Wenn es dampft, ist das ein Geothermie-Kraftwerk: So kennen es viele aus dem Fernsehen. Eigentlich in jedem Bericht über Island, insbesondere, wenn darin das Thermalfreibad ‚Blaue Lagune‘ gezeigt wird. Viele Menschen in Deutschland nutzen selbst dampfende Sole-Bäder, die wenigsten wissen aber, dass diese meist mit Erdwärme beheizt werden, also mit Geothermieanlagen, mit Wärme aus der Erde. Aber nicht nur Sole-Bäder gibt es hierzulande, sondern auch eine Reihe von Geothermieanlagen, die Strom und/oder Wärme erzeugen, und deren Zahl soll deutlich steigen. Denn die Energiewende ist in vollem Gange, angetrieben durch die neue Regierung seit 2021 und die ‚Energiekrise‘ aufgrund des Krieges in der Ukraine mit seinen energiepolitischen Folgen.
Viele Tausend Anlagen der Windkraft, der Solarnutzung und der Bioenergie (Erneuerbare Energien) existieren und produzieren Strom und Wärme, und ein weiterer Ausbau ist notwendig, um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Die Zahl solcher Anlagen muss bis 2050 deutlich steigen. Denn der Bedarf an Energie wird auch in Zukunft groß sein, da fossile Brennstoffe nicht mehr genutzt werden sollen, und der zukünftige Strombedarf ist vor allem durch Elektroautos und die weitgehende Umstellung der Gebäudeenergie (Stichwort Wärmewende) auf strombetriebene Wärmepumpen hoch. Um diesen Bedarf zu decken, soll neben der Sonne, dem Wind und der Biomasse die Wärme unter unseren Füssen, die Geothermie genutzt werden, so steht es im Koalitionsvertrag 2021-2025 „Mehr Fortschritt wagen“ der Bundesregierung. Geothermieanlagen sind hingegen noch selten.
Doch von vorn: Geothermie ist die Nutzung der in der Erde vorhandenen Wärme, also ein in den Gartenteich gehaltenen Tauchsieder, nur umgekehrt: die Wärme kommt von unten nach oben. Wird Wärme aus dem Boden bzw. der Tiefe an die Erdoberfläche geholt, so können damit Heizungsanlagen großer Verbraucher (Bürogebäude, Industrie, Gewerbe, Verwaltungen) betrieben werden und, meist zusätzlich, Fernwärmenetze für die Versorgung von kleineren Baugebieten (Nahwärmenetz genannt), Quartieren oder ganzen Stadtteilen. Auch im ländlichen Raum sind solche Anlagen zu finden, immer dann, wenn ein großer Wärmebedarf vorhanden ist. Auch gibt es in Deutschland einige wenige Anlagen, die Strom produzieren, so genannte Geothermie-Kraftwerke.
Die Erwartungen an den Ausbau der Geothermie sind hoch. Hoch sind aber auch die Hürden. Denn wirtschaftlich potenziell nutzbar sind nur Teile von Deutschland: zum einen das norddeutsche Becken, also nördlich der Mittelgebirge, von den Niederlanden bis nach Polen. Zum anderen der Oberrheingraben von Wiesbaden bis Basel und das Alpenvorland, ungefähr südlich der Donau bis zu den Alpen, das so genannte ‚Molassebecken‘. Dabei sind Kraftwerke zur Stromgewinnung nahezu ausschließlich im Oberrheingraben möglich, weil nur dort so hohe Temperaturen im Erdmantel herrschen, dass mit Hilfe von Dampfturbinen Elektrizität erzeugt werden kann. Und für diese sind tiefe Bohrungen von mehr als 1.000 Meter notwendig.
