Car Maniac zum VW ID.Buzz

Es war doch klar, dass sich jeder wieder auf die Berichterstattungen des VW ID.Buzz stürzen wird. Und es war genauso klar, dass wieder viele Kritik kommt, teilweise berechtigt, teilweise aber auch nicht.

Kopenhagen, 29 August 2022. Ich steige in ein Auto, von dem ich weiß, dass die Leute darauf brennen zu wissen, was er kann. Es gab schon eine statische Weltpremiere, sowie ein vorab Covered Drive, an dem ich teilgenommen habe und einige meiner gesammelten Eindrücke haben sich geändert.


Der Name meines Beitrags auf YouTube lautete: „Echt sau gut, warum ich aber dennoch einen T7 kaufen würde“. Der T7 ist natürlich für viele hier Gift. Es wird vergessen, das jahrzehntelang der Verbrenner gut genug war, jetzt wird er verteufelt. Verfolgt man aber die Philosophie eines solchen Fahrzeugs, sprechen nun mal viele Dinge für die Verbrennervariante, die es ja auch als Plug-in-Hybrid gibt, welcher dann im kompletten Alltag elektrisch bewegt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, finde ich, eine hauseigene Wallbox, sonst macht das ganze keinen Sinn. Keiner fährt an eine städtische Ladesäule jeden Tag, um seinen Plugin Hybrid Familienwagen zu laden.

Warum aber urteile ich so? Also fangen wir mal an mit dem Guten: der VW ID.Buzz ist ein unfassbar solides Fahrzeug, welches sich bewegen lässt, wie ein PKW. Er sieht wahnsinnig gut aus und fühlt sich auch wahnsinnig gut an beim Fahren. Einfach emotional, ohne beschreiben zu können, was ich genau fühle. Grundsolide einfach. Er lässt sich sogar städtisch mit knapp 16,9 kWh Durchschnittsverbrauch fahren. Auf der Autobahn sieht das leider schon ziemlich anders aus, dazu gleich mehr. Die Welt des elektrischen Bulli startet bei 65.000 Euro. Das ist dann die Pro Version und auch die Einzige, die es momentan zu kaufen gibt. Wer noch Ausstattung drauf packt, kommt ziemlich schnell bei 75.000 Euro raus. Das ist halt schon ein stolzer Preis und, wie einer meiner Kommentatoren geschrieben hat, für viele drei netto Jahresgehälter.

Große Freude wiederum, wenn man sich diesen Preis leisten kann, bereitet die neue Software 3.2. Oft genug kritisiert, hat Volkswagen die Software mit der Zeit stetig verbessert, so dass wir hier von einem wirklich absolut vollwertigen Navigationssystem mit idealer Routenplanung sprechen. Man kann sich einfach darauf verlassen und losfahren, ohne Vorbereitung. Die Sprachwahl funktioniert einwandfrei. Die 204 PS über das Heck treiben den 2,5 Tonnen Bus mit 4,71 Meter Länge überraschend dynamisch an. Die entsprechende Energie liefert der von der MEB-Plattform bekannte 77 kWh Akku. Der nicht kleine, aber auch nicht wahnsinnig große, Van lässt sich sehr gut manövrieren mit seinen knapp elf Metern Wendekreis. Bis zu fünf Menschen finden Platz in dem Auto, aber Teil meiner Kritik ist WIE. Denn im Gegensatz zu vielen, selbst Kleinfahrzeugen, bietet dieser Wagen nur zwei Isofix Punkte. Für Familien mit drei Kindern, wie unsere, leider ein No-Go. Des Weiteren sind die Sitze hinten, genau wie in einem PKW, nicht einzeln, wie wir das von Vans kennen. Heißt, man hat dieselbe Problematik mit Kindersitzen, nur eben zugegebenermaßen mit wesentlich mehr Platz. 1.102 Liter Kofferraumvolumen ist schon ein Wort. Deswegen sage ich: der ID.Buzz ist in dieser Konfiguration wie ein größerer ID.4.

Warum sage ich in dieser Konfiguration? Gibt es eine andere? Ja, denn das ist die gute Nachricht. Die Schlechte: erst Ende 2023. Denn dann kommt der Sechs- beziehungsweise Siebensitzer. Letzterer sogar mit 30 Zentimetern mehr Länge. Die sind dann für die Familie besser geeignet, denn der Sechssitzer hat auf jedem Sitz einen Isofix Punkt und der Siebensitzer zumindest vier Stück. Natürlich werden diese dann auch noch teurer. Genauso wie die Tatsache, dass wahrscheinlich der Siebensitzer nur mit der 90 kWh Akku Variante zu kaufen sein wird. Das ist einerseits eine gute Nachricht, denn das verspricht passablere Reichweiten, andererseits aber auch einen noch höheren Preis. 85k wird da also meiner Prognose nach nicht unwahrscheinlich sein. Ein Fünfer mehr für die Fahrzeuglänge und ein Fünfer mehr für den größeren Akku. Dieser soll dann aber auch zwei Motoren haben und stärker sein. Vermutlich auf Niveau GTX, also knappe 300 PS.

