Das Yoke in der Praxis

Erfahrungen mit Teslas neuem Lenkrad

Vermutlich bin ich in Europa einer von den Tesla-Fahrern, die am meisten Kilometer mit einem Yoke absolviert haben. Dieses ungewöhnliche Steuerhorn wird seit Dezember 2022 in Tesla Model S und X verbaut. Wer es nicht haben möchte, konnte es anfänglich kostenneutral gegen eine klassische Lenkradform konfigurieren, die dann zwischenzeitlich aufpreispflichtig gewählt werden konnte. Aktuell kostet das Yoke sogar 250 Euro Aufpreis. Seit Ende Dezember letzten Jahres hatte ich etwa 25.000 Kilometer das Yoke in der Hand und will es inzwischen nicht mehr missen.


Anfänglich muss man sich natürlich an die Form gewöhnen. Auch ich habe ganz am Anfang mal ins Leere gegriffen. Das war dann aber nach nicht einmal einem Tag rum. Hilfreich war die Einschätzung eines Kanadiers der bei Clubhouse davon sprach, dass er es seit über einem Jahr überwiegend einhändig bedient und sogar hauptsächlich mit nur einem Finger lenkt . Das habe ich von Anfang an in meine Praxis übernommen. Zugegebenerweise hatte ich das Privileg, mich nicht großartig umstellen zu müssen, da ich eh ständig einen Vaporizer zur Linderung meiner Nikotinsucht in einer Hand halte – mit oder ohne Yoke. Jedenfalls kommt es so nicht zu leidigem Überkreuzgreifen, beim Abbiegen, in engen Kurven und im Kreisverkehr. Auch das Blinkersetzen mit den beiden links angebrachten Touchsymbolen ist schnell intuitiv und war bei mir nach zwei Wochen kein Problem mehr. Ja, auch ich meine, wie viele andere, die Anbringung des linken Blinkers links und des rechten rechts hätte schon irgendwie Sinn gemacht. Aber man gewöhnt sich auch hieran superfix.

Alexander Bangula, bei YouTube aktiv als Elektrisiert findet das Yoke insgesamt nicht gut. Den musste ich zum Ausgleich meiner Euphorie also befragen: „Auf der Langstrecke ist es kein Problem für mich, da muss man nie übergreifen. Auf der Autobahn fährt man nur ganz sanfte Kurven.“ Für ihn sei der einzige Vorteil: „Es sieht saugeil aus und, dass man aufs Display immer einen uneingeschränkten Blick hat, wobei ich es noch nie bei anderen Autos als wirklich störend empfunden habe.“
In diesem Punkt bin ich mit ihm relativ einig: Die gelegentlich aus Versehen betätigte Hupe kann ich als etwas kritisch am Yoke bezeichnen. Da ich nun auch nicht bei klassischen Lenkrädern häufiger cholerisch auf die sonst mittig platzierte Hupe gehauen habe, musste ich in all den Monaten bestenfalls zwei, drei Mal danach suchen. Wie gesagt eher das Problem, versehentlich an die Hupe zu kommen und sozusagen Phantomsignale vom Stapel zu lassen.

 

Für Alex ist die Positionierung der Hupe sogar „skandalös. Ich hupe mehrmals die Woche aus Versehen.“ In den zwei Monaten, in denen er das Fahrzeug fährt, musste er insgesamt drei Mal hupen. Ich habe es drei Mal nicht schnell genug geschafft – weil es so ungewohnt ist, die Hupe dort zu finden. Vielleicht gewöhnt man sich irgendwann daran. Ich habe es noch nicht. Und wenn man das Fahrzeug mal an Freunde ausborgt: Die werden garantiert keine Chance haben zu hupen in Gefahrensituationen, wenn sie nicht schon tausende Kilometer mit dem Auto gefahren sind. Und selbst ich weiß nicht, ob ich die Hupe das nächste Mal treffe, obwohl ich schon 15.000 Kilometer damit gefahren bin“. Alexander sei die Position der Hupe ein regelrechtes Sicherheitsrisiko.

 

Eine ähnliche Position nimmt Christian Kallinich ein. Chris firmiert bei YouTube unter Plaid Tech und hat analog zu mir eines der ersten Model X Plaid in Deutschland gekauft. Er meint: „Mein größtes Problem ist die fehlende Hupe beim Drücken auf dem Airbag. Das macht einfach aus so vielen Gründen keinen Sinn … plus, es wäre ein Touch Button komplett frei.“ Seine Position lautet daher: „Kill the Button, add normale Hupe…“

 

Das sieht auch die Journalistin und Bloggerin Vanessa Lisa Oelmann so. Sie war eine der ersten, die von Tesla 2022 auf deutschem Boden ein Tesla Model S nach dem Facelift zu Testzwecken gestellt bekam. Ihr Resümee: „Da ist der Minimalismus mit ihnen durchgegangen“. Dennoch meint sie, dass das Model S sich mit dem Yoke in Ferrari-Manier letztlich angenehm steuern lies, sowohl in der Stadt als auch auf der Autobahn. „Lediglich auf kurvigen Landstraßen oder bei Wendemanövern wird man anfangs immer wieder ins Leere greifen“, schrieb sie in der Zeitschrift Elektroautomobil.

