Von aufspringenden Frunks und China-Fakeware
Auch Fahrzeuge von Tesla haben Schwächen. Interessant ist, dass das US-amerikanische Unternehmen zum einen stets bemüht ist, die Fertigung der Fahrzeuge zu optimieren, was sie letztlich günstiger macht. Tesla berücksichtigt aber auch die Kundenwünsche und fixt die vermeintlichen Schwächen. Eindrucksvoll dokumentiert ist dies in neusten Auslieferungen des Model 3.
Ob beispielsweise eine elektrische Heckklappe oder der verschwundene Klavierlack auf der Mittelkonsole – Tesla verbessert, ohne das großartig anzukündigen, seine Fahrzeuge.
Die, die früher zugeschlagen haben, dürften die neuen Features wohl schon vermissen. Doch ihnen bleibt die Möglichkeit, auf dem Drittmarkt Kompensation zu kaufen. Nicht immer ist es wegen Schwächen. Auch um der Optik wegen und um das erworbene Fahrzeug zu individualisieren wird zuweilen ins Portemonnaie gegriffen. Der Tuning-Markt, auch für Tesla-Produkte, wächst parallel zur steigenden Präsenz der Elektro-Flitzer auf der Straße.
Nun haben Tesla-Kunden schon eine Stange Geld beim Kauf abgedrückt. Und selbst wenn ihnen Qualität beim Grundprodukt in vielerlei Hinsicht wichtig war, sind Menschen stets um Kostenersparnis bemüht. Wenn der Markt es hergibt, greifen sie lieber zum kostengünstigeren als zum teureren Anbieter. Doch manchmal ist kostengünstig schlicht billig und zuweilen sogar gefährlich.
Fahrzeughalter, die aus der Garantiephase bei Tesla herausgefallen sind, wollen zudem drohende Wartungskosten durch Einschaltung freier Werkstätten vermeiden. Doch auch dort können Kosten- und Gewährleistungsfallen entstehen.
Tesla war nach Aufenthalt in freier Werkstatt nicht mehr verkehrssicher
Einen solchen gefährlichen Fall schildert Daniel Wohlschieß. Der Mitarbeiter vom Reber Reifenhaus in Murr ist der Auffassung: „Nicht jeder mit einem Schlagschrauber in der Hand weiß auch, was er damit tun soll.“
Die Spurschraube links hinten bei einem Tesla Model S war lediglich handfest angelegt. „Dies wiederholte sich so auch an der Spur HR, an der Spur VA beidseitig, an den Sturzeinstellschrauben und am Nachlauf links.“ So seien auch die Spurstangenmuttern lediglich handfest angelegt worden. Eine Woche zuvor hatte der Fahrzeughalter eine freie Werkstatt in der Nähe von Kassel besucht.
„Das Fahrzeug war nicht mehr verkehrssicher“, beschreibt Daniel Wohlschieß den vorgefunden Zustand.
Reifen mit zu geringer Tragfähigkeit und falschen Felgen
Am selben Fahrzeug wurde durch die Mitarbeiter der Firma Reber noch ein weiterer Mangel erkannt:
Ein genauer Blick auf die verbauten Zubehörfelgen und die dazugehörigen Papiere bestätigte, dass die Tragfähigkeit des Reifens nicht ausreichend war. Hier wäre ein Mischbereifung erforderlich gewesen, was nicht der Fall war“, erläutert Daniel Wohlschieß von Reifen Reber.
Der Blick in das Gutachten bestätigte, dass dieses Rad nur auf der Vorderachse verbaut werden darf. Der Lieferant der Zubehörfelgen hatte das nicht berücksichtigt.
Falsche Lackschichtdichte kann den Autopiloten beeinträchtigen
Dass Tesla gerade softwaretechnisch einen anderen Weg geht als die herkömmlichen Automobilhersteller, ist ja hinreichend bekannt und für den einen oder anderen sogar kaufentscheidend.
Die Firma Stegmann aus Bad Dürrheim als „Tesla Approved Bodyshop“ findet es wichtig, dass dieses Thema Gehör findet. „Es ist Zeit und eine gehörige Portion Einsatz nötig, um die Technik und Funktionen, die Tesla in ihre Fahrzeuge verbaut, zu verstehen. Dieses Wissen ist unerlässlich, um Reparaturen so ausführen zu können, dass die Sicherheit der Insassen und anderer Verkehrsteilnehmer gewährleistet ist“, erklärt Dennis Bolz, der als Tesla-Verantwortlicher im Unternehmen tätig ist.
Auch bei der Lackierung kann es zu groben Schnitzern kommen.
Vor der Reparatur gelte es erst einmal zu prüfen, welche Lackschichtdicke zum Beispiel der Stoßfänger aufweist. Kann eine „kleine“ Lackierung oder ein Spotrepair, falls gewünscht, überhaupt ausgeführt werden? Muss die Lackschicht erst einmal abgetragen werden, um nach der neuen Lackierung im zulässigen Bereich zu liegen? Dennis Bolz berichtet von teils „erschreckenden Messergebnissen, von Stoßfängern, welche bereits beim Lackierer nebenan lackiert wurden.“ Trotz optisch guter Ausführung der Arbeiten hätten diese unter Umständen einfach keine Kenntnis von den Vorgabewerten.
Es gibt von Tesla exakte Angaben, welche Lackschichtdicke auf dem vorderen Stoßfänger im Bereich der Radarsensoren nicht überschritten werden darf, um die einwandfreie Funktion des Autopiloten beziehungsweise Full Self Drivings gewährleisten zu können.
