annahmen zu seiner Entstehung beitragen müssen:

Erstens die Annahme, dass Kobalt immer artisanal abgebaut werde (in Wirklichkeit sind es unter 20 % des im Kongo abgebauten Kobalt, der wiederum nur knapp 40% zur Weltfördermenge beiträgt).

Zweitens die Annahme, dass E-Mobilität automatisch zu einer größeren Nachfrage nach artisanal abgebautem Kobalt aus dem Kongo führen würde (zumindest bei Tesla kann das ausgeschlossen werden, siehe Conflict Minerals Report). Zusätzlich wird noch verschwiegen oder vergessen, das Kobalt zu über 50% in anderen Anwendungen als Akkus zum Einsatz kommt.

Drittens die Annahme, dass die Partei der Grünen tatsächlich einen aktiven Beitrag zur Verbreitung der E-Mobilität leisten will und leistet (im Grundsatzprogramm der Grünen wird auf über hundert Seiten Elektromobilität nicht ein einziges Mal erwähnt, aber es gibt ein klares Votum zur Verlagerung des Verkehrs von der Straße weg).

Wenn man derartige Posts sieht, weiß man also, dass sie falsch sind, aber die Schwierigkeit, die Brüchigkeit der Logikkette schnell zu analysieren und die Aussage spontan eindeutig zu widerlegen, lässt einen hilflos und ein bisschen verzweifelt zurück.

Leider gilt das auch für die andere Seite. Die Argumentation „pro Elektroauto“ hat sich erheblich verengt: Es geht in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch um den so bezeichneten Klimaschutz durch Emissionsreduktion, und hier ausschließlich um die Verringerung der CO2-Freisetzung. Diese Verengung des Diskursraumes geht einher mit einer starken Zuspitzung der Diskursbeiträge. Unter den zahllosen alarmistischen Stimmen finden sich namhafte, die bizarre Zahlen wie den „Anstieg des Meeresspiegels um 60 bis 70 Meter” durch den menschgemachten Klimawandel in die Diskussion einbringen. Derartige Worst Case-Szenarien beruhen auf extremen Modellierungen, die wiederum auf Annahmen beruhen, für die es aber einen wissenschaftlichen Konsens gar nicht gibt. Wer mit solchen Zahlen kontextlos operiert, erweist auch der „Sache“ einen Bärendienst. Denn akzeptiert werden solche Horrorszenarien nur von denjenigen, die ohnehin schon an Bord der MS „Klimarettung“ angeheuert haben und alles andere hinter sich gelassen haben. Wer aber eher skeptisch gegenüber jeder Art von Kampagne ist und es genauer wissen will, wird genau dadurch – auch und gerade bei einer grundsätzlich positiven Einstellung gegenüber dem Projekt und sogar aktiver Mitwirkung daran – abgeschreckt und zu Widerspruch provoziert.

Noch fataler ist die Wirkung solcher Darstellungen natürlich auf die von der E-Mobilität noch nicht Begeisterten, Menschen also, die sich vielleicht mit einem Rest mentaler Flexibilität durch gute technische, ökonomische und auch ökologische Argumente – und durch eigene Erfahrungen – zu einem Verhaltenswechsel motivieren lassen würden.

Sie werden durch derartige Holzhammer-Bilder erst mal vollkommen aus dem Diskurs gekickt und sind bis auf Weiteres nicht mehr für Input aus der Richtung der „Klimaargumentaion“ zugänglich.

Das Ganze wird auf diese Weise immer mehr ideologisch, in dem Sinn, dass Argumenten weniger Wert beigemessen wird; an ihre Stelle treten Parolen, Übertreibungen, Verkürzungen und Mythen. Und das führt zu einer immer stärkeren Spaltung und Verhärtung zwischen den Meinungsclustern. Ein Verhandeln darüber, was richtig und wichtig wäre, wird nicht mehr zugelassen. Doch nur so, durch Verhandeln, den Austausch von Argumenten, das ständige Hinterfragen des eigenen Standpunktes, entsteht Erkenntnis, entsteht Verständnis und schließlich Begeisterung, entsteht am Ende bewusstes, selbstmotiviertes Handeln des Individuums.

