Car Maniac: Hummer EV

Jeder der Car Maniac kennt, weiß, welche Strategie ich bei der Förderung der Elektromobilität verfolge. Es ist nicht jene Menschen zu verurteilen, die noch nicht den Weg zum Elektroauto gefunden haben. Es ist auch nicht der Weg, den Verbrenner Verpenner zu nennen. Das ist doch schon ziemlicher Kindergarten und hinterlässt nicht gerade den Eindruck bei Interessenten, dass man in der Gruppe der Elektromobilisten in einer Gruppe von Erwachsenen aufgehoben ist.

In diesem Beitrag geht es um ein Auto, wo das Urteilen wieder schnell losgehen wird. Aber nicht nur gegen das Auto, sondern auch gegen den Verkäufer. Denn dieser ist alles andere als überzeugt vom Elektroauto. Attackiere ich ihn allerdings und stelle ihn an den Pranger, dass er ja doch mit seinen finanziellen Möglichkeiten so einfach ein Elektroauto laden könnte, dann hat er schon direkt keinen Bock mehr auf die Elektromobilität, weil immer ein den Finger zeigender Moralapostel irgendwo steht. Legitim wäre die Kritik schon gewesen, aber lieber lassen wir Potenzial für Selbsteinsicht, dass nämlich Elektroauto fahren heute kein Problem mehr ist. Für viele schon, nicht aber für jemanden wie Karl Geiger, dessen Hummer EV ich mit meiner Frau getestet habe.

Und zugegebenermaßen, meiner antiautoritären Erziehungsmaßnahme zum Trotze, ist dieses Fahrzeug, auch wenn es elektrisch ist, wirklich vollkommen sinnfrei. Irgendwann ist halt mal gut. Aber geil ist er trotzdem. Die Frage ist nur, wer braucht denn sowas? Und “wer braucht denn sowas” hört man nicht oft von mir. Ich finde nichts schlimmer, als die ganzen Öko Freaks die fragen, wofür man denn bitte einen Porsche braucht. Schön, dass sie keinen brauchen. Gott sei Dank leben wir hier nicht in einer Ökodiktatur.

Der GMC Hummer allerdings überschreitet selbst meine Grenzen.
Mal in Zahlen: wir sprechen von einem Fahrzeug, das 5,51 Meter lang ist und 2,20 Meter breit. Es hat drei Motoren in der First Edition, wie ich ihn gefahren bin, und stemmt 1.000 PS sowie 1.650 Newtonmeter Drehmoment. Dagegen scheint ein Porsche Taycan wie ein Opel Corsa. Um dieses Monstrum agiler zu machen hat er eine Hinterachslenkung. Mit dessen Hilfe kann er in 11,6 Metern wenden. Das ist schon ein beachtlicher Wert für diese Fahrzeuggröße. Die Länge und Breite kann aber nicht kompensiert werden. Und ganz ehrlich, das ist einfach nichts für deutsche Straßen.

Anders sehe ich das in den Vereinigten Staaten. Immer wieder, wenn ich drüben bin, wundere ich mich, wie verloren doch große SUVs und Pickups auf den Straßen dort aussehen, vor allem außerhalb. Es gibt dort tatsächlich Menschen, die brauchen so etwas. Meistens in Kombination zwischen privat und beruflich. Da wäre natürlich der Hummer die beste Alternative, denn zumindest fährt dieser elektrisch und nicht mit einem hausgroßen V8, wie halt die Pickups dort.

Aber wir sind in Europa, in Deutschland. Großstädte machen das Parken sowieso schon schwierig genug. Klar, du könntest jetzt mit den 4,3 Tonnen dieses Fahrzeugs einfach die ganze Parkreihe davon schieben. Da du aber wahrscheinlich nicht so viel Aufsehen erregen willst, tust du das halt nicht. Mal abgesehen davon brauchst du auch ein entsprechendes Grundstück, um dieses Fahrzeug zu parken und zu laden natürlich auch. Eine 11 kW Wallbox ist plötzlich gar nicht mehr so toll. Denn selbst mit dieser braucht das Fahrzeug knackige 11 Stunden, um aufzuladen. Der Dank gebührt hier dem 212 Netto kWh Akku. Ja, richtig gehört: 212 Netto kWh.