Wer mich kennt weiß, ich lege Wert auf Power. Diesem Auto fehlt aber nicht Power. Dem Auto fehlt, auch wenn das viele nicht hören wollen, noch mehr Akku. Warum? Nun ja: wir denken jetzt mal an die fünfköpfige Familie, die in den Urlaub fährt. Nach Kroatien aus München oder aus Hamburg nach Südtirol oder nach Rimini meinetwegen. Da sprechen wir von zwischen 900 und 1.300 Kilometern Fahrt. Bislang mit einem Bus aus dem Verbrennerbereich kein Problem. Man hat viel Platz, man kann auch anhalten, aber halt eben dann, wenn man will. Auf der Autobahn wird dieser erste Ladestop hier aber nach knapp 260 Kilomtern stattfinden, wenn man 120 km/h Tempomat fährt. Wieso? Das ist ziemlich einfach zu berechnen: bei meiner Fahrt zwischen Schweden und Dänemark, was ja komplett eben ist aber trotzdem in beide Richtungen gemessen wurde, hat der Wagen 27 kWh Durchschnittsverbrauch auf 100 Kilometern angezeigt. Das heißt, man kommt 285 Kilometer weit. Da man aber nicht mit null Prozent an die Ladesäule will, erst recht nicht im Ausland, muss man mit ungefähr mit fünf Prozent ankommen, was 260 Kilometer Reichweite entspricht, ausgehend von 100 Prozent, mit denen man losfährt. Im Ladetest hat der ID.Buzz genauso überzeugt wie mit seinen Assistenzsystemen auf der Autobahn. Er hat genau 30 Minuten von 5 bis 80 Prozent gebraucht, wie das Volkswagen prophezeit. Ich habe sogar eine beeindruckende Ladepeak von 186 kW ablichten können.

Die Assistenzsysteme sind zuverlässig und arbeiten wirklich sehr Smooth. Der Wagen ist unglaublich komfortabel auf der Langstrecke, mit dem ich ja doch ein paar 100 Kilometer an einem Stück gefahren bin, um ihn leer zu kriegen, darüber hinaus ist er extrem ruhig. Hinten aber hört man Windgeräusche. Wer jetzt wieder losfährt, nach den 30 Minuten Pause, die er zwangsweise nach 260 km einlegen musste, schafft mit diesen 80 Prozent aber nur 210 Kilometer. Vielleicht bin ich da empfindlich, aber für pragmatische Familien, die vor allem Kinder an Bord haben und die immer fragen “wann sind wir da”, sind 470 Kilometer mit einer halben Stunde Ladepause vielleicht in Ordnung, aber, hochskaliert auf längere Strecken, sind die Stopps einfach zu häufig und zu bald. Denn auch wenn in der Elektromobilitätsblase oft propagiert wird, dass Kinder doch wahnsinnig gerne stehen bleiben, lautet die Frage aber nicht “wann sind wir an der Ladesäule”, sondern “wann sind wir da?” Die Hibbeligkeit hört erst auf, wenn man am Ziel angekommen ist. Menschen mit Familie wissen das. Menschen ohne Familie wiederum interpretieren permanent, was Kinder wohl so denken während der Fahrt und wie toll sie Ladepausen nach 210 km finden. Tun sie vielleicht beim ersten Mal, aber nicht bei den weiteren Malen.

Das zeigt zwei Dinge ganz klar: Einerseits, dass dieses Fahrzeug natürlich für den Alltag sehr, sehr gut geeignet ist und die perfekte Alternative zu den Kombis, die es in der Elektromobilität nicht so wirklich gibt. Andererseits aber auch, dass wenn es auf die Langstrecke geht, was man mit solch einem Auto ja doch mal tut, dann fehlt ihm einfach Akku. Wir sind momentan an einem technologischen Punkt, wo leider bessere Effizienz bei dieser Bauart mit einem 0,28er CW Wert nicht möglich ist. Dementsprechend muss man entweder mit dieser Reichweite leben, womit man aber einen VW Bus T6 oder T7 Fahrer nicht herum kriegt oder man verbaut einfach größere Akkus, die aber auch günstiger in der Anschaffung sein müssen. Wie viel soll denn diese Elektromobilität noch kosten, muss ich fragen?

Wir wollen die Elektromobilität größer machen, um weniger CO2 auszustoßen? Dann muss das auch ein wir sein und nicht ein ihr. Die Regierung muss da weiterhin den potenziellen Käufern unter die Arme greifen: Förderungen für den Kauf, bessere Infrastruktur im Ausland und allen voran, einfach viel, viel mehr simplicity beim Thema Aktivierung von Ladesäulen. Da wir das aber gerade nicht können, so schnell von heute auf morgen, müssen einfach die Akkus größer sein. Wenn wir das nicht wollen und das andere gerade nicht können, muss man halt auch von einem passionierten Elektromobilisten mit der Kritik leben können, dass ich für meine Familie, mit drei Kindern, bei regelmäßig langen Strecken über das Jahr verteilt einen T7 nehmen würde und nicht diesen hier. Ich kann das natürlich sagen, weil wir unseren jetzigen Plug in Hybriden, den Audi Q7,auch an der Wallbox zu Hause über Solarstrom laden. Der Fahrer eines effizienten Renault Zoe, der aber öffentlich laden muss, weil er kein Eigenheim mit Wallbox hat, fährt tatsächlich CO2 bilanziell schlechter als wir, mit dem großen Q7 Plug in Hybriden, der ausschließlich Sonnenstrom lädt. Dies zeigt, dass die Individualität eines jeden Einzelnen aus der Elektromobilität was Besseres oder was Mittelgutes machen kann. Aber zu pauschalisieren, dass jemand mit einem T7 viel rücksichtsloser ist, als jemand mit einem vollelektrischen Auto, ist hierbei genau die rosarote Brille und das Schubladendenken, was die Elektromobilität aus vielerlei Perspektiven leider noch unattraktiv macht.

