Eine Baumodenschau für eine leicht bessere Zukunft

Modenschauen zeigen, was demnächst ‚in‘ ist. Es ist eine Art Diktat, denn man wird dann auch kaum etwas Anderes kaufen können. Dahinter verbergen sich meist Männer, die mit diesem Trick meist Frauen das Geld aus der Tasche ziehen. Doch stellen wir uns eine Modenschau doch einmal anders vor, als eine Schau, auf der neue Ideen für nachhaltigeres Bauen vorgestellt werden.

Foto: Bernd Beneke

Als erstes erscheint im Scheinwerferlicht zu subtiler Musik eine Dämmplatte, welche weniger feuchte- und schimmelanfällig ist als eine herkömmliche Dämmplatte, da sie aus alten, zermahlenen PET-Flaschen geschäumt wurde. Sie ist mit etwa 200 Euro pro Quadratmeter allerdings eher in der Haute Couture angesiedelt. Immerhin, der Hersteller Armacell aus Münster wagt sich hier in neues Gelände.

Erst in zwei Jahren zu haben sein wird eine konkurrierende Schüttdämmung, welche das Fraunhofer-Institut zusammen mit der Firma Baufritz noch als Projektion hinter dem Laufsteg zeigt. Für sie werden pflanzliche Reststoffe verwertet, so dass sie als Kohlenstoffsenke fungieren kann.

Ebenfalls hinter einer Außenwand nicht zu sehen sein könnte ein Holzbausteinsystem, für das Altholz verwendet wird, und das wie Lego zusammengesteckt wird. Davor im Blickfeld finden wir Klinker, die durch Vinyl-Elemente verbunden werden. Beide Lösungen können sortenrein recycelt werden. Die Modedesigner sind der Klinkerspezialist Hagemeister mit den Start-ups Drystack und Triqbriq.

Das Licht wird verstellt, denn es wird vom französischen Konzern Saint-Gobain und dem belgischen Hersteller AGC Glas auf den Steg getragen, das sonst nicht zu sehen wäre, und das als Systemlösung vorgestellt wird. Man sieht dem Glas nicht an, das es mit erneuerbaren Energien hergestellt wird und kurze Transportwege hat, weil es aus Altglas hergestellt wird. Eingerahmt wird es von Fensterprofilen der Hersteller Wicona und Hueck, welche zu 75% aus Aluminiumschrott gefertigt werden und in denen dadurch deutlich weniger Energie steckt.

Die Musik geht nach innen, die Anwesenden machen sich weiter wild Notizen. Denn Gipskarton ist gestern, pflanzenbasierte Leichtbaupaneele sind morgen. Das Münchener Unternehmen Smarter Habitat presst hierfür zusammen mit der Universität Göttingen Sisal oder Hanf um einen Kern, jetzt kommt’s, aus Popcorn! Ein Musterhaus steht bereit seit 2016 in Halle (Saale) und demonstriert die Beständigkeit der Paneele.

Zur Mode werden scheinbar Kooperationen, denn es erscheint eine Modullösung auf dem Steg. Warum eine Wärmepumpe, den Wasserspeicher, Hydraulik, Regelung, Lüftung und Elektrik einzeln installieren, wenn man das als vorinstallierten Box per Kran in die Hausbaustelle setzen kann. Die Firmen Absol Germany und Vaillant haben sich das ausgedacht. Batteriespeicher für Sonnenenergie lassen sich ergänzen.

Überhaupt die Sonne, die uns zunehmend nervt, wenn sie die Außenwände erhitzt. Hier kommt der polnische Energiesystem-Designer ML System, der sich ganz nach vorne auf den Laufsteg traut, hinter sich Bauteile aus Holz, Granit, Beton, Stahl oder Ton. Was soll das hier, fragt man sich, doch es sind Photovoltaik-Paneele, die nur so aussehen, als seien sie aus diesen Materialien. Perfekt integrierbare Sonnenkollektoren als Außenwand oder als Teil davon. Hier ist der Beifall noch spürbarer.

Auf die West- oder Nordseite eines Hauses könnte eine Lava- oder Bimsstein-Fassade folgen. Wird sie im Regen nass, saugt sie das Wasser auf und kühlt das Haus und die Umgebung, wenn es wieder verdunstet. Auch dies ist eine projizierte Skizze, die als Bildperformance dem Publikum eine Pause gönnt, ausgedacht vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik.

Doch Spot wieder an, das Bild verschwindet, gelaufen kommt ein Dachziegel mit einem Stück aufgepflanzter Blühwiese des Start-ups Mygreentop aus Plettenberg. Sie kommen bereits grün bepflanzt auf die Baustelle und ersetzen bisher übliche Ziegel. Mit ihnen lassen sich auch geneigte Dächer begrünen, es gibt keine Ausreden mehr, à la „Tja, wenn wir ein Flachdach hätten“. Diese Ziegel waren Sieger der Sustainability Challenge der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Also sind sie auch hier vertreten.

Auch die schlechte alte Nachtspeicherheizung ist wieder an vogue, allerdings als Steinspeicher, der überschüssigen Strom in Starkwindphasen den Windrädern abnimmt und sie bei Bedarf mittels Wärmetauscher wieder abgibt. Vor 50 Jahren wurden solche Speicherheizungen selbst in nicht gedämmte, einfach verglaste Wohnungen eingebaut, steuerlich absetzbar, um der Atomkraft nachts die Grundlast abzunehmen. Das hier vorgestellte Retrodesign ist damit deutlich besser als das Original. Es ist noch ein Prototyp der Fraunhofer-Allianz Bau.

Einen See auf die Bühne zu bringen ist schwierig. Die Projektion der Ingenieurfirma Ramboll zeigt einen See, nichts Besonderes auf den ersten Blick. Doch er speichert die Sommerwärme und gibt sie im Winter wieder ab. 2000 Einwohner der dänischen Stadt Vojens können bereits die Sommersonne im Winter genießen.

Ob es Absicht ist, als letztes erreichen 3-D-gedruckte Schalungen aus Beton den Laufsteg, deren grau bunt beleuchtet ist. Die vielen Löcher auf den Baustellen, Fenster, Türen, Rohrdurchgänge müssen bislang mühselig geschalt werden. Jetzt können sie dank einer Lösung der Firma Eigner durch Aussparungskörper ersetzt werden, die passgenau gedruckt werden, so dass das Verschalen, Entfernen und Entsorgen entfällt. Die Aussparungskörper verbleiben im Gebäude, genial.

Es wird dunkel. Jetzt ist das Publikum müde und denkt nur noch an den Sekt. Und es ist erleichtert, denn es wurden keine Diktate gezeigt, sondern nachhaltige Optionen, die das Bauen modernisieren. Jetzt will man Mode plötzlich, und zwar für immer.

Die Produkt- und Herstellerinformationen wurden dem Artikel „Bauen mit Popcorn“ von Christina Mattauch der Pfingstausgabe der Süddeutschen Zeitung entnommen.



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  • Tesla – Das Yoke in der Praxis
  • Event –2befair elektrische COMMUNITY
  • Strombock – Wie groß sollte der Akku eines Elektroautos sein?
  • Gesellschaft – Ist eine Solaranlage das neue Auto?
  • Energiewende – Der Batteriestoff Grafit wird langsam heller
  • Energiewende – Eine Baumodenschau für eine leicht bessere Zukunft
  • Innovator – “Wir wissen, wie und wo man lädt”
  • Interview – “In meinem Kopf schwirren noch viele weitere Ideen…”
  • E-Auto Motorsport – E-Trackday am Hockenheimring
  • Reisebericht – Reise durch Island
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