Der Batteriestoff Grafit wird langsam heller

Grafit (auch Graphit) heißt Grafit, weil man damit schreiben kann. Eigentlich kennt jede:r deshalb das graue Zeugs, das wir in den falsch benannten Bleistiften finden, Grafit. Zehn Tonnen davon dürften in deutschen Haushalten herumliegen. Es sieht aus wie Blei, vielleicht daher die Bezeichnung Bleistift, ist aber fünfmal leichter. Und es ist in riesigen Mengen gefragt, aber nicht für Bleistifte, sondern für E-Auto-Batterien.

Ende des Jahres werden wahrscheinlich 40 Millionen E-PKW auf der Welt herumstehen, damit wären 3% der PKW elektrisch angetrieben. Die restlichen 97% auf dem Weg zur Massenelektrifizierung erzeugen eine riesige Nachfrage nach Lithium, Kobalt und Grafit sowie anderen Rohstoffen. Nachdem weltweit neue Vorkommen für Kobalt entdeckt wurden, sind die Kathoden einer Batterie vorerst versorgt, jetzt sind noch die Anoden zu versorgen. Jede E-Auto-Batterie benötigt etwa 70 bis 90 Kilogramm Grafit. Hier allerdings läuft die Industrie in ein Angebotsproblem. Das Londoner Unternehmen Benchmark Mineral Intelligence schätzt ein Wachstum des Bedarfs von heute 1,2 Millionen Tonnen jährlich auf etwa 4 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Derzeit ist allerdings erst zwei Drittel dieses Wachstums abdeckbar. Es muss noch viel mehr Grafit gesucht und gewonnen werden.

Der größte Teil des Grafits für Batterien wird nicht in Bergwerken gewonnen, sondern entsteht derzeit als Abfallprodukt der Koksgewinnung und der petrochemischen Industrie, wobei riesige Mengen an Emissionen anfallen. Unser Globus wird deshalb zurzeit nach ähnlich reinem Grafit durchsucht. Doch selbst solch reines Grafit muss noch bis auf 99,95% gereinigt werden, weil kleinste Unreinheiten den Stromfluss zur Anode behindern. Bislang wird das Grafit mit Fluorwasserstoffsäure oder ähnlichen hochkorrosiven Stoffen gereinigt, ein Prozess, der derzeit überwiegend in China erledigt wird. Die Abhängigkeit von China ist bereits bei Lithium mit 60% hoch, bei Grafit sind es mehr als 90%. Beim Abbau von Grafit ist China mit 700.000 Tonnen jährlich weit führend, gefolgt von Mosambik mit 153.000 Tonnen, Brasilien mit 81.000, Madagaskar mit 53.000 und Nordkorea mit 45.000 (2019).

Um diese hohe Abhängigkeit von China zu vermindern, wird nach abbaubaren Grafitvorkommen vor allem in Europa und den USA gesucht. Da in diesen Ländern aber hohe Umweltstandards gelten, werden sauberere Methoden beim Abbau und der Reinigung benötigt. Die erste Grafitfabrik Europas, in Lulea, versendet bereits Materialproben an Batteriehersteller, gewonnen aus Grafit, welches in der Nähe von Kiruna in Nordschweden ausgegraben wird. Gereinigt wird dieses Grafit mit einem milderen Verfahren als bislang üblich, wodurch weniger problematischer Abfall entsteht. Zudem wird die Fabrik mit Wasserstrom betrieben. Eine Jahresproduktion von 100.000 Tonnen wird angestrebt, woraus Batterien für etwa 1 Million E-Autos produziert werden können.

Acht Millionen Tonnen Grafit werden in Nome, im hintersten West-Alaska vermutet. Von dort soll es zu einer Fabrik transportiert werden, die im Bundesstaat Washington geplant ist. Auch hier soll eine weniger umweltbelastende Reinigung erfolgen, die derzeit zusammen mit einem chinesischen Unternehmen entwickelt wird.

Geforscht wird auch an neuen Anoden-Materialien. Zum Beispiel Silizium, das aber mit dem Aufladen anschwillt und beim Entladen wieder schrumpft, was eine Batterie schädigen kann. Doch können dem Grafit kleine Mengen von Silizium beigemischt werden, was immerhin die Performance einer Batterie erhöht, so dass weniger Grafit benötigt wird. Andere Formen von Kohlenstoff können ebenfalls geeignet sein, so versucht das finnische Unternehmen Stora Enso Kohlenstoff-Pulver aus Lignin herzustellen, welches als Abfallprodukt bei der Papierherstellung anfällt. Lignin ist der Stoff, der dafür sorgt, dass Bäume stehen können. Dieses Verfahren soll mit niedrigeren Temperaturen als sonst auskommen, Details werden nicht genannt.

In den letzten Jahren sind weltweit allerdings 300 Milliarden Dollar in Gigafactories gesteckt worden, so dass Grafit bis auf weiteres die Batteriewelt bestimmen wird. Mit neueren Verfahren und saubereren Bergwerken kann die dunkle Seite der E-Auto-Herstellung mit der Zeit aber ein wenig grüner werden. Grafit ist reiner Kohlenstoff, sozusagen am grauen Ende der Kohlenstoff-Erscheinungsformen, am glitzernden Ende finden wir Diamanten, ebenso reiner Kohlenstoff, dazwischen könnte in Zukunft leicht grüner Grafit zu finden sein. Der Bleistift hingegen wird grau bleiben.

 

Dieser Text basiert auf einem Artikel im ‚The Economist‘, 4th-10th 2023, p. 64



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  • Gesellschaft – Ist eine Solaranlage das neue Auto?
  • Energiewende – Der Batteriestoff Grafit wird langsam heller
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