Und jetzt festhalten: allein dieser Akku wiegt 1.500 Kilogramm. Kein Wunder also, dass das Fahrzeug auf 4,3 Tonnen kommt. Übrigens darf der Wagen ohne LKW-Führerschein nicht gefahren werden. Aber vom Fahrgefühl ist es nicht wie mit einem LKW. Dank der Allradlenkung. Der Wagen lässt sich überraschend geschmeidig manövrieren. Apropos manövrieren: das Fahrzeug beherrscht den sogenannten Crabwalk, kann also diagonal fahren. Wozu? Na um versetzten Klippen auszuweichen, die auf der Offroad Strecke liegen. Hierzu stellt der Wagen die Räder der vorderen und der Hinterachse in dieselbe Richtung. Dies geht bis zu einem Einschlagwinkel von 10 Grad.

Ganz klar: der Wagen ist schon wirklich faszinierend. Und Faszination muss nicht immer unbedingt mit Praktikabilität einhergehen. So sehen wir, was möglich ist. 

Der 360 Liter große Frunk ist beispielsweise eine extrem erfreuliche Erscheinung. Die Haube öffnet sich automatisch wie ein Kofferraum.

Der Kofferraum selbst bräuchte eigentlich gar keinen vorderen Kofferraum, so groß ist er. Irgendwas mit 2 Meter mal 1,50 Meter. Das Problem ist, dass du Dinge hinten aus dem Kofferraum nicht rausziehen kannst, weil das Ende so weit weg ist und die herunterklappbare Heckklappe wie bei einem Pickup dich noch weiter weg vom Kofferraum stehen lässt. Das ist für Personen wie meine Frau mit ihren 1,56 Meter eine unüberwindbare Challenge. Aber auch ich komme nicht hinten an den Kofferraum.

Die Abdeckung zu dieser Pritsche kann man auch wegmachen, sodass man wirklich fährt wie mit einem Pickup. Aber nicht nur das: auch das Dach kann stückweise entfernt werden, sozusagen ein Hummer Cabrio. Das ist schon wirklich verdammt cool für den Junggesellenabschied oder vielleicht sogar als Hochzeitsauto.

Also doch nicht so sinnlos? Naja, übermotorisiert ist er ja trotzdem und zwar nicht nur zum Schein, denn den Sprint von 0 bis 100 km/h schafft dieser Koloss im absolut unglaubwürdigen 3,5 Sekunden. Die heutigen Supersportwagen sind auch nicht nennenswert schneller.

In der Höchstgeschwindigkeit allerdings schon, da gibt es magere 170 km/h von GMC. Aber ganz ehrlich, schon ab 140 km/h willst du nicht schneller fahren, weil die 35 Zoll großen Reifen so unglaublich laut sind von den Abrollgeräuschen her. Ihr fragt nach dem Verbrauch? Nun, dieser kann zwischen 35 und 66 kWh liegen. Darunter nicht so wirklich. Aber und da muss man schon wirklich die Betonung drauf legen, wer sowieso solche Autos fährt, wird dazu nur eine Verbrenneralternative haben. Im Gegensatz zu dieser ist der Hummer trotzdem zwei bis dreimal ökologisch sinnvoller. Auch wenn das Wort “sinnvoller” bei diesem Auto nicht unbedingt das passendste Attribut ist.

An der Bäckerei zum Mittagessen geparkt, hing der Vorderwagen des Fahrzeugs in die Hälfte des Gehsteigs hinein und ein Teil raus auf die Fahrbahn. Obwohl es wirklich keine kleine Parklücke war und wir nicht in der Stadt waren, sondern außerhalb auf dem Dorf.

Der Innenraum sieht wirklich schön aus durch das große zentrale Display und den großen Tacho und die goldenen Akzente, kombiniert mit dem Weiß und Schwarz. Man muss allerdings nicht mit der Lupe suchen, um grauenvolles Hartplastik zu finden. Einige haben in meinem Video angemerkt, dies sei so, weil der Wagen für Outdoor gedacht ist und bei offenem Verdeck schon mal gerne Dreck reinkommt. Die Abwaschbarkeit sollte hier einfach sein und hochwertige Materialien wären Perlen vor die Säue. Okay, lasse ich gelten. Sieht trotzdem nicht schön aus. Gemütlich ist die ganze Nummer allerdings schon durch die Üppigkeit an Platz.

