Bremsen & Anpassen unserer Klimafahrweise

Der Klimawandel soll und muss gebremst werden. Was das alles bedeutet, können wir immer wieder lesen: Umbau der Verkehrsmittel, Umbau der Wälder, Umbau der Gebäude, Anpassungen in der Wirtschaft und so weiter. Machen wir nichts, kostet das einen Haufen Geld, machen wir es, kostet das ebenfalls einen Haufen Geld. Welcher Haufen größer ist, ist nicht absehbar. Doch fangen wir vorne an.

Foto: Jessica Schmidt

Das in Paris ausgehandelte 1,5-Grad-Ziel will den menschengemachten globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, gerechnet vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100. Als vorindustriell wird der Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900 verwendet. Auf der Klima-Homepage meteoblue wird sehr schön in Farbgrafik gezeigt, was unter anderem mit den Temperaturen in weltweit allen möglichen Orten geschieht. Betrachtet wird der Zeitraum zwischen 1979 und 2021, noch ohne das sehr warme Jahr 2022. In diesem Zeitraum nahm der Jahresmittelwert der Temperatur in Paris um 2,0 Grad zu. In 42 Jahren! Das 1,5-Grad-Ziel geht von 200 Jahren aus. In Rom oder Frankfurt sind es ebenfalls +2,0 Grad, auf der kälteren Zugspitze sogar +2,6 Grad. Im relativ heißen Sevilla in Südspanien stieg die Mitteltemperatur dagegen ‚nur‘ um 1,1 Grad. So ist es auch in den subtropischen und tropischen Gebieten: Manaus im Amazonas-Regenwald +0,8 Grad; Niamey im Niger +0,9 Grad; Kisangani im Kongo-Regenwald +1,4 Grad. In kälteren Gebieten stieg die Temperatur tendenziell stärker an, besonders krass in Spitzbergen, knapp 1.400 Kilometer vom Nordpol entfernt, 4,9 Grad mehr.

Weltweit zeigt der Zeitraum 1979 bis 2021 einen Temperaturanstieg von etwa 0,9 Grad, seit der Industrialisierung sind es etwa 1,1 Grad. Aber typisch Mittelwert, er kann viel verschleiern: denn auf den Ozeanen, wo niemand lebt, stieg die Temperatur um 0,88 Grad, auf dem Land dagegen um 1,59 Grad.

Diese Unterschiede in der Erwärmung zwischen See und Land sowie die abnehmenden Temperaturunterschiede zwischen Tropen und Arktis führen, zumindest in Europa, zu einer Verlangsamung und Aufteilung des so genannten Jetstreams, einem Windstrom in ca. 10 km Höhe über den mittleren Breiten, in denen auch wir leben, wie ein Fluss, der auch zu pendeln und sich aufzuteilen beginnt, wenn das Gefälle gering wird. Der Jetstream steuert in unseren Breiten die Tief- und Hochdruckgebiete. Diese bleiben zunehmend in den Schleifen des Jetstreams stehen und bewegen sich immer langsamer von West nach Ost. Die Folge: Hitzewellen dauern länger, wie wir alle gespürt haben, Starkregen dauert länger, wie es zum Beispiel und leider die Bewohner des Ahrtales erleben mussten.

An den Küsten zeigt sich eine andere Bedrohung. Wärmeres Wasser braucht mehr Platz, dadurch steigt der Meeresspiegel, und auf Landmassen schmelzendes Eis vergrößert die Wassermenge. So ist der Meeresspiegel zwischen 1901 und 1990 um 16 cm gestiegen, das macht 1,8 mm pro Jahr, seit 2006 steigt er sogar um 3,6 mm pro Jahr. Das ist vor allem bei Sturmfluten ein Problem. Deshalb sehen sich die Küstenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein gezwungen, die bisherigen Deiche zu Klimaschutzdeichen umzubauen, zu etwa 10 Millionen Euro pro Kilometer. Da die Hauptdeichlinie allein in Deutschland 610 Kilometer lang ist, macht das plus minus sechs Milliarden Euro. Zudem müssen die Siele, deren Tore mechanisch durch Ebbe und Flut bewegt werden, durch Pumpwerke ersetzt werden, denn bereits heute läuft das Wasser vom Land immer schlechter in die Nordsee, weil der Wasserstand bei Ebbe im Mittel immer höher bleibt. Besonders bei Starkregen würde sonst das Land hinter dem Deich volllaufen.

Der Deutsche Forstwirtschaftsrat schätzt den Schaden an den Wäldern durch die Hitze und Trockenheit zwischen 2018 und 2021 auf etwa 15 Milliarden Euro, der Waldumbau zur Klimaanpassung wird die nächsten Jahrzehnte etwa 50 Milliarden Euro kosten. Was noch? Die Gebäude in Deutschland müssten noch an den Klimawandel angepasst werden und zwar, um sich davor zu schützen und um ihn nicht noch stärker werden zu lassen. Das Verbändebündnis Wohnungsbau gibt die Kosten, wenn man es denn wirklich umsetzen kann, Stichworte Material- und Handwerkermangel, mit 145 Milliarden pro Jahr über die nächsten 20 Jahre an.

So sieht es zunächst aus, als koste die Anpassung mehr als die möglichen Schäden. Doch wir wissen nicht, wie häufig Hochwasser und Niedrigwasser werden, wie viel Wald stirbt, welche Schäden an der Verkehrsinfrastruktur entstehen oder ob die neuen Deiche halten. Wir wissen auch nicht, wie hoch die Gesundheitskosten der Hitzewellen sind. Doch, es gibt Schätzungen des Science Media Center, es sind in Deutschland 40 Millionen Euro pro Tag mit einer Höchsttemperatur von über 30 Grad. Wir bewegen uns da in Richtung einer Summe von einer Milliarde pro Jahr. Was wir nicht wissen ist, wie viel Klimaflüchtlinge es geben wird, welche Lieferketten durchbrochen werden, ob der Wald nicht abbrennt, bevor er an Dürre und Hitze stirbt.

In Frankreich starben durch die Hitzewelle 2003 nach einer Schätzung der Münchener Rück 14.800 Menschen. Inzwischen wurden dort klimatisierte Räume eingerichtet, in die sich gefährdete Menschen flüchten können. In Bangladesh wurden in jeder gefährdeten Gemeinde hochwasser- und sturmsichere Gebäude gebaut. Seitdem sterben dort selbst bei schweren Taifunen kaum noch Menschen. Der pazifische Inselstaat Kiribati kauft Land auf den Fidschi-Inseln, weil ihr Land zunehmend im Meer versinkt. Die Schweiz baut Straßentunnel und –galerien, um sie vor Muren und Steinschlag zu schützen, weil aufgrund des tauenden Dauerfrostes in ca. 2900 Meter Höhe die Berge auseinanderfallen.

Es sieht oft so aus, als sei Deutschland kaum vom Klimawandel betroffen, doch wir sind mitten drin. Auch bei uns gibt es bereits Tote und enorme Kosten durch den Klimawandel. Wir werden uns anpassen müssen. Und der Klimawandel soll und muss gebremst werden.


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