Ist der neue Mercedes EQS Schuld, ich, oder die Ladenetzinfrastruktur?

Foto: Christopher Karatsonyi

Sollte man trotz eines solch modernen und teuren Autos noch in eine solche Situation kommen?

 
Es war meine Fahrt zurück aus Tschechien, von der Präsentationsveranstaltung des Skoda Enyaq Coupé. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, diese Strecke mit meinem neuen Mercedes fahren zu können. Es ging von München nach Frankfurt, wo wir ja auch den Vergleich gegen den MG Marvel und den Kia ev6 gedreht haben, dann am nächsten Tag weiter nach Mlada Boleslav. Dort nämlich ist Skoda. Da ich am Hotel nicht laden konnte, weil es eher ein Schullandheim war, als ein Hotel und an der Location leider auch nicht, mussten wir die Heimreise am übernächsten Tag mit halbvollem EQS Akku antreten. Heißt, bei 50 Prozent knappe 53 kWh. Bei den knappen 0° hat er sowieso schon auf unseren Autobahnetappen 24 kWh verbraucht, ich bin aber nie unter 140 km/h gefahren. Bei 170 km/h Tempomat und streckenweise sogar über 200 km/h, hat die Anzeige sogar beeindruckende 32 kWh angezeigt. Das ist wirklich wenig für diese Geschwindigkeit.
 
Halbvoller Akku ist halt aber nur halbvoller Akku. Also mussten wir – wie so oft – unseren Hunger nach dem Auto richten. Okay, mussten wir nicht, aber es war besser so, denn sonst hätten wir Zeit verschenkt. Hätten wir nämlich an der Location noch zu Mittag gegessen während der Wagen nicht laden kann, hätten wir doppelt Zeit verloren, denn wenn die 50 Prozent Akku zu Neige gehen, müssen wir ja sowieso halten. Also 117 km/h gefahren, geladen und gegessen. Kostenlos bei ionity, weil man den Wagen im ersten Jahr kostenlos dort ja kostenlos laden kann. Super für mich, denn in Tschechien kann ich mit meiner EnBW Mobility Plus Karte leider nicht laden. Und dann war der Ladevorgang auch noch kostenlos.
 
Dort haben wir dann auf 90 Prozent geladen und haben gesagt “okay, das muss reichen”. Tat es aber nicht, denn der Verbrauch ging etwas hoch und das Navi wollte uns rausschicken zu einer EnBW Säule, die aber einen Schwenker bedeutet hätte. Also einigten wir uns mit Francesco darauf, Schweitenkirchen anzufahren. Nicht zuletzt um mal wieder allego auf den Zahn zu fühlen, denn die sind dort der vorhandene Anbieter. Natürlich mit meinem EnBW Vielladertarif. Jetzt war aber das Problem, dass der Schwenker knappe 17 km mehr bedeutet hätte und Schweitenkirchen bedeutet hat, dass wir mit ungefähr 1 km Restreichweite ankommen. Ist ein bisschen knapp, weil, was wenn die Säule nicht funktionieren?
 
Und genau hier kamen wir zum Problem: das Mercedes-Navi hat 0 von 5 verfügbare Lader angezeigt. “Klingt schon ganz nach Allego”, dachte ich mir. Also haben wir alle uns verfügbaren Apps gezückt um zu checken, was diese denn über den Status der Ladesäulen sagen. Es war ein breiter Mix. Die Allego Seite selbst sagte 0 von 3 verfügbar. Andere Foren wiederum zeigten an sie wären verfügbar aber nur besetzt. Eine dritte App wiederum meinte,  die wären alle frei. Tja was nun? Das ist der Punkt, wo die maximale Irritation bei der Elektromobilität eintritt.
 
Will ich einen Schwenker fahren und 17 km Umweg, aber dafür auf Nummer sicher gehen, oder will ich es riskieren und genau richtig anschließen, wenn der Akku schön leer ist, dafür aber riskieren, dass vor Ort die Säulen nicht funktionieren? Als Backup hatte ich natürlich den juice Booster dabei, den ich auf solche Fahrten immer mitnehme. Notfalls dann halt mit 11kW an der Tankstelle über Drehstrom laden. Das ist aber alles andere als mein Wunsch.
 
Aber wir haben gesagt “Hey komm, lass es uns ausprobieren”. Wir kamen tatsächlich mit 2 Kilometern Reichweite dort an. Zu unserem Glück waren die Säulen gerade tatsächlich besetzt. Ein Polestar 2 und ein e-tron standen dran, an der anderen allego Säule, die wiederum schon eine neue alpitronic Säule ist, stand ein BMW i3, der aber schon fertig geladen hatte. Also entschied ich mich nach kurzer Umparkerei für die alpitronic Säule, denn die sind meiner Erfahrung nach die zuverlässigsten und der BMW i3 fuhr weg. Der Ladevorgang ging los und wir haben solide Reichweite nachgeladen. Die Peak von 205 kW konnte ich natürlich nicht ziehen, denn die Säule kann nur 150.
 