 

Nico Pliquett zog auf seinem YouTube-Kanal das Fazit: „Man gewöhnt sich daran – wie an jede Sache. Es ist Muscle Memory. Ich würde immer wieder das Auto mit Yoke Lenkrad nehmen. Ich finde es geil und ich fühle mich auch nicht dadurch eingeschränkt.“ Laut Nico passe „die schlichte Bedienung einfach in unsere heutige Zeit. Hebel und viele Knöpfe waren mal dafür ausgelegt, möglichst alles manuell einstellen zu können. Heute übernimmt das Auto aber viel von diesen Aufgaben automatisch. Natürlich gab es eine Eingewöhnungsphase mit dem Plaid und im ersten Moment war es auch absolut ungewohnt, aber jetzt fühlt es sich einfach viel natürlicher an das Plaid zu fahren und zu bedienen, als in einem Auto mit vielen Hebeln und Knöpfen zu sitzen.“

 

Die Gangwahlhebel, Licht etc. hinter dem Lenkrad vermisse ich ebenfalls keineswegs. Im Gegenteil schätze ich das weiter Aufgeräumte. Sitze ich am Steuer meines Model S von 2013 oder im Tesla Model 3 oder Y habe ich inzwischen Probleme. Es mag allerdings auch altersbedingt sein, wenn ich Sprachbefehle auslöse statt den Autopilot wie eigentlich beabsichtigt anzuwerfen.

 

Nico geht da noch weiter, er sei „mittlerweile überfordert und bräuchte, wenn ich nicht in der Vergangenheit solch ein Auto gefahren wäre, sicher länger um damit klar zu kommen und alles zu verstehen. Ich müsste auch entweder wieder unergonomisch sitzen, um das Display hinterm Lenkrad vollständig sehen zu können, oder mich an nur eine beschränkte Ansicht gewöhnen.“

 

Die Position der Blinker findet Alex Bangula gewöhnungsbedürftig, aber letztlich „okay“. Im Kreisverkehr, wenn es genau auf dem Kopf steht, falle ihm das Umdenken leicht. „Wenn es einen komischen Winkel hat, richtig zu blinken ist es schon schwieriger.“ Ins Leere zu greifen habe Alex so noch nicht gehabt, wobei er noch keine Serpentinen gefahren sei.

 

Doch noch mal zurück zur praktischen Handhaltung:
Auf der Autobahn liegen meine beiden Hände meist unten auf. Im Autopilotmodus drücke ich dann gelegentlich sanft darauf, wenn dies überhaupt erforderlich ist. Gegenüber der Nutzung dieser Funktion mit klassischen Lenkrädern in anderen Tesla Fahrzeugen ist jedenfalls keine besondere Anstrengung vonnöten. Autopilot-Fahren fällt somit deutlich leichter.

Wenn der Autopilot aus ist und ich mal mit ein wenig mehr Geschwindigkeit unterwegs bin, rutschen die Hände in den oberen Bereich (3). Die Daumen umklammern diesen dann, während der Rest der Hände, links und rechts umklammert. Auch in dieser Position empfinde ich das Fahren völlig unproblematisch und vermisse nichts… Ganz im Gegenteil: Der freie Blick auf den Tacho hinter dem Yoke ist wunderbar.

Gab es wegen des Yokes schon mal bei mir eine gefährliche Situation? Nein. Ich behaupte zudem, meine Umstellung auf das Teil ist abgeschlossen und das Fahren damit Normalität geworden. Ich persönlich würde nicht wechseln wollen, wenn ich noch mal vor der Entscheidung stehen würde, in jedem Fall wieder eines nehmen, im Zweifel sogar Aufpreispflichtig. Die Positionen zum Yoke sind also ausgesprochen unterschiedlich.

 

Meiner schließt sich Nico Pliquett an: „Es ist wie häufig bei Tesla: Bedenken kommen häufig aus der Theorie und es werden Szenarien aufgestellt, die mit der Praxis wenig zu tun haben. Dabei würde man recht schnell in der Praxis feststellen, dass es doch gar nicht so schlecht ist. Letztendlich ist es doch aber gut, dass man heute die Wahl hat. Ich hoffe nur, dass die Option für das Plaid nicht verschwinden wird.“


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  • Tesla Welt – David Reich: News des Quartals
  • Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Die Herausgeber – Tesla Owners
  • Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Die Herausgeber – Tesla Owners Switzerland
  • Tesla – Das Yoke in der Praxis
  • Event –2befair elektrische COMMUNITY
  • Strombock – Wie groß sollte der Akku eines Elektroautos sein?
  • Gesellschaft – Ist eine Solaranlage das neue Auto?
  • Energiewende – Der Batteriestoff Grafit wird langsam heller
  • Energiewende – Eine Baumodenschau für eine leicht bessere Zukunft
  • Innovator – “Wir wissen, wie und wo man lädt”
  • Interview – “In meinem Kopf schwirren noch viele weitere Ideen…”
  • E-Auto Motorsport – E-Trackday am Hockenheimring
  • Reisebericht – Reise durch Island
  • Fanboy – Gabor Reiter: Der Tesla Semi
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Ein Gedanke zu „Das Yoke in der Praxis

  1. Den Beitrag über das Yoke-Lenkrad finde ich zu positiv. Meine Erfahrung ist eine andere: ich fahre seit Ende März einen Tesla S Long Range (2023) und das Fahrzeug war ursprünglich mit dem Yoke-Lenkrad ausgestattet. Meine Gattin und ich kamen mit diesem Lenkrad nicht zurecht, obwohl wir bei dem rechten Blinker eine farbige Markierung angebracht hatten. Bei vielen engen Kreiseln oder Serpentinen in der Schweiz griffen wir sehr oft ins Leere und trotz farbiger Hilfe konnten wir den rechten Blinker – Ausfahrt aus dem Kreisel – sehr oft nicht oder zu spät bedienen. Rückfragen bei Tesla Schweiz ergaben die Antworten: wir wissen das das Yoke-Lenkrad nicht optimal ist und wir können es eigentlich nicht empfehlen! Wir haben dann nach gut zwei Monaten die Übung abgebrochen und das normale Lenkrad nachgerüstet. Und jetzt haben wir wieder Freude am Fahren mit dem Tesla S!

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