Das EV spezifische Menü des Hummer weist sinnvolle Funktionen auf, wie z.B eine permanente Anzeige der Akkutemperatur. Es gibt unzählige Einstellungen für die verschiedenen Offroad Funktionen, die dieses Auto hat. So kann man ihn über das Luftfahrwerk anheben, sodass ich fast unten drunter durchlaufen kann. Ein tolles 360° Kamerasystem lässt sogar einen Blick von oben auf die Anhängerkupplung zu. An diese kann man übrigens 3,5 Tonnen anhängen. Das schafft kein anderes Elektroauto bzw. Ungetüm.

Kommen wir noch kurz auf den Platz im hinteren Bereich zu sprechen: hier sind drei vollwertige Sitze vorzufinden. Drei Erwachsene? Klar, warum nicht. Drei Kinder? Klar, warum nicht, zumindest dann, wenn sie keine modernen Isofix Stationen brauchen. Erstens, weil der mittlere Sitz keinen Isofix bietet, zweitens, weil die Mittelarmlehne von vorne so weit nach hinten ragt, dass die Station in der Mitte nicht richtig positioniert werden könnte. Des Weiteren musste ich meinen Fahrersitz auch schon unnatürlich weit nach vorne stellen, damit ein Isofix von heute hinter mir rein passt.

Aber keine Sorge, traurig müsst ihr nicht sein. Auch wenn die Meisten, die diesen Artikel hier lesen, den Wagen am liebsten sofort verbrennen würden. Der Wagen ist so teuer, dass der Preis die meisten hindert und nicht die Isofix Station.
Karl Geiger hat das Fahrzeug für 250.000 Euro gekauft, obwohl der Wagen in den Staaten nur 110.000 Dollar gekostet hat. Aber die First Edition ist halt nun mal vergriffen. Und es sind etliche 10.000 Euro für die Standardisierung für deutsche Straßen einzuplanen. So hat er beispielsweise im ersten Durchlauf die Geräuschmessung nicht geschafft, weil die Reifen so laut gequietscht haben, wenn man bei 50 km/h Vollgas gegeben hat.

Karl Geiger selbst ist kein großer Elektrofan. Wer ihn aber kennt sollte wissen, warum. Er ist mit V8 groß geworden und handelt auch mit diesen. Seine Verkaufszahlen zeigen, dass in gewissen Kreisen das Elektroauto noch eine unerwünschte Nische ist. Eine Nische, die langsam den Verbrenner verdrängen wird wie einen unerfreulichen Tumor, denn genauso sehen diese Leute die Elektromobilität. Aber bis dahin wollen sie von den Früchten des V8 und des Verbrenners generell zehren. Und genau hier wären wir am Anfangspunkt meines Beitrags. Wenn du jetzt auch noch mit deinem Hyundai Ioniq erster Generation inklusive Aufkleber hinten dran “save the planet” vor solchen Leuten mit erhobenem Zeigefinger stehst, wirst du mit dieser Oberlehrer Einstellung auch den Zeitpunkt hinauszögern, zu dem dieser Käuferkreis wahrscheinlich irgendwann von selbst zum Elektroauto gewechselt hätte.

Einigen wie uns einfach unter uns, dass der Hummer EV für deutsche Straßen einfach der Inbegriff der Sinnlosigkeit ist, faszinierend allerdings ist er schon.

Das Video von Car Maniac:

 


Weitere Car Maniac E-Auto-Tests sind auch in der im Oktober neu erschienenen 16. Ausgabe des T&Emagazin zu finden:

 

 

Die Ausgabe 16 des T&Emagazin
(3. Quartal) ist erschienen
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Die Themen:

  • Editorial – Timo Schadt: Handlungen sind erforderlich
  • Tesla Welt – News des Quartals
  • Elektromobilität – Dirk Bergel: S3XY CARS Community 2022
  • Elektromobilität – S3XY CARS Community auch 2023?
  • Elektromobilität – Martin Hund: Produktion, Bauformen, Arten von Zell-Packs
  • Elektromobilität – Timo Schadt: Ein persönlicher Befreiungsschlag – Weg vom Verbrenner!
  • Elektromobilität – Christoph Krachten: E-Auto-CO2-Bilanz
  • Elektromobilität – Dr. Heiko Behrendt: PKW Kosten
  • Elektroauto Guru – E-Autos zu teuer wegen Strompreis?
  • Elektromobilität – Car Maniac E-Auto-Tests
  • T&Etalk – Rückblick: Campen mit E-Auto
  • T&Etalk – Tesla AI Day II, Jahresbilanz Energie- & Verkehrswende
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