Bundesverfassungsgericht zum Klimaschutz – Kommt jetzt die Mobilitätswende?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) zum Klimaschutzgesetz ist ein Meilenstein in der Geschichte des Umwelt- und vor allem des Klimaschutzes.

Der Artikel 20a des Grundgesetztes legte zwar das Staatsziel des Klimaschutzes fest, war aber bisher nicht verbindlich. Eigentlich hatten wir gar kein Grundrecht auf Umweltschutz in unserer Verfassung.
Mit seinem Beschluss vom 24. März 2021 liest das BVerG aus diesem Artikel nun das Grundrecht auf Klimaschutz mit besonderem Rang heraus und zwar mit dem neuen „Grundrecht auf intertemporale Freiheitssicherung“. Das bedeutet ein Grundrecht auf Freiheitsentfaltung in der Zukunft und damit die Verpflichtung, endlich die Energiewende voranzutreiben. Besonders ist auch, dass die 2. Kammer des 1. Senats hier eine einstimmige Entscheidung präsentiert – normalerweise sind sich bei dem Thema auch konservative Richter nicht so einig. Dieser Beschluss ist ein klares Signal an die Politik und es entstehen ihr konkrete Pflichten.
Das neue Grundrecht ist, wie bisher die Artikel 1 bis 19, ein Abwehrrecht der Einzelnen gegenüber dem Staat. Was das genau in der Praxis für uns alle bedeutet, wird sich nun zeigen. Die 120 Seiten Entscheidung mit 270 Randnummern werden von Juristen ausgelegt und konkretisiert. Diese Grundsatzentscheidung werden wir alle mitbekommen.
Die Regierung muss nun stärkere Reduktionsziele bestimmen, ein Kohleausstieg erst 2038 und das Fahren von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren, beides gleichzeitig geht nicht mehr. Ein Wandel hin zur Nachhaltigkeit und keine Bürokratiehürden etwa, wenn es um Sonnenenergie auf Dächern, Windkraft oder Laden zu Hause geht, der Wahnsinn darf ein Ende haben!

Hintergrund: CO2-Budget nach 2030

2019 wurde ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, in dem die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens übernommen wurden. Grundlage ist das vom UN-Klimarat errechnete CO2-Budget, also wie viele Tonnen wir auf der Erde überhaupt noch ausstoßen dürfen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dadurch war auch für jedes Land klar, wie viel CO2 noch maximal ausgestoßen werden darf.
Deutschland hat das mit seinem Klimaschutzgesetz für bestimmte Bereiche von Energie, Wirtschaft, Immobilien und andere genau für jedes Jahr festgelegt, aber nur bis 2030. Für die Zeit nach 2030 gibt es in diesem Gesetz keinerlei Angaben.
Wenn wir mit unserem aktuellem Verhalten bis 2030 unser gesamtes Klimabudget verbrauchen, sind dramatische Einschnitte für unsere Leben und unsere Freiheiten ab dem Jahr 2031 die Folge.
Daher wurden insgesamt 4 Verfassungsbeschwerden eingereicht, unter anderem durch Fridays for Future. Der Kritik der Kläger stimmt das BVerfG in seinem Beschluss vollumfänglich zu. Die im deutschen Klimaschutzgesetz vorgeschriebenen Regelungen sind unzureichend, um das 1,5°C Ziel zu erreichen.
Es kann einfach nicht sein, dass wir jetzt ohne Bedenken Verbrenner-SUV fahren, Kreuzfahrtreisen buchen, durch die Gegend fliegen und für unsere Kinder bleiben diese Möglichkeiten ab 2030 nicht mehr. Die Freiheitseinschränkungen der jüngeren Generation wären dadurch zu hart – aber notwendig, denn wenn das CO2-Budjet alle ist, muss der Staat drastische Einschränkungen verhängen.

Politik muss handeln

Die Folge: Jetzt muss der Gesetzgeber handeln und zwar so, dass er einen klaren Zeithorizont aufzeigt, aus dem deutlich ersichtlich ist, wer welche Einschränkungen und Maßnahmen hinzunehmen hat. Bis zum 31. Dezember 2022 muss das Klimaschutzgesetz neu geschrieben werden. Das ist die erste und bestimmt wichtigste Aufgabe der neuen Bundesregierung. Als Wählerin und Wähler gilt es, dies zu berücksichtigen.

Das BVerG hat hier keine expliziten Vorgaben gestellt aber es ist eindeutig:

  • die Ziele müssen viel strenger sein
  • es muss deutlich schneller mit den Maßnahmen begonnen werden
  • es müssen gleichmäßigere Chancen der Generationen und eine gleichmäßigere Verteilung der Freiheitseinschränkungen beschlossen werden.

Es kann auch sein, dass wir bis Ende 2022 wieder nur eine sehr dürftige neue Form des Klimaschutzgesetzes erhalten. Dann müsste man wieder vor dem BVerfG klagen, überraschend wäre das nicht – hatte doch die Politik seither auch kein großes Interesse zu handeln.

Silvia Oudhoff ist seit Januar 2021 beim T&Emagazin und dessen Verlagsagentur Die Projektmacher zuständig für die geschäftlichen Prozesse. Sie hat einen universitären Abschluss und eine kaufmännische Berufsausbildung und steht vor ihrem ersten juristischen Staatsexamen. Sie ist als Office-Managerin mit Engangement und Freude auch an der Produktion des T&Etalks beteiligt und in der T&Eagentur insbesondere für internationale Kontakte zuständig. Silvia fährt immer mit dem ÖPNV.

 

 

Der Beitrag stammt aus der Ausgabe 11 des T&Emagazin, welche kommende Woche erscheint.

Dieser Artikel ist ein Beitrag aus der Ausgabe 11 des T&Emagazin.

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Weitere Themen der Ausgabe sind:

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  • Tesla Welt – News des Quartals  – von David Reich
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  • Alternativen zu Tesla auf der Langstrecke? Stimmen von Ove Kröger, Oliver Krüger und Nico Pliquett
  • Tesla Owners Club Helvetia (TOCH) 
  • Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V.
  • Gleichstrom vs. Wechselstrom – von Martin Hund
  • Erste Robotaxis in Europa 2023? – von Markus Weber
  • Car Maniac E-Auto-Test – von Christopher Karatsonyi
  • Ev Events – Elektromobilitäts-Termine
  • Beschluss des Verfassungsgerichts zum Klimaschutz – von Silvia Oudhoff
  • Vom E-Auto zu Energiewende – Interview von Dennis Witthus mit Volker Quaschning und Holger Laudeley
  • Mieterstrom & Eigennutzung
  • M3T – Rückblick: Virtuelles E-Community-Treffen
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