Vorsicht beim Windschutzscheibentausch
„Was uns aber immer mehr Sorgen bereitet, wenn durch abgeschlossene Versicherungsverträge mit einer Werkstattbindung Unfallschäden in Werkstätten gesteuert werden, die nicht die technischen Voraussetzungen haben, um alle erforderlichen elektronischen Komponenten zu kalibrieren.“
Dennis Bolz von der Firma Stegmann benennt dazu als Bespiel den Tausch der Windschutzscheibe: „Es erscheint keine Warnmeldung, wenn die Triplecam aus-, beziehungsweise eingebaut wurde. Ohne Hintergrundinfos kann es nun sein, dass dann davon ausgegangen wird, die Kameraeinstellung sei in Ordnung. Das Fahrzeug weiß nun aber nicht, dass die Position der Kamera gegebenenfalls verändert ist und berechnet so die Autopilot-, beziehungsweise FSD-Funktion aufgrund alter Einstellungen.
Schlechte Erfahrungen mit Ware aus China
Auch Influencer Nico Pliquett kann über Qualitätsmängel ein Lied singen. Nicht nur als Autotester, sondern auch als Händler von Tuning-Komponenten für das Tesla Model 3. In seinem Onlineshop shop4tesla.com bietet er Produkte verschiedener Lieferanten an.
Nico Pliquett hatte mit einem Produkt aus Fernost schlechte Erfahrungen gemacht: „Wir konnten nur etwa 20 Prozent der gelieferten Ware aus China an unsere Kunden verkaufen.“ In einem anderen Fall habe der Jungunternehmer sogar „30 Prozent der Ware aussortiert.“
Daher lässt er Ware nun in Hamburg in Handarbeit exklusiv für seine Kunden fertigen. „Wir streben an, möglichst viele Produkte in Europa zu fertigen. Das reduziert nicht nur den CO2-Ausstoß und schafft hier Arbeitsplätze, sondern ermöglicht uns auch eine bessere Qualitätskontrolle.“
Nachgemachte Komponenten können Sicherheitsrisiko darstellen
Über eine Geschichte im TFF Forum ist Michael Scharnberg, Geschäftsführer des Lübecker Lackierbetriebs Jürs, gestolpert. Ein Fahrer eines Tesla Model 3 erzählte hier von einem während der Fahrt aufspringenden Frunk. Dies führte zu einem schweren Unfall – zum Glück nur mit leichten Personenschäden. Er hatte von einem Billighersteller aus China einen elektrischen Frunköffner einbauen lassen.
Michael Scharnberg möchte andere von ähnlichen Fehlern bewahren und begab sich in einen ausführlichen Dialog mit der Firma AMPTech – einem dagegen Seriösen-Hersteller solcher Einbauteile. Diesen Dialog kann man einsehen auf dem YouTube-Kanal der Jürs Lackiererei.
Die Verletzung von Markenrechten ist dabei das eine, die geringe Sicherheit das andere. Während an Türen und Kofferraum verbaute Komponenten zwar bei der Fahrt aufgehen könnten, was dank Fahrtwind nur begrenzt gefährlich werden könne, verhalte sich das bei solchen, die am Frunk – dem vorderen Kofferraum – eingebaut sind anders, wie der eingetroffene Fall zeigt.
Ausführlicher Beitrag
Ein ausführlicher Beitrag in der Ausgabe 9 des T&Emagazin behandelt die angesprochenen und weitere Fälle von Pfusch. In einem wachsenden Markt von Drittanbietern für Tesla kann es richtig gefährlich werden oder zumindest teuer.
Einzelhefte der am 15.1. erscheinenden Zeitschrift, oder auch 5, 10 oder 20 Exemplare zum Weiterverteilen und Auslegen können vorbestellt werden.
Weitere Themen des T&Emagazin 9:
- Tesla – Wie funktioniert ein Autopilot? – Von Martin Hund
- Tesla Welt – News des Quartals – Von David Reich (Tesla Welt Podcast)
- Tesla – Cybertruck Karosserie – Von Martin Hund
- Tesla – Von Daimler nach Grünheide – Interview mit Stefan Schwunk zu seinem Wechsel
- Die Herausgeber – Tesla Fahrer und Freunde (TFF) e.V. – Von Thorsten Dohe
- Die Herausgeber – Tesla Owners Club Helvetia (TOCH) – Von Martin Haudenschild
- Elektromobilität – Bidirektionales Laden mit CSS – Christian Brockmann (Stromgarage)
- Elektromobilität – Informationsquellen – Von Timo Schadt
- Elektromobilität – Ford Mustang Mach-E – Von Michael Schmidt
- Elektromobilität – Car Maniac E-Auto-Test – Von Christopher Karatsonyi
- Elektroauto Guru – Wie funktioniert eine Wallbox? – Von Antonino Zeidler (buzzing DANZEI)
- Elektromobilität – Elektromobilität in der Landwirtschaft – Von Andreas Baum
- Energie- & Mobilitätswende – Streitgespräch ums Autofahren – Jörg Bergstedt und Gabor Reitner
- Energie- & Mobilitätswende – Fazit zum EEG 2021 – Von Felix Goldbach
- Energie- & Mobilitätswende – T&Etalk zur Zukunft
- Innovator – Martin Wrobels privater Tesla-Showroom – Interview von Antonino Zeidler (buzzing DANZEI) und Timo Schadt
- Wirtschaft – 10 Gründe für die Tesla-Aktie – Von Björn Sickel
- Wirtschaft – Superkondensatoren auf Graphen-Basis? – Von Timo Schadt
- Reisebericht – 2.500 Kilometer Dänemark elektrisch – Von Nico Kalb
- Fanboy – Gerüchte um Fusion von Tesla – Von Gabor Reiter
- und einiges mehr…