Die Verteilung der Potenziale in der Fläche ist ein Resultat der vertikalen Schichtung des Untergrunds und seiner potenziell wirtschaftlich nutzbaren Wärme. Die Nutzung der Geothermie unterscheidet drei Ebenen: von der Erdoberfläche bis 300 Meter Tiefe, von den im Garten verlegten Schläuchen bis hin zu Erdwärmesonden; die oberflächennahe Geothermie, im Sprachgebrauch ‚Erdwärme‘. Von solchen Anlagen existieren in Deutschland nahezu 400.000. Daran schließt sich von 300 bis 1.000 Meter Tiefe die so genannte mitteltiefe Geothermie an, die für die Wärmegewinnung genutzt werden kann, in der aber bislang nur wenige Anlagen installiert worden sind, zum Beispiel im hessischen Groß-Umstadt-Heubach. Unterhalb von 1.000 Meter finden wir die Tiefengeothermie mit rund 40 Anlagen, beispielsweise in Aachen oder in Arnsberg, in der Schweiz in Weggis am Vierwaldstättersee oder in Zürich.
Die räumliche Einschränkung auf knapp die Hälfte von Deutschland ist dabei nur eine offensichtliche. Weitere Einschränkungen des Potenzials resultieren einerseits aus der Wirtschaftlichkeit, andererseits aus der Akzeptanz solcher Anlagen, insbesondere bei Planung einer Geothermie-Anlage vor der eigenen Haustür. Und für die Akzeptanz ist nicht nur die Technikvielfalt ein Problem, sondern es gibt auch abhängig von Standort und Technik Risiken, welche vor allem aufgrund weniger negativer Beispiele in der Presse und manchmal auch von der Politik zu einem großen Problem aufgebauscht werden. Mögliche Risiken sind Erdbeben, die jedoch nur von Anlagen tiefer Geothermie ausgelöst werden können und schwach ausfallen. Hier sind unter Umständen Schäden an Gebäuden und technischer Infrastruktur möglich. Bei nicht sachgerechten Bohrungen kann es zur Hebung oder Senkung des Untergrunds kommen, wie im Extremfall in der süddeutschen Stadt Staufen, mit Millionenschäden: Das Paradebeispiel der Gegner von Geothermie. Die dortige Situation, geologisch wie technisch, kommt jedoch in Deutschland nur sehr selten vor, was von den Gegnern geflissentlich verschwiegen wird. Mögliche weitere Probleme solcher Anlagen sind Beeinträchtigungen des Grundwassers, was aber ebenfalls nur durch fehlerhafte Bohrungen zu befürchten ist. Die genannten Risiken sind zum einen selten, zum anderen sind diese durch die Wahl einer Technik ohne geologische Risiken (und diese gibt es) und eine sachgerechte Durchführung der Bohrung vermeidbar.
Eine weitere Potenzialeinschränkung ergibt sich aus der steigenden Nachfrage nach unterirdischer Lagerung: Speicherung von Wärme (Aquiferspeicher) und von Gas, sowie die Verpressung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage). Der Untergrund kann meist nur von einer der Anspruchsgruppen genutzt werden. Vorteil ist, dass die Bohrlöcher der Öl- und Gasindustrie nach Wegfall der Förderung wiederum geothermisch genutzt werden können, wie beispielsweise in den Niederlanden.
Zur Wirtschaftlichkeit und ihren Hürden sei gesagt: Das größte Problem ist, dass eine Bohrung nicht das erwartete Wärmepotenzial vorfindet – die Kosten sind angefallen, der Ertrag nicht. Hierfür wären Versicherungen zur Absicherung des so genannten ‚Fündigkeitsrisikos‘ eine Lösung, die jedoch sehr teuer sind. Doch hier wird seitens des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit an einer finanziellen Förderung dieser Versicherungen gearbeitet.
Dass es Widerstand von Kommunalpolitik bzw. von Bürgern gegen die Errichtung von Geothermieanlagen gibt, liegt nicht nur an der Art der Technik und der Nutzung des Untergrunds (was einigen Menschen aufgrund der Nicht-Sichtbarkeit der Tiefe unheimlich ist), sondern ist auch Folge des generellen Akzeptanzproblems, dass durch eine Veränderung der unmittelbaren Umgebung von Wohnhäusern entstehen kann. Dabei treffen Geothermieanlagen, die Wärme ‚fördern‘, auf weitaus geringere Akzeptanzprobleme als Anlagen zur Erzeugung von Strom (Kraftwerke). Was auch an der notwendigen Tiefe der Bohrung liegt.
