Eine Bierdeckel-Bilanz

Eine häufige Vergleichsrechnung, die ich höre, ist zum Beispiel: „Waaas, die Fahrkarte soll 100 Euro kosten, mit dem Auto komme ich da für 40 Euro hin“ (im Kopf: 400 Kilometer mal 5 Liter auf Hundert mal 2 Euro/Liter). Meist braucht das Auto dann sicher nicht 5 Liter, sondern eher 6,5 Liter, aber egal. Habe ich eine BahnCard 50 und buche vier Wochen vorher, kostet die Fahrkarte auch nur 50 Euro, aber auch egal. Was ich wirklich sagen wollte, war: Wir haben unser Auto verkauft!

Das heißt meine Frau hat ihr Auto verkauft, denn ich habe gar keinen Führerschein. Das Auto war ein VW Polo 1.4 ‚Blue Motion Technology‘, in weiß, 2010 in Wolfsburg abgeholt. Er wurde in den ersten Jahren viel gefahren, 45 Kilometer zur Arbeit, dann wurde er für die Arbeit nicht mehr gebraucht, also nur noch für Freizeitfahrten, Urlaub etc. In den letzten paar Jahren hatte er (in anderen Ländern ‚es‘) sogar einen Garagenplatz, 300 Meter von der Wohnung entfernt. Er blieb insgesamt zwei Mal liegen, einmal gerade noch bis zu einer Werkstatt fahrbar und einmal kam der Abschleppwagen. Dann sind wir noch einmal mit ihm nach Hamburg, aber Mega-Stress, 7,5 Stunden hin und auch wieder zurück, für 520 Kilometer! Letztes Jahr bin ich dann mit dem Fahrrad mehr gefahren als wir mit dem Auto. Kurz, das Auto fraß in seinem Stall nur noch Geld. Die Preise für Gebrauchte sind auch sehr gut, die Gelegenheit, das Ding loszuwerden. Für 5.400 Euro verkauft, ein guter Preis.

Damit lag der Wertverlust nur bei 12.200 Euro in 12 Jahren, knapp 85 Euro im Monat. Versicherung und Steuer beliefen sich auf 13.600 Euro, 800 Euro gingen für Reifen drauf (Kaufen, Wechseln, Einlagern), 3.000 Euro kostete in den letzten vier Jahren die Garage (50 Monate). Die Reparaturen beliefen sich auf 5.000 Euro (ein Miniunfall, die Motorsteuerung, Katalysatorprobleme, …). Und jetzt kommt es: der Treibstoff (Diesel) kam auf 5.400 Euro, nur 13 Prozent (!) der Gesamtkosten von 40.000 Euro. Beim Verkauf zeigte der Tacho 88.000 Kilometer, das macht 45 Cent Gesamtkosten pro Kilometer.

Die 400-Kilometer-Beispielfahrt von oben kostete mit einem Polo Diesel in den letzten Jahren im Mittel 180 Euro, heute dürften es wegen der höheren Treibstoffkosten acht bis zehn Euro mehr sein. Das ist gar nicht so überraschend viel mehr, denn 87 Prozent der Kosten unseres Autos waren eben kein Treibstoff. Wenn wir zu zweit fuhren, kostete unser Auto also in den letzten 12 Jahren dasselbe wie eine heute für heute gekaufte Bahnfahrkarte, wenn wir früh buchen und eine BahnCard 50 haben, müssen wir schon zu viert in dem Auto fahren, um dasselbe Geld auszugeben, dürfen es dann aber nicht im Parkhaus abstellen. Na gut, dass wäre der Kaffee im Speisewagen. Das heißt auch, bei einer früh planbaren Fahrt müssten in einem großen Auto sechs oder sieben Personen fahren, um mit den Bahnpreisen gleich zu ziehen, in einem krassen Porsche 16 Personen. Der verbrennt tatsächlich 16 Bahnfahrkarten auf jeder seiner Strecken.

Die Infrastrukturkosten und die Umweltkosten lasse ich mal weg. Der Kilometer Bahn-Schnellfahrstrecke kostet ähnlich viel wie der Kilometer Autobahn. Bei den Umweltkosten ist die Sache klar, bei den Gesundheitskosten, Verletzten, Lärm, Dreck, Stress, sowieso.

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Aufbruch zu neuen Ufern: Verbrenner weg!

 

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  • Elektromobilität – Dr. Heiko Behrendt: PKW Kosten
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4 Gedanken zu „Eine Bierdeckel-Bilanz

  1. DANKE für diesen Beitrag! Leider lügen sich die meisten Autofahrer lieber in die eigene Tasche anstatt diese ehrliche Rechnung anstellen. Die Kraftstoffkosten waren (und sind immer noch) eben nur ein Bruchteil der Gesamtkosten. Leider hast Du die Fahrleistung nicht angegeben aber ich schätze mal, dass es so knapp 100.000 km waren, oder? Dh. Du hattest reale Kosten von ca. 40 Cent/km.
    Ich habe genau diese (Vollkosten-)Rechnung für meine beiden Verbrenner gemacht und liege bei 40 – 50 Cent/km (grössere Fahrzeugkategorie, allerdings gebraucht gekauft und 10 Jahre gefahren).

    1. Ich wohne nicht am Bahnhof, aber in einer Stadt mit 90.000 Einwohnern und 6 Bahnhöfen.
      Einer davon kann in 10 Minuten mit dem Bus erreicht werden.
      Meine Ziele liegen tatsächlich nicht alle direkt am Bahnhof.
      Aber ich hätte noch nie ein Ziel, das nicht per S-/U-Bahn/Tram/Bus erreicht werden konnte.
      Die Tickets für den ÖPNV sind übrigens im Bahn-Fernreiseticket schon enthalten (City-Ticket).
      Und wo ist jetzt das Problem, wenn ich nicht direkt am Bahnhof wohne?

      1. Das Problem ist dann relevant, wenn man nicht nur nicht am Bahnhof wohnt, sondern quasi vom ÖPNV abgeschnitten auf dem Land lebt. Aus meinem Dorf (600 Einwohner) heraus fährt zweimal täglich ein Bus, gleich früh morgens, damit die Kinder in die Schulen kommen. Am Wochenende fährt keiner und in den Ferien auch nicht. In der Tagesmitte kommt immerhin 5 Mal ein Bus zurück ins Dorf, da die Kinder aus verschiedenen Schulen zu unterschiedlichen Zeiten Schluss haben – Ferien und Wochenende müssen daher wieder nicht bedient werden.
        Ich habe es zu Zeiten des 9€-Tickets wirklich versucht, aber es ist schlicht unmögllich den ÖPNV für die Fahrt zur Arbeit zu nutzen. Mit dem Rad zum nächsten Bahnhof ist hin und wieder machbar, aber sicher nicht täglich, schon aus Zeitgründen. Und blöderweise haben die Kinder auch noch Hobbies in Sportvereinen, wo man am Wochenende teilnehmen muss, auch dafür benötigt man auf dem Land ein Auto.
        Soll kein Jammern sein. Es wäre vermutlich weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, den ÖPNV hier stärker auszubauen, lieber auf E-Autos und Carsharing setzen, damit nicht jeder Haushalt “für alle Fälle” zwei oder mehr Fahrzeuge auf dem Hof stehen hat. Nur zur Eläuterung des Problems…

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