Hinzu kommt bei diesem Auto, so attraktiv es auch aussieht und für den Alltag, auch wesentlich praktischer ist in Sachen Größe, in der Umweltbilanz und auch beim 100 Kilometerpreis als die Verbrennervariante, dass bald ein Update kommt. Das bringt nicht nur das heiß ersehnte Head-up-Display, welches es momentan nicht gibt, sondern auch mehr Motorpower. Auch wenn diese Sache mit der Motorpower viele Elektromobilisten gar nicht interessiert, ist es aber dennoch so, dass der, der jetzt im November zu den ersten Besitzern des ID.Buzz gehört, eigentlich schon einen alten ID.Buzz hat.

Wer seit Mai, als das Bestellfenster aufgegangen ist, bestellt hat, kann sich im November wahrscheinlich darüber freuen, Alle anderen, die jetzt bestellen werden, wohl mit realistisch einem Dreivierteljahr rechnen müssen. Alles in allem hat VW wirklich einen sehr guten Job gemacht vor allem, weil wir momentan in Sachen Qualität und Anmutung bei allen Herstellern vom guter Richtung schlechten abdriften, Die eierlegende Wollmilchsau ist das Auto aufgrund des technologischen Standes momentan nicht, wenn man im Kopf hat, was ein VW T5, T6 oder T7 kann oder eben andere Vans mit Verbrennungsmotor. Sie können viel mehr ziehen, kommen viel weiter und bieten mehr Individualität im Innenraum.

Das Video von Car Maniac:

 


Car Maniac hat weitere E-Auto-Tests im T&Emagazin veröffentlicht:

 

In der Ausgabe 15 des T&Emagazin, sind spannende Themen rund um E-Mobilität, Tesla und regenerative Energien zu finden.

Die Zeitschrift hat 52 Seiten und ist prall gefüllt mit Berichten zu Themen der Elektromobilität und zu regenerativen Energien.

Ein Exemplar der Ausgabe 15 kann gegen Versandkostenübernahme hier bestellt werden.

5 Exemplare, 10 Exemplare und 20 Exemplare zum Weiterverteilen zu geringen Mehrkosten.

Wer die Zeitschrift dauerhaft beziehen möchte kann ein Abo abschließen.

Zu den Inhalten aller vorherigen, älteren Ausgaben geht es hier.

 

Die Themen dieser Ausgabe:

Leser-Reaktionen
EditorialE-Mobilität nicht mehr ausbremsbar – von Timo Schadt
Tesla Welt News des Quartals – von David Reich
Tesla – Cyber Rodeo & more – Gigafactory in Texas eröffnet – von Karsten Klees
Tesla – Model X Plaid vs. Model S von 2013von Timo Schadt
Die Herausgeber – Tesla Owners Club Helvetia (TOCH)von Martin Haudenschild
Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V. – von Lars Hendrichs
Innovator – Carsten Fischer plädiert für das Fahren im älteren E-Auto Interview von Nino Zeidler & Timo Schadt
Elektroauto Guru – Tuning fürs E-Auto?von Nino Zeidler
S3XY CARS Community – Das größte E-Auto Event am 30.7. – von Timo Schadt
T&Etalk – Rückblick: E-Fahrzeug-Design – furchtbar? – von Timo Schadt
Elektromobilität – Wie funktioniert eine Akkuzelle – von Martin Hund
Elektromobilität – Car Maniacs E-Auto-Tests – von Christopher Karatsonyi
Wirtschaft – Medien zwischen Fake News & BildungsauftragInterview von Timo Schadt mit TV Journalist Jochen Rosenkranz
Wirtschaft – Internet für alle: Was ist Starlink? – von Moritz Blunt
Energie- & Verkehrswende – Brennstoff aus Treibhausgasen – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Geldverschwendung mit Atomkraft – von Dr. Heiko Behrendt
Energie- & Verkehrswende – Potenzial von Vehicle-to-Grid Interview mit Loris Di Natale von Fritz Kleiner
Technophilosoph – Wenn Robotaxis vor der Polizei abhauen – von Dr. Mario Herger
Reisebericht – Halide Studer fuhr mit dem Model S nach Istanbul von Beat Jau
Reisebericht – USA mit dem Tesla – von Lars Hendrichs
Fanboy – Synergien im Elon Universum von Gabor Reiter

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