
Greenpeace gilt vielen als fanatisch, ökonomisch unwissend und hoffnungslos optimistisch. Im Jahr 2009 prognostizierten oder eher wünschten sie sich eine weltweit installierte Kapazität von 921 GW an Solarenergie im Jahr 2030 – eine Leistung wie mehr als 700 große Atomkraftwerke. Verrückt, oder? Doch bereits 2023 erreichte die Kapazität 1.419 GW. Wie konnte das passieren?
China hat das fast im Alleingang geschafft, nicht die traditionellen Industrieländer: China produziert 93% des Silikons, welches für Solarzellen benötigt wird. Dieses Jahr wurden daraus weltweit 70 Milliarden Solarzellen gefertigt, eingebaut in etwa eine Milliarde Solarpanels. Damit könnten 3,3 Millionen Standardcontainer gefüllt werden, die aneinandergereiht fast 20.000 Kilometer Länge ergäben. Inzwischen ist weltweit eine Fläche von 10.000 Quadratkilometer mit Solarpanelen bedeckt (1.600 Terawatt), das entspricht einer Fläche von zwei Dritteln Schleswig-Holsteins. Diese Fläche reicht, um 6% der weltweit benötigten Elektrizität herzustellen. Die kostenlose Sonnenenergie wird eingefangen und in Strom umgewandelt, ohne dass an Ort und Stelle Dreck oder Lärm entsteht. Auch deshalb erfreut sich Sonnenenergie einer hohen Akzeptanz. Es ist die am wenigsten aufdringliche Energie-Revolution, die man sich vorstellen kann.
Das Wachstum der Kapazität hat alle Vorhersagen geschlagen und weit übertroffen, alles durch ein Zusammenspiel von drei einfachen Faktoren: Wenn eine Industrie mehr von etwas herstellt, wird es dadurch billiger; wenn es billiger wird, steigt die Nachfrage; wenn die Nachfrage steigt, sinkt der Preis weiter. So wird in Solarenergie inzwischen mehr investiert als in allen Gas- und Ölanlagen zusammen, etwa 500 Milliarden in diesem Jahr. In acht Jahren wird Solarenergie weltweit mehr Strom generieren als alle anderen Kraftwerke einschließlich Wind zusammen. In 16 Jahren wird sie auch alle Primärenergien eingeholt haben. Das E-Auto wird zwingend werden, weil Sonnenenergie bereits heute viel billiger ist als Energie aus einem Kraftwerk, selbst wenn dieses auf einem Kohle- oder Ölvorkommen sitzt. Noch nie in der Weltwirtschaft ist ein Preis für einen Produktionsfaktor so schnell gefallen wie bei der Sonnenenergie. Das liegt auch daran, dass für Öl und Kohle etwa eintausend Mal mehr Rohstoffe bewegt werden müssen als für die Herstellung von Solarpanelen. Diese haben keine beweglichen Teile und sie werden hochstandardisiert hergestellt, kein Vergleich zu den extrem komplexen Herstellungsverfahren wie zum Beispiel dem für eine Gasturbine. Ein weiterer Vorteil ist die Einsetzbarkeit: ein paar Zellen für ein Smartphone-Ladegerät werden auf die gleiche Weise hergestellt wie ein 10 GW-Kraftwerk. Der Technologie-Investor Rob Carlson macht es kurz: „Die Sonne hat gewonnen“.