„First Principle Thinking” ist eine Art zu denken und zu entscheiden, die auf grundlegenden physikalischen und chemischen Prinzipien basiert. Dabei wird das Problem in elementare, möglichst stabile, d.h. unveränderliche (und nicht fragliche) Teilprobleme zerlegt, und die Lösung wird durch die direkte und möglichst einfache Lösung dieser Teilprobleme erarbeitet.

Wenn sich dabei neue Probleme zeigen, wird auf dieselbe Weise untersucht, ob und wie diese lösbar sind. Dabei spielen weltanschauliche oder ideologische Faktoren keine entscheidende Rolle. Bekanntermaßen wird diese Denk- und Arbeitsweise von Elon Musk befürwortet und in seinen Unternehmen angewandt. Sie führt regelmäßig zu erstaunlichen Ergebnissen. Die Entwicklung von Tesla von der Bastelbude zum profitablen Milliardenunternehmen ist zusammen mit dem Aufstieg von SpaceX das sichtbarste dieser Ergebnisse – letztlich aber eher die Summe einer Menge von Teilergebnissen, die auf dem „First Principle Thinking” basieren. Man sieht daran jedenfalls, welches Potenzial freigemacht werden kann, wenn Entscheidungen frei von Ideologie und vorwiegend auf Sach- und Fachbetrachtungen basierend getroffen werden.

Was würde geschehen, wenn man die Frage nach dem optimalen Werkzeug für den Individualverkehr auf diese Weise beantworten würde – dabei psychosoziale Bedürfnisse (wie z.B. nach Status, Privatsphäre, Individualität, erlebter und faktischer Sicherheit) berücksichtigend? Vielleicht würde es nicht die eine universelle Antwort geben, vielleicht würden verschiedene Technologien als Kandidaten für die je nach Bedürfnislage unterschiedliche Ideallösung in Frage kommen.

Wahrscheinlich ist, dass in einer freien Gesellschaft selbstbestimmter Individuen, die in der Mehrheit ganz natürlich nach ökonomischer Nachhaltigkeit streben werden, das Automobil in Privatbesitz, mit Elektroantrieb und Akkuspeicher, eine naheliegende und logische Antwort darstellt. Sie ist wohl aus mancher Perspektive nicht ideal. Aber sie bietet – vor allem wegen des herausragenden Gesamtwirkungsgrades – einen durchsetzungsfähigen Kompromiss. Dazu braucht es keine Vorschriften oder Verbote, und dazu müssen auch keine theoretisch basierten sozialen Utopien entwickelt und dann – auch mit Methoden der Massenpsychologie – durchgesetzt werden. Es ist viel einfacher. Das Elektroauto spricht heute, im Zeitalter der technischen Lösbarkeit seiner Probleme, für sich selbst. Wenn man es nur lässt.



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Inhalt der 20. Ausgabe des T&Emagazin:

  • Editorial – Wo waren die Deutschen?
  • Tesla Welt – David Reich: News des Quartals
  • Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Die Herausgeber – Tesla Owners TOCH
  • Event – 2befair elektrische COMMUNITY
  • Strombock – Absturz der THG-Prämie
  • Gesellschaft – Ist eine Solaranlage das neue Auto?
  • Zeitgeist – Nachhaltig absurd
  • Elektromobilität – 5 Gründe, warum es Volkswagen schlecht geht
  • Elektromobilität – Profis nutzen Checklisten
  • Testberichte von Car Maniac
  • Gesellschaft – Rein in den Kreis
  • Reisebericht – E-Mobil nach Portugal
  • Reisebericht – E-Hypermeilen: Heiss & Kalt
  • Energiewende – Wo stehen wir?
  • Fanboy – Gabor Reiter: Deutschlands Zukunft ohne Autoindustrie
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