Foto: Christopher Karatsonyi
Am Ende hat mir das aber eines gezeigt: man muss in den Auto-Navis sowie auch in den Apps differenzieren, ob eine Ladesäule besetzt ist, nicht funktionsfähig, oder vielleicht nicht in Betrieb. Wobei die letzteren zwei Punkte eigentlich gleich sind. Aber aktuell heißt “nicht verfügbar” für mich nichts Konkretes. Kann nämlich nicht intakt sein, aber auch nur besetzt. Ist sie besetzt, macht es absolut Sinn hinzufahren, denn an einem Hypercharger steht ein Elektroauto in der Regel nicht besonders lange. Ist sie allerdings defekt, kann ich den Ladepark komplett meiden.
 
Mir ist es nur wichtig, dass gerade Verbrennerfahrer, die in die Elektromobilität wechseln, ganz genau wissen, was sie erwarten kann, selbst mit so einem Überauto wie dem Mercedes EQS. Denn wenn ich ein erfahrener Elektroautofahrer bin, möchte ich so viel wie möglich von meiner Reichweite nutzen und so leer wie möglich ankommen. Das wär ja auch alles kein Problem, wenn das so laufen würde wie bei Tesla, wo du einfach weißt, dass die Ladesäule funktioniert. Und wenn nicht, gibt es noch weitere fünf von denen garantiert irgendeine funktioniert. Und das auch noch zu einem einheitlichen Preis. Es bringt nichts, solche Sachen zu verschweigen und die Leute kriegen dann nach der Anschaffung des Elektroautos einen Vogel, denn beruhigt war ich ehrlich gesagt nicht mit 2 km Restreichweite an einem Ladepark, von dem ich nicht mal wusste, ob er überhaupt funktioniert.
 
Also, in den Apps und Navigationssystemen zu beschriften, ob die Ladesäule besetzt oder einfach nur defekt ist, würde hier schon riesige Abhilfe schaffen, denn dann hätte ich eben den Bogen gefahren und bei EnBW geladen, oder hätte selbstbewusst den Wagen ganz leer fahren können in dem Wissen, dass die Ladesäulen nur besetzt sind und bald frei werden. Hier kann man natürlich die Antwort auf die Frage freilassen, ob ich schuld bin und einfach mehr auf Nummer sicher kalkulieren sollte, oder ob ich es genau richtig mache, die Reichweite maximal auszunutzen in der Erwartungshaltung, dass die ganze Nummer einfach funktioniert. Das kann jeder für sich selbst beantworten.

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  • Tesla – Stammtisch bei Clubhouse   
  • Tesla – 4 abgefahrene Gründe, Tesla zu fahren  
  • Die Herausgeber – Tesla Owners Club Helvetia (TOCH)    
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  • S3XY CARS Community – Weltgrößtes E-Auto-Treffen    
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  • Elektromobilität – Gebrauchte Elektroautos   
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  • T&Etalk – Rückblick: Junge Menschen, Zukunft und E-Mobilität    
  • T&Etalk – Rückblick: Giga 4    
  • T&Etalk – Rückblick: E-Auto vs. Bus & Bahn   
  • T&Etalk – Rückblick: Die Liebe zum Tesla    
  • T&Etalk – Rückblick: Ökostrom selber erzeugen & vermarkten   
  • T&Etalk – Ausblick: Aktien zu E-Mobilität & Energie    
  • Technophilosoph – Ohne Börsenhype keine Elektroautozukunft?    
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2 Gedanken zu „Ist der neue Mercedes EQS Schuld, ich, oder die Ladenetzinfrastruktur?

  1. Die Hersteller der Apps kann man doch anschreiben!
    Und wenn das nicht klappt, im Appstore eine Rezession nur einem Stern schreiben – bis die Leute da oben es merken und endlich aufwachen.

  2. Beschriften, ob besetzt oder defekt wäre zwar eine kurzfristige Verbesserung, aber im Grunde will man dieselbe Verfugbarkeit, wie bei einer Tanke. Da muss ich mir keine Gedanken machen. Bis auf extrem seltene Ausnahmefälle bekomme ich da 24/7/365 Sprit. Und Du hast recht. Verbrennerfahrern muss man ganz klar sagen, das wir da mit der aktuellen LadeInfrastruktur heute leider noch nicht sind.

    P.S. Ich hätte mich wahrscheinlich nicht getraut und wäre in der Situation den Umweg gefahren. Bin aber auch erst seit 10 Wochen elektrisch unterwegs 😉

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