Energienetze mit einem hohen Anteil an Solarenergie, dazu zählen weltweit Spanien, Portugal, Frankreich und ja, dank grüner Politik auch Deutschland, sowie sowohl das von den Demokraten regierte Kalifornien so auch das von den Republikanern regierte Texas, erleben inzwischen zu einigen Tageszeiten negative Preise für Solarenergie aufgrund eines Überangebots an Strom. Sie haben deshalb alle inzwischen damit begonnen, Großspeicher aufzubauen, um diesen Strom günstig einzukaufen und teurer wieder zu verkaufen. Und auch hier geschieht eine parallele, von China getriebene Revolution, denn in den letzten 30 Jahren ist der Preis für eine Kilowattstunde aus einer Batterie um 99% gefallen. Weil Kalifornien bereits 10 GW Batteriespeicher installiert hat, ist wiederum der Investitionsanreiz für noch mehr Solarkraft gestiegen. Es gab dort bereits einige Abende, wo der Energiebedarf vollständig aus Großspeichern gedeckt wurde. Noch schneller geht es in Texas, wo Batteriebetreiber letztes Jahr einen Umsatz von 532 Millionen Dollar erzielten. Entgegen der Sicht von Trumps Mannschaft geht es den Republikanern nicht ums Geldverdienen mit Öl oder Gas, sondern ums Geldverdienen mit welchen Mitteln auch immer. In China wiederum ist der Markt für Großspeicher nach Wert inzwischen größer als der für Konsumelektronik.
Indien hat einen anderen ‚business case‘, der zeigt, welche Faktoren alle in einer Energierevolution eine Rolle spielen können. Das Unternehmen Adani Green Energy entwickelt dort zwei Solarkraftwerke mit einer Kapazität von 60 GW, zwei Drittel so viel wie Deutschland in den letzten 25 Jahren installiert hat. Einer der Gründe: Indien importiert riesige Mengen an Gas und Öl, da sie selbst kaum Vorkommen besitzen. Das führt zu einer negativen Handelsbilanz und macht 1,4 Milliarden Menschen abhängig von geopolitischen Faktoren. Sonnenenergie ist in Indien daher ein Treiber für mehr Unabhängigkeit und Autonomie. Das Beispiel Ukraine zeigt wiederum, wie angreifbar eine Energiewirtschaft ist, die auf wenigen Großkraftwerken aufgebaut ist. Beide Beispiele zeigen, dass es neben dem Faktor Preis auch die geopolitische Unabhängigkeit und die geringe Verletzlichkeit von dezentralen Energie-Infrastrukturen sind, die den Weg der Solarenergie weiter ebnen.
Die Fläche von Ägypten, bedeckt mit Solarpanelen, würde heute ausreichen, um den gesamten Energiebedarf der Welt zu decken, inklusive der Kraftstoffe für Mobilität, Heizung und aller industriellen Prozesse. Und das mit einer einfachen, fast wartungsfreien Technik. Die Industrialisierung hat viele komplizierte Techniken hervorgebracht, um Wasser zu kochen, damit es auf Turbinen geleitet werden kann, mit Kohle, Öl, Gas, Atomspaltung und -fusion. Mit Solarenergie muss noch nicht einmal Wasser gekocht werden. Die Sonne könnte in Zukunft so viel und so billig Energie liefern, dass man den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre mit technischen Mitteln wieder senkt. Wer hätte gedacht, dass Solarenergie so durch die Decke geht – noch nicht einmal Greenpeace.
Quellen:
The Economist, June 22th 2024, „The Sun Machines“ – Essay on solar power
The Economist, The World Ahead 2025, „Energy‘s next big thing“
https://www.planetarytech.earth/the-sun-has-won
Der Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 25 des T&Emagazins.
Sie kann hier bestellt werden.

Aus dem Inhalt der 25. Ausgabe:
- Editorial: Schon wieder einen Tesla
- Pro & Contra: Das moralische Dilemma mit Elon Musk
- Future: Lernende Roboter
- Tesla: Wie viel Wartung muss sein?
- Tesla: Mehr als Akku-Wechsel
- Tesla: Das Model Y verfeinern
- Strombock: 5 wichtige Tipps zu Ladetarifen
- E-Auto-Tests: Vier neue Modelle
- News des Quartals – Tesla Welt
- Energiewende: Wieviel Energie ist nötig?
- Energiewende: Solarenergie – Revolution
- Glosse zur Energiewende: Die Klimagaffer
- Energiewende: Großspeicher kommen auch in Deutschland
- Energiewende: Flaute? Kein Wind, keine Sonne…
- Die Herausgeber: Tesla Fahrer und Freunde
- Die Herausgeber: Tesla Owners Club Helvetia
- Aquaplaning und E-Mobilität
- Leser:innenbriefe
- Fanboy Gabor Reiter zu allen Tesla Modellen
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