E-Autos schon bei der Auslieferung umweltfreundlicher als Verbrenner

Christoph Krachten 

Bei der Recherche zu meinem Buch über Tesla habe ich schon nicht schlecht gestaunt, wie schief die Vergleiche bei Umwelt und CO2-Rucksack zwischen E-Autos und Verbrennern sind. Doch es kommt noch krasser: Denn es wird noch mehr unter den Tisch fallen gelassen. Und wenn wirklich alle Fakten berücksichtigt werden, dann hat das Elektroauto schon bei der Auslieferung einen kleineren CO2-Rucksack und ist auch bei anderen Aspekten umweltfreundlicher.

Christoph Krachten (2 v.l.) beim S3XY CARS Community Event am 30. Juli 2022 auf der Messe Hannover.

Als ich vor 20 Jahren in mein erstes Elektroauto stieg, einen City El, hätte ich Elektroautos von Tesla nicht für möglich gehalten. Damals gab es zwar schon Versuche praxistaugliche Fahrzeuge, wie den Hotzenblitz oder den Elektro-Smart, auf den Markt zu bringen, aber die Batterien waren einfach noch ein großes Problem. Neu gekauft hatte mein Bleigel-Batteriesatz noch eine Reichweite von 60 Kilometern. Aber nach einem Jahr sank er auf 20 Kilometer. Dafür gab es bei diesen Batterien einen geschlossenen Rohstoffkreislauf. Der Umweltschutz war top. Doch bei modernen Lithium-Ionen-Batterien soll das jetzt alles anders sein. Energie intensiv, hoher Wasserverbrauch bei der Gewinnung von Lithium, hoher CO2-Ausstoß bei der Produktion sind die kritisierten Punkte. Sprich: Bei der Auslieferung soll ein Elektroauto mehr CO2 verursacht haben, als ein Verbrenner.

Was aber bei all diesen Vergleichen immer vergessen wird: Benzin und Diesel fallen nicht vom Himmel, sondern sie müssen gefördert, transportiert und raffiniert werden. Funfact am Rande: Für die Raffinierung von PKW-Treibstoff für rund 100 Kilometer Strecke werden rund 10 Kilowattstunden Strom verbraucht. Damit ist schon die Hälfte des Stromverbrauches eines Elektroautos für die Herstellung des Treibstoffes weg. Und nicht besser sieht es beim Wasserverbrauch aus. Für die Förderung von Erdöl werden jeden Tag 46 Milliarden Wasser verbraucht. Da sind die 20 Millionen Liter Wasser, die für die Gewinnung von Lithium in Chile verbraucht werden ein riesen Fortschritt. Das ist nämlich 2.300 Mal weniger!

Und wie jüngst neue Studien zum CO2-Rucksack verdeutlichen: Auch da werde bisher die Ölförderung komplett vergessen. Denn die ist weitaus CO2-intensiver als die Stromproduktion, vor allem, wenn der immer höhere Ökostromanteil berücksichtigt wird, der für Elektroautos eingesetzt wird. Beim Verbrenner muss nämlich die gesamte Infrastruktur für die Ölförderung, der Transport und die Raffination mit berechnet werden. Es darf nicht vergessen werden, dass Ölplattformen gebaut werden müssen, Tanker, Raffinerien und sie alle während des Betriebes eine Menge CO2 produzieren, was Windräder und Solarzellen nicht machen. Bei einem Vergleich, der also bei beiden Antriebskonzepten alle Emissionen berücksichtigt, da sieht das Ergebnis für den CO2-Rucksack des Elektroautos deutlich besser aus.

Eine neue Studie der Bundeswehr-Universität in München kommt zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass Elektroautos 89 Prozent weniger CO2 im Laufe ihres Fahrzeuglebens produzieren als Verbrenner. Und dabei ist die lange Lebensdauer von Batterien und Fahrzeugen noch gar nicht berücksichtigt. Gerade habe ich die Batterie meines Elektrosmarts, Baujahr 2013, im Langzeittest über die nahezu gesamte Entladung getestet. Die Kapazität liegt nach fast 10 Jahren noch bei 89 Prozent. Und die Degeneration wird ja immer langsamer, so dass die Batterie kaum noch an Kapazität verlieren dürfte. Und bei Tesla geht man von einer Lebensdauer von rund 800.000 Kilometern aus. Das dürfte die Bilanz nochmals deutlich verbessern.

Auch die Yale-Studie, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, geht davon aus, dass bei einer fairen CO2-Bepreisung Elektroautos deutlich billiger wären, weil ihr CO2-Rucksack bei der Auslieferung schon kleiner wäre als bei einem Verbrenner, wenn eben bei beiden Antriebsarten jeweils die Lieferketten mit berücksichtigt würden.

Und in meinem Buch habe ich bereits eine Studie des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier ausführlich beschrieben. Die Studierenden sind besonders gründlich an das Thema gegangen. Obwohl sie die Produktionskette für die Verbrennertreibstoffe gar nicht berücksichtigt hatten, war die CO2-Bilanz bei Elektroautos bei ihnen deutlich besser als die von Verbrennern. Das dürfte auch daran liegen, dass Elektrofahrzeuge generell kaum Rohstoffe verbrauchen. Während es bei Verbrennern tausende Liter Benzin oder Diesel sind, können die Werkstoffe von Fahrzeug und Batterie fast komplett recycelt werden. Am Ende bleibt ein zweistelliger Kilobetrag an Material, was tatsächlich entsorgt werden muss.

Verblüffendes Ergebnis der Studie: Der elektrische Reisebus ist das effektivste Verkehrsmittel. Er hat das geringste Gewicht pro Passagier und für ihn gibt es ein Tempolimit. Er und Videokonferenzen sind also das beste Instrument, um den Energieverbrauch bei der Fortbewegung nochmal deutlich zu senken. Korreliert mit der Bequemlichkeit sind dann allerdings wieder Auto und Bahn im Vorteil.

 

Zum Autor:


Tesla oder: wie Elon Musk die Elektromobilität revolutioniert

 Besagtes Buch ist hier erhältlich


Christoph Krachten schreibt regelmäßig im T&Emagazin. Diese und weitere interessante Artikel zu Tesla, E-Mobilität und regenerativen Energien finden sich in der aktuellen 16. Ausgabe des T&Emagazin:

 

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Die Themen:

  • Editorial – Timo Schadt: Handlungen sind erforderlich
  • Tesla Welt – News des Quartals
  • Elektromobilität – Dirk Bergel: S3XY CARS Community 2022
  • Elektromobilität – S3XY CARS Community auch 2023?
  • Elektromobilität – Martin Hund: Produktion, Bauformen, Arten von Zell-Packs
  • Elektromobilität – Timo Schadt: Ein persönlicher Befreiungsschlag – Weg vom Verbrenner!
  • Elektromobilität – Christoph Krachten: E-Auto-CO2-Bilanz
  • Elektromobilität – Dr. Heiko Behrendt: PKW Kosten
  • Elektroauto Guru – E-Autos zu teuer wegen Strompreis?
  • Elektromobilität – Car Maniac E-Auto-Tests
  • T&Etalk – Rückblick: Campen mit E-Auto
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