Wird von den ‚Erbauern‘ einer solchen Anlage frühzeitig und vor allem freiwillig (Stichwort pro-aktive Bürgerbeteiligung) in einer ehrlichen und offenen Art kommuniziert, so entsteht in den meisten Fällen kein Widerstand. Die Akzeptanz kann auch durch eine von den Investoren offerierte Möglichkeit der finanziellen Beteiligung steigen, zum Beispiel indirekt durch Genossenschaften oder direkt durch Anleihen oder andere Kapitalanlageformen, die auch von Städten, Gemeinden oder Landkreisen gezeichnet werden können.
Wichtig ist vielen Bürgern, dass Anlagen der Geothermie, wie auch alle anderen Anlagen erneuerbarer Energien, ihre Interessen abbilden. Neben Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Energiewende als übergeordnete Motive, sind das Schaffen von Gemeinschaft sowie seit dem Ukraine-Krieg die Unabhängigkeit von Importen fossiler Energie bzw. die davon berührte Versorgungssicherheit.
Wird gut mit der Bevölkerung und den Kommunen als Verwaltungseinheiten kommuniziert, gibt es in der Regel eine hohe Akzeptanz von Geothermie und im Falle eines damit versorgten Nah- bzw. Fernwärmenetzes eine hohe Anschlussbereitschaft der Immobilieneigentümer. Der Strom und die Wärme aus der Erde können fließen.
Geothermie ist eine unserer Lösungen für die Energiewende. Sie kann in Deutschland deutlich mehr Energie liefern als bislang, nicht nur in Indonesien oder Island. Geothermie steht rund um die Uhr zur Verfügung, sie ist nicht abhängig von Wind, Sonne oder Speichern. Es könnte die Fußbodenheizung Deutschlands sein. Lenken wir Erdwärme in unsere Fußbodenheizung, so können wir das sogar spüren. Denn wir stehen auf Wärme, so oder so.
Zum 1. April (kein Scherz) erscheint dieser Beitrag in der Ausgabe 18 des T&Emagazins für das 2. Quartal 2023.
Sie kann in Wunschmenge gegen Übernahme der Porto- und Versandkosten bestellt werden.
Und enthält viele weitere spannende Themen:
Inhalt der 18. Ausgabe des T&Emagazin:
- Leser:innen-Reaktionen
- Editorial – YouTube Ambitionen
- Tesla Welt – David Reich: News des Quartals
- Tesla – Timo Schadt: Model X Plaid
- Tesla – Bei Carwow in England
- Innovator – Warum kein Tesla Model X Plaid für Thomas Haack?
- Tesla – Timo Schadt: Folierung extrem
- Twitterspace – Tesla Community
- Elektrische Community – Community-Event am 23. Sept.
- Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
- Die Herausgeber – Tesla Owners Switzerland
- Gesellschaft – Gendern abschaffen?
- Elektromobilität – Dr. Heiko Behrendt: Rama-Familie fährt E-Auto
- Elektromobilität – Wie Elektromobilität alles verändern kann
- Elektromobilität – Car Maniac E-Auto-Tests
- Elektromobilität – Martin Hund: Batterie-Rohstoffe
- Elektromobilität – Die HU und die Bremse
- Elektromobilität – eROCKIT – Pedalgesteuertes Elektromotorrad
- Elektroauto Guru – Antonino Zeidler: Zu wenig Ladestationen
- Klimaschutz – Stefan Lenz: Wie Ölkonzerne Meinung machen
- T&Etalk – Karsten Klees, Martin Hund & Nicole Krause zum Investor Day
- Wirtschaft – Henning Frey: Strompreise
- Klimaschutz – Thorsten Bonzio: Photovoltaik, Wärmepumpe & E-Auto
- Klimaschutz – Dieter Behrendt: Wir stehen auf Wärme
- Reiseplanung – Stefan Eichler: Mit E-Auto und Wohnwagen
- Fanboy – Gabor Reiter: Vision